Weiße Auberginen im August

Kaum eine deutsche Zeitung kann man im August aufschlagen ohne auf launige Texte über die einzigartige Atmosphäre bekannter Städte im August zu stoßen. Wie schön ist München im August! Wie schön ist Paris ohne die Pariser im August! Wie wunderbar herrlich ist Rom im August! Ja, ich weiß das schon. Ich komme ja auch deshalb immer gerne im August hierher. Zumal es seit einigen Jahren gar nicht mehr so brütend heiß ist wie „früher“, sondern im Gegenteil angenehm windig und am Strand fast schon zu kühl. Also mit kühl meine ich, dass ich unter dem Schirm, den ich inzwischen nicht mehr verlasse, gut und gerne ein Handtuch vertragen kann, wenn ich längere Zeit lese oder vielleicht auch ein wenig hinüberschlummere. Aber alles in allem ist es natürlich herrlich, durch die Stadt zu sausen, kaum bedrängt vom Verkehr, wenn man sich wie der alleinige Betrachter all dieser einzigartigen Schönheit fühlen kann.

Aber – das wissen wir ja alle und verstehen auch vordergründig, dass es damit seine Richtigkeit hat – wo Licht ist, ist eben auch Schatten. Also nicht der angenehme Schatten, den wir beim Pasquale immer mieten, sondern der echte Schatten, den man halt nicht so gerne mag. Denn das, was das Zentrum so schön macht, die Vororte und auch die wilden Gegenden so sanft und ruhig, das führt auch zu erschütternden Engpässen. All diese Besonderheit liegt natürlich nur daran, dass alle zur gleichen Zeit in die Ferien gehen. Viele würden vielleicht auch gerne wann anders fahren, aber es würde ihnen herzlich bringen, ihren Urlaub aufzusparen und im September oder Juli zu reisen, wenn noch nicht alles so teuer ist. Sie können im August schlichtweg nicht arbeiten, weil ihre Firmen fast alle schließen. Das ist alles hinnehmbar. Was allerdings nicht hinnehmbar ist und nur mit tückischer Bosheit oder Übersättigung zu erklären ist, dass auch meine GESAMTEN arabischen Obst- und Gemüsehändler dicht gemacht haben. Der einzig noch offene ist der, den ich vor Jahren in ähnlichen Notzeiten zu meinem Haus- und Hoflieferanten auserkoren habe, weil er halt im August offen war. Und was hab ich von meiner Treue? In diesem August baut er von all meinem Geld um!

Nun ist es ja beileibe nicht so, dass ich nicht auch über Alternativen verfügen würde. Und so bin ich in den letzten Tagen – denn so richtig schlimm wurde es erst seit dem eigentlichen Ferragosto am Montag – wie ein Eichhörnchen meine Baumhöhlen abgefahren auf der Suche nach Obst und Gemüse. Alles zu. Und was offen ist, hat schauerliches, modriges Zeug. Unwürdig für ein Land, in dem Zitronen blühen und Tomaten wachsen. Überhaupt Tomaten. Gibt nur scheußliche im Moment. Gut, dann eben im Supermarkt. Aber das geht auch nicht. Wirklich nicht. Meine letzte Option auf dem Weg zum Gärtner war auch zu und damit nicht alles umsonst war, habe ich halt bei Mauro, der erstaunlicherweise offen war, eine blaue etwas klebrige Hängeblume gekauft. Und auf dem Weg zurück hinter einem Gerüst einen Obst- und Gemüseladen. Dort gab es mittelgute Ware und wirklich sehr freche Verkäufer. Aber was hilft’s? Ich bin ihnen ausgeliefert und auf diese Art und Weise lerne ich zu Demut und Schattenseiten offenbar auch noch Neues kennen. Albino-Auberginen. Heute Abend wollte ich sie probieren, sie scheinen wie ich den Schatten vorzuziehen, aber mein Kühlschrank ist weiß, sie sind weiß, ich hab sie nicht gesehen.

Grüße aus der Küche

Südtirol ist ein wunderschönes Zwitterland, aus dessen – gerade für deutsche Gäste – komfortabler Vielfalt ein unverwechselbarer Charakter entstanden ist. Hier bin ich seit ein paar Tagen und das auch noch in einem Hotel, das das Wunder vollbringt, seit über dreißig Jahren ein und denselben Koch zu haben. Eine familiäre Symbiose hat hier stattgefunden und davon profitieren vor allem die Gäste. Werner, der Koch, erfüllt seine Aufgabe mit Liebe und Leidenschaft. Bespricht man ein umfangreiches Menü mit ihm, merkt er sich jede Nuance, jede Vorliebe, einfach alles. Hin- und Herspringen zwischen seinen vielen Vorschlägen ist gar kein Problem, zum Schluss kann er sich exakt erinnern, was der Gast an sich wollte. Ich habe davon besonders profitiert. Vielleicht weil ich sein Kochherz dort getroffen habe, wo es am empfänglichsten ist. Am Versorgerinstinkt.

Die ersten beiden Abende gab es viele kleine Köstlichkeiten, liebevollst angerichtet. Mir war gar nicht bewusst, dass man von etwas so minikleine Portionen zubereiten kann. Persönlich koche ich meist nach dem Motto „viel von einem“, während mein Vater gerne in üppigen Variationen kleinster Köstlichkeiten schwelgt – ein veritabler Interessenkonflikt. Bis zu dem Moment, als ich morgens in meiner Mußestunde an der Rezeption den Koch getroffen habe und ihm gestanden habe, dass es zwar köstlich, aber für einen ausgewachsenen Menschen, der tagsüber nichts essen kann, doch ein wenig wenig ist. Das hat ihm ein Leuchten in die sanften Augen gezaubert und als ich ihm gestanden habe, dass ich am liebsten in seinem Radiccio-Risotto mit Taleggio (ein bis zwei Esslöffel!) gebadet hätte, war es um ihn geschehen. Mir geht das ja ähnlich. Kaum eine größere Freude kann man mir machen, als sich ein Essen zu wünschen.

Gestern Abend nun habe ich von Werner eine Liebeserklärung an der anderen aus der Küche erhalten. Mein Hummer war größer, mein Risotto mit einem feinsten Filet bestückt und von dem sowieso riesigen Rombo habe ich noch ein Extrastück bekommen. Es war herrlich, mein Vater war fassungslos und ich hochzufrieden. Leider werde ich die nächste Woche noch oft an Werner denken, spätestens dann, wenn ich mir Abend für Abend eine Gemüsepfanne mache. Hat eben alles seinen Preis.

Gefährliches Rumgeeier

Ist es nicht einfach fürchterlich, wie vergesslich man wird? Wegen dieser blöden Eier hätte ich nun schon beinahe zweimal die Küche abgefackelt. Ich esse fast nie Eier. Wenn, dann brauche ich sie für einen Kuchen und dann versuche ich auch nur so viele zu kaufen, wie ich brauche. Meine Mutter hat früher immer gesagt, wenn man zuviele Eier isst, bekommt man rote Punkte auf der Nase. Das hat sich wohl festgesetzt und heute habe ich zwar keine Angst mehr vor roten Punkten (die Pubertät ist vorbei), aber das mit den Eiern sitzt noch. Jedenfalls bereite ich sie höchstens dann zu, wenn ich Besuch habe und der gerne ein Ei zum Frühstück hätte oder wenn ich sie zu hause habe und doch keinen Kuchen mache.

Dann koche ich sie hart und nicht selten werfe ich sie nach Wochen dann eben hart gekocht weg. Letztes Jahr wäre das schon einmal fast schief gegangen. Ich war am Schreibtisch mit dem Verfassen eines essentiellen Textes über irgendwelche Reisen befasst als mir ein Blick auf die Uhr sagte, dass es höchste Zeit sei, den Hund zu holen und in den Wald zu fahren. Gesagt, getan, schönes Gassi gemacht, noch bei der Schneiderin gewesen und nach guten zwei Stunden unten am Haus vorbeigelaufen und kleine Rauchwölkchen gesehen. Sofort hab ich – zu Recht – Panik bekommen. Diese blöden Eier sind explodiert, der Topf war schon verbogen und alles in allem kann man sagen, dass sie der Kauf von Qualitätsprodukten auch hier ausgezahlt hat. Ein WMF-Töpfle kommt zwar aus der Form, überlebt aber schwer angeschlagen auch dieses.

Das war mir eine Lehre, ich habe zerknirscht das unfassbar teure Nachfolgermodell des kleinen Topfes bestellt und bezahlt und es als gerechte Buße angesehen. Aber habe ich daraus gelernt? Nicht immer. Heute hatte ich wieder so blöde Eier und beim Cappuccinomachen dachte ich, komm, Ostern naht, koch sie hart. Ist ein prima Snack. Hab mich also wieder an den Schreibtisch gesetzt und nach einer Weile gewundert, wer um Himmels Willen so rhythmisch rumschlägt? Wird Öl geliefert? Haben die Kinder unten ein neues Spielzeug? Aber irgendwie kam mir das Geräusch vertraut vor. Natürlich waren es diese doofen Eier, die im Topf herumgetanzt sind. Dieses Mal ist alles gut gegangen. Aber eiertechnisch wird Ostern bei mir ausfallen, das ist schon mal sicher. Also wirklich, das ist ja lebensgefährlich.

Traurige Wahrheit

Schon unsere Großmütter wussten, dass Männer schlecht behandelt werden wollen. Ich finde das manchmal schwierig und nur mühsam zu bewerkstelligen und bin meist freundlich. Was ich allerdings heute bei meinem Stamm-Uralt-Italiener erleben durfte, schlägt dem Fass den Boden aus. An sich wollten eine Freundin und ich für unser spontanes Mittagessen auf unsere andere italienische Alternative ausweichen, weil dieser auch die bessere Minestrone, nicht aber die besseren Nudeln macht. Nachdem wir aber einen Parkplatz davor gefunden hatten, war – Montag – geschlossen. Wir wollten das tun, weil wir uns völlig zu Recht beim letzten Besuch des Stammitalieners ziemlich aufregen mussten und uns danach war, ihm zumindest innerlich eine Lektion zu erteilen.

Nachdem die Alternative eben geschlossen war, sind wir mit dem festen Vorsatz zurückgekehrt (uns fiel spontan keine taugliche Alternative ein), ihn dafür aber zu ignorieren und keineswegs für dumme Sprüche oder Unterhaltungen jeglicher Art herzuhalten. Was wir gelernt haben, war erschütternd. In all den Jahren war unser Wirt noch nicht so oft an unserem Tisch wie heute, hat uns mit Komplimenten überschüttet, Lieder vor unserem Tisch gesungen, unsere Meinung eingeholt und je einsilbiger wir waren, desto mehr lag ihm an unserer Zustimmung. Wir waren beinahe verzweifelt und wurden noch schroffer und das hat einen derartigen Wirbel an Freundlichkeit und Entgegenkommen ausgelöst, dass es uns beinahe unangenehm war. Sind nur Italiener so? Sind sie das von ihren Frauen gewöhnt?

Ich werde in den nächsten Wochen in jedem Fall mal testen, ob dieses Konzept übertragbar ist und da ich in Rom sein werde, bieten sich die grässlichen römischen Verkäuferinnen prima an. Vermutlich werden sie mir die Tüten nach Hause tragen. Fraglich ist nur, wie lange ich das durchhalte. Außerdem reise ich mit Mutter und Lebensgefährten und da möchte man ja auch nicht als Rüpel dastehen. Hier in Augsburg jedoch zieh ich das noch eine Weile durch, das ist sicher.

Große Erwartungen, heller Schein

Ich zähle nicht zu den Menschen mit unbegrenztem Selbstbewusstsein. Oft gehe ich daher davon aus, dass das, was ich kann, andere schon längst können und tun. Und dass die meisten noch viel mehr können und tun. Wie irr einen das führt, durfte ich jüngst bei einem Mittagessen erleben. In unsere minikleine Wohnung in Paris hatten wir Gäste geladen. Franzosen und Amerikaner. Franzosen scheinen zu allem eine über Generationen gefestigte Meinung zu haben, vor allem zum Essen und tatsächlich haben sie auch noch die klassische Speisefolge von Vorspeise, Hauptspeise, Dessert erfunden. Und deshalb habe ich das französischste Menü geplant, das ein Mensch sich nur denken kann. Quiche, Boeuf Bourguignon, Kartoffelstampf, Apfelkuchen. Da unsere Wohnung recht klein ist und ich nicht in aller Konsequenz der Meister der Planung bin, ist mir erst recht spät aufgegangen, dass ich mitnichten über die gesamte Ausrüstung verfüge. Und so musste ich ohne Waage, Nudelholz und mit nur einem großen Topf antreten.

Und was ich dabei wieder einmal festgestellt habe, ist, dass Kochen nicht so sehr mit Sternen oder großen Kochinseln, sondern mit Improvisation und Organisation sowie Erfahrung und tatsächlich auch Selbstbewusstsein zu tun hat. Denn als meine Quiche knusprig und duftend auf den Tisch kam, haben allen voran die Franzosen gejubelt und mich gefragt, wo ich diesen köstlichen Teig gekauft habe. Also da ist mir wirklich die Kinnlade runter geklappt. Auf diese Art habe ich nämlich erfahren, dass überhaupt gar keine Französin jemals auch nur im Traum dran dächte, so etwas selbst zuzubereiten, was für mich an vorsätzlichen Betrug grenzt. Geht das außer mir noch jemanden so, dass man mordswas vom Anderen denkt und dann fast schon empört ist, wenn man erfährt, dass die Fingernägel künstlich, der Titel gekauft oder die Villa gemietet ist?

Warum glauben wir so oft, dass andere Dinge nach denselben Prinzipien wie wir selbst tun? Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind meiner Mutter schluchzend verboten habe, eine heruntergefallene Masche aus einem bereits eineinhalb Meter langen Schal aufzuheben, weil es dann nicht mehr mein Schal wäre. Das ist natürlich bei einem Kind etwas anderes, aber noch heute käme es mir nicht in den Sinn, einen Teig zu kaufen und ihn als meinen eigenen auszugeben. Was das Erstaunliche daran ist, war die Tatsache, dass besagte Franzosen mir klar gemacht hatten, dass der Unterschied im Geschmack den Aufwand wirklich nicht lohne. Aber dann gehts eben ums Essen und nicht ums Kochen.

Vom Hamster(n)

Irgendwie muss es doch in der Natur liegen, obwohl es natürlich gänzlich gegen die allseligmachende Maxime des ‚im Hier und Jetzt Lebens‘ geht: Das Einmachen, das Konservieren. Also in meiner Natur liegt es sicherlich. Ich hätte – wenn es aus platzmäßig ginge und ich wüsste, dass es auch irgendwann mal gegessen wird – eine Speisekammer so groß wie ein Ballsaal. Im Gegenteil, ich würde vermutlich im Ballsaal Schinkenhälften aufhängen und eingemachte Pfirsiche verstauen. Oder getrocknete Pilze. So beschränke ich mich darauf, Marmelade zu kochen oder Kompott. Kaum dass etwas im Angebot ist oder mich anlacht, kaufe ich es und überlege meist erst zuhause, was ich damit anfangen könnte.

So auch vorgestern bei einer großen Kiste mit Feigen, die es bei der Metro gab. Nicht dass ich, die ich die Woche über meistens alleine bin, eine ganze Kiste bräuchte, aber sie sahen herrlich aus und waren da. Und dann waren sie auch schon in meinem Einkaufswagen und zuhause. Ähnlich ging es mir mal in Rom mit einem besonders listigen Marktverkäufer, der mir, als ich nur noch ein bisschen Obst zum Frühstück für den nächsten Tag (an dem wir nach Augsburg zurück geflogen sind) kaufen wollte, fünf Kilo Kirschtomaten zu einem ‚prezzo speciale e unico‘ aufgedrängt hat. Wer hätte da nein sagen können? Bei dem Preis? Also bitte! Ich jedenfalls nicht.

Und so musste ich mir zuhause nicht nur das Hirn zermartern, was ich mit soviel leicht verderblicher Ware anfangen könnte (an nur einem Tag) und mich auch noch vor meinem Mann rechtfertigen, ob ich vielleicht was mit dem Tomatenverkäufer hätte, denn anders sei das ja wohl kaum zu erklären. Außer bei Schwimmbrillen hat er das Hamstergen eben nicht sehr ausgeprägt. Ist vielleicht eher weiblich. Auch bei Schuhen passiert das ab und an. Ich leider schon. Und in der Tat kommen einem ja dann auch großartige Ideen und auf einmal sind alle drumherum so froh, einen solch kreativen Hamster in der Familie zu haben. Würde ich jetzt nicht grade auf den besten Zwetschgendatschi der Welt warten, könnte ich zum Beispiel eine Feigencrostata machen. Ja, könnte ich. Mit meinen tollen Vorräten.

Heißhunger

Wie gesagt, auch der längste Urlaub geht einmal zu Ende und seit Samstag Nacht bin ich wieder in Deutschland. Seitdem ist es, als wäre ich niemals weg gewesen und der Alltag hat mich mit all seiner Lieblichkeit wieder umfangen. Kleine Postberge haben mich erwartet, das Meiste kommt ja zum Glück elektronisch, Basilikumstöcke, die bei Freundinnen waren und überlebt haben und Bekannte, die entweder schon im Urlaub waren oder ihn noch vor sich haben. Das Wetter ist herrlich, etwas kühler als in Rom und so plätschern die Tage wieder vor sich hin. Hosen können wieder getragen werden und wer mit mir mitgefiebert hat, ob es noch geht oder nicht, dem kann ich kühn entgegenschleudern: Na klar, warum auch nicht.

Ein paar Erinnerungen an den Urlaub gibt es – außer der leichten Bräune – dennoch. Und zwar einen regelrechten Heißhunger auf Fleisch. Montag war ich mit einer Bekannten beim Essen und habe ein – leider sehr kleines, verschwindend kleines möchte man sagen – Filetsteak gehabt. Es hat bei Weitem nicht ausgereicht und verlangt nach Nachschub. Man sagt ja immer, der Körper weiß, was er braucht. Meiner braucht jetzt das, was hier in Bayern wächst und das sind eindeutig keine Steinbutts (Steinbutte? Steinbutten?) oder Doraden. Eher Kühe.

Und so brate ich mir fast schon religiös wann immer es geht, ein Lendensteak und esse es ohne große Beilage. Das kenne ich so nicht von mir, aber es ist ganz wunderbar. Mit Nudeln wird man mich eine Zeitlang jagen können, vor allem seit ich gestern dem Kochwechsel bei einem Stamm-Italiener zum Opfer gefallen war. Der Neue hat einfach die Gemüsepasta völlig anders zubereitet als sonst üblich. Das geht doch nicht. Es kann sich doch nicht immer alles ändern, kaum dass man mal kurz weg ist. Also wirklich.

Essen

Ich hatte einmal einen wunderbaren Hund. Als sie zu uns kam, war sie ein kleines Dingelchen mit dem Kampfgewicht eines Hamsters, wie eine Freundin behauptete. Und vom allerersten Tag an hat sie erkannt, wie man mich domestiziert. Ganz einfach durch Nahrungsverweigerung. Lola ging an ihren Napf (nur Trockenfutter war die Empfehlung, aber die musste ich bereits nach einem Tag kippen, weil ich das Elend nicht sehen konnte), schnupperte und ging. Ich war verzweifelt und bei 500 Gramm auch nicht sicher, ob man das lange durchstehen kann. ‚Ein Hund verhungert nicht‘ war der recht hartherzige und wenig einfühlsame Kommentar aus meinem Umfeld. Augsburger Dickschädel eben. Ich war mir da nicht so sicher und habe den schlimmsten Fehler gemacht: darauf achten.

Ich habe also Nassfutter gekauft. Wahnsinnig gesundes, unfassbar teures, nur von allerglücklichsten Biotieren und was weiß ich nicht alles. Hund ist freudig zum Napf, hat geschnuppert und ist gegangen. Ich habe das Nassfutter in die Hand genommen und aus der Hand gefüttert, Hund nahm mit spitzen Milchzähnchen zwei Mäulchen voll und das war’s. Meine Mutter war in der Stunde meiner Not auf Hawai und konnte nicht gefragt werden, aber das sollte sie teuer zu stehen kommen. Es gab noch keine Emails oder Handys, also habe ich seitenlange Faxe geschrieben, die wohl vom Hotel teuer verrechnet wurden, dabei hab ich sie doch geschrieben, aber bitte. Es ging wochenlang so. Ich habe Hühnchen mit Reis gekocht, Möhren reingeschnitten wegen der Vitamine, ach, ich weiß nicht, was ich alles probiert habe. Dann habe ich festgestellt, dass Lola am liebsten gefressen hat, wenn der Entsafter lief, also habe ich beim Fressen den Entsafter angemacht. Waren wir im Urlaub, habe ich eigentlich immer nur wissen wollen, ob der zuhause verbliebene Hund auch wirklich frisst. Man muss erwähnen, dass wenn Lola gefressen hat, das Mengen waren, die eines Schäferhundes würdig gewesen wären. Allerdings nur solange, bis ich das präferierte Futter palettenweise bestellt hatte.

Zum Ende ihrer Jahre kristallisierte sich eine interessante Eigenart bei Lola heraus und zwar ist sie jedesmal, wenn meine Mama zu mir kam, entzückt zu ihrem Napf gesaust und hat ihn in Windeseile leer gefressen. Meine Mutter musste damit leben lernen, dass sie von unserem Hund als natürlicher Fressfeind betrachtet wurde. Ich habe sie dafür umso lieber gemocht. Letztendlich ist die Nahrungsaufnahme ein sehr wirkungsvolles Steuerungselement, mit dem man Menschen, die einen lieben, beherrschen kann. Bewusst oder unbewusst. Damit sollte man sehr achtsam umgehen.

Ein bunter Mix aus Mixern

Dass mit den Jahren so Manches verrutscht, Taillen, Gesichtszüge, Knie, ist hinlänglich bekannt. Das ist jedoch nicht alles. Auch die Interessen verschieben sich dramatisch und so kann ich heute im WMF-Shop nahezu dieselbe Begeisterung spüren wie früher bei Fruit of the Loom oder Benetton – H&M gab es damals nicht und meine Mutter hielt nicht viel davon, Kinder in teure Markenkleidung zu stecken. Nun ist WMF ja keineswegs trendy oder schick, aber so wahnsinnig haltbar und praktisch. Und wenn der Korkenzieher zum zehnten Mal an einem dieser modernen Korken scheitert, dann wird er immer noch freundlich ausgetauscht.

Und weil das so ist, habe ich mir heute den insgesamt siebten Mixer gekauft. Das bedarf einer Erklärung, ich bin kein Mixer-Junkie, keineswegs. Vor vielen, vielen Jahren, vielleicht sogar anlässlich meiner Hochzeit, bekam ich einen Krupps-Zerkleinerer. Ein weißes Maschinchen, sehr umspektakulär, aber mit einer Power, die große Maschinen vergebens suchen. Alles hab ich damit klein bekommen. Köstliche Pasten aus schwarzen Oliven und Artischocken für Bruschetta gemacht, büschelweise Basilikum zu Pesto verarbeitet und so weiter. Irgendwann bekam der Deckel ein Loch, weil ein Querschläger in Form einer Nuss durch den Behälter geschossen war, aber sie hat immer tadellos funktioniert. Man musste halt nur an der Stelle mit dem Loch den Daumen drauf halten. Dann fand meine Mutter die Arbeitsbedingungen unzumutbar und wir haben ein neues vielversprechendes Maschinchen gekauft. Das sah ähnlich aus, war aber bei Weiten nicht so potent. Dies geschah in Rom.

Ähnliches fand dann auch in Augsburg statt. Dort hatte ich nur einen großen Zerkleinerer, in dem sich die paar Oliven immer an den Rand drängten und ganz blieben. Auch unerfreulich. Und als ich dann einen neuen Zerkleinerer bekam, begann das Spiel von vorne. Schwächlich auf der Brust und die Masse am Rand, die Messer liefen leer. Und heute – nach ärgerlichen Fehlversuchen gestern – hatte ich die Nase voll und bin – wie schon letztes Jahr für Rom – in das Fachgeschäft meines Vertrauens geeilt, habe dort unter den verwunderten Blicken der Verkäuferin, die mich inzwischen schon kennt, denselben Zerkleinerer gefordert und nun habe ich den siebten Mixer zuhause und bin für alles gerüstet. Habe mich lange gegen diese Mixerredundanz gewehrt, aber es hilft ja nichts.

Modernes Kochen und Reisen

Heute war ich seit sehr langer Zeit mal wieder in der Stadt. Was sich in zwei Monaten oder so alles ändert, man glaubt es kaum. Rasenteppiche sind in der Innenstadt ausgelegt, damit junge Menschen mit Stachelfrisuren gemütlich drauf sitzen können. Schaut man sie an, möchte man glauben, sie verließen das Haus nicht eher, als dass wirklich alles an ihnen aussieht, als hätte man es sich in pechschwarzer Dunkelheit übergeworfen. Zusammenpassen darf nichts und heil darf es um Himmels Willen auch nicht sein. Aber mir ist natürlich klar, dass da sehr viel Konzept dahinter steckt. Oder vielleicht auch nicht? Vielleicht sind ihnen auch andere Dinge im Leben wichtig? Welche? Vielleicht kochen? Oder reisen?

Dann hätten sie bestimmt Freude an den Zillionen von neuen Kochbüchern, die die Lifestyle- und Einrichtungs- und Kochecken in den Buchläden verstopfen. Die inzwischen eigentlich gar keine Kochbücher mehr sind, sondern Fotobände. Und zwar von möglichst ruffelig gedeckten Tischen mit Krümeln und Essensstücken auf möglichst grobmaserigen Holztischen oder drapiert auf uralten Leinenfetzen von der Großtante. Besteck darf niemals ohne Kratzer sein, Geschirr bitte nicht zusammen passend und am besten mit kleinen Einschlägen. Wie ein Gericht fertig aussieht, erfährt man höchst selten, dafür gibt es Detailaufnahmen von Artischockenblättern und Möhrengrün und den grün-braun verschmutzten Fingern des Kochs, der gerade eine Petersilienwurzel in seinem Hinterhof ausgräbt. Viele Reiseführer sind inzwischen genauso aufgebaut. Eine Muschel am Strand hier, ein Türknauf da, alles wunderschön, aber – ach, ich weiß nicht, irgendwie an der Sache vorbei. All das soll wohl Achtsamkeit und Liebe zum Detail und für den Moment suggerieren.

Auf der anderen Seite sind Köche populär, die alle Zutaten möglichst lässig, um nicht zu sagen, achtlos und rasend schnell zusammen hacken und werfen, beinahe so, als sei kochen etwas Unanständiges, das man hinter sich bringen muss. Tatsächlich gibt es Fernsehsendungen, in denen es darum geht, innerhalb einer Minute einen Nachtisch zuzubereiten. Ja Prost, Mahlzeit, da würde ich mich als Gast aber arg freuen, wenn man sich so viele Mühe macht. Beinahe so sehr wie über ein Reiseziel, das mir detaillierte Abbildungen von Badschubladenknäufen liefert, aber nicht ein einziges Foto vom Speisesaal oder dem ganzen Zimmer. Morgen setze ich mich mal auf den Rasenteppich auf dem Rathausplatz und lasse mich in den Zeitgeist-Flow ziehen und chille mal. Ich schick dann ein Detailfoto von einem Nasenring oder einem Pflasterstein. Dann können Sie sich selbst ein Bild von der Situation machen.