So begann mein Artikel gestern Morgen nachdem ich eine Benachrichtigungskarte zur schlimmsten Postfiliale Augsburgs bekommen hatte und dann tatsächlich mit einem einzelnen aufwändig verpackten Lebkuchen in einer Pappschachtel wieder abgezogen bin. Ich musste dafür auf einen kostenpflichtigen Parkplatz fahren und alles in allem hat mich der Dreckslebkuchen eine halbe Stunde Zeit gekostet. Zwar wird mir die Firma, die ihn mir übrigens auch in einem Luftposterumschlag hätte schicken können, zeitlebens in Erinnerung bleiben, aber nicht zwingend in guter!!! Dann bin ich nach kurzer körperlicher und geistiger Ertüchtigung wieder an den Schreibtisch geeilt und war dann unglaublich produktiv bis ich eine befremdliche WhatsApp von meiner Mutter erhielt. „Was tun wir jetzt am 25.??“ lautete der erstaunliche Text, denn wenn eines sicher ist an Weihnachten, dann ist es die Gans am 1. Feiertag. Was hatte das zu bedeuten?
Drei Fragezeichen später konnte meine Mutter es nicht mehr aushalten und rief mich an, um mir mitzuteilen, dass wir sozusagen im Herzen des Evakuierungsgebietes lägen und zwar jedes einzelne Familienmitglied. Tatsache. In Augsburg, das ja immer saugerne schrecklich absurde Schlagzeilen schreibt, muss natürlich die größte Fliegerbombe, ein Wohnblockknacker, gefunden werden. Zwar sinnigerweise auf dem Grundstück eines von uns oftmals verteufelten Autohändlers und -reparateurs und direkt neben dem Rewe, der nur durch Glück nicht schon vor Jahren von meiner Mutter höchstselbst in Schutt und Asche gelegt worden ist, aber eben doch auch schrecklich nahe an unseren Wohnungen. In der Retrospektive kann ich jetzt genau sagen, wie ein Schockzustand abläuft: einfach weitermachen, langsam immer wieder dran denken, ungläubig sein, fassungslos, Schuldige suchen, jammern, dass es einen trifft, sich vorstellen, wie schön es wäre, wenn es nicht so wäre, handeln. Erst panisch, dann planmäßig.
Dann eine Flasche Prosecco trinken, allerdings mit inzwischen heimgekehrten Mann, der recht ratlos ist angesichts des inzwischen angehäuften Wissens der Ehefrau. Vor allem wegen der damit verbundenen Sorgen, an die er so vielleicht noch gar nicht gedacht hätte und dann völlig k.o. ins Bett sinken. All das ist schon sehr aufregend und wie das im Krieg gewesen sein muss, mag sich kein Mensch ausmalen. Wenn ich, die ich die Woche über alleine bin, mir vorstelle, diese Krisenzeiten immer, unvorhersehbar und alleine – vielleicht noch mit Geldsorgen und Verantwortung für Kinder – bewältigen zu müssen, dann kann ich nur sagen: Hut ab vor den Frauen der Kriegsjahre. Das hab ich mir natürlich schon vorher gedacht, aber denken und fühlen sind eben zweierlei. Mir tun momentan vor allem die ganzen älteren Menschen bei uns im Haus leid. Viele von ihnen haben den Krieg überstanden und werden nun zu Weihnachten wieder davon heimgesucht. Da sieht man mal wieder, dass es sich nicht lohnt, sich über Kleinigkeiten aufzuregen. Zum Beispiel über einzelne Lebkuchen. Lieber warten. Es kommen schon noch größere Dinge, die eine Aufregung noch viel mehr wert sind!