Reisen in Italien mit Italiener

Mal wieder ein wenig philosophischer, dafür aufregender Reisebericht.
Die wenigen Male, die ich mit meinem Mann fliege und ihn damit in die Untiefen der Billigfliegerszene ziehe, geht natürlich gewaltig was schief. Von Rom aus fliegen relativ regelmäßig diverse Flüge nach Paris und da ich meine Präferenzen ausschließlich nach Gepäckmitnahmerichtlinien definiere, stehen Ryan Air und Vueling ganz oben auf meiner Liebstenliste. Transavia verabscheue ich nicht nur wegen der engsten Sitzreihen, die es gibt, sondern auch noch, weil sie mir meinen größten Rimovakoffer ruiniert und nicht erstattet oder repariert haben. Lieber laufe ich als nochmal mit denen zu fliegen. Von Berlin aus haben sie mich letztes Jahr vier Stunden warten lassen und so bleibt dieser Entschluss fix. Vueling hingegen hat bislang nicht viel falsch gemacht. Bis heute.

Wir wollten eigentlich um sieben Uhr fliegen, haben dann aber entschlossen, dass es doch auch mal nett sei, nicht immer um vier Uhr aufzustehen, und den Flug um neun gebucht. Heute Morgen, noch mit Schaum im Gesicht, bekommt mein Mann eine Nachricht und weil er gründlich ist, hat er sie gelesen. Ich hätte das gar nicht getan, weil ich gedacht hätte, es sei nur die übliche Ankündigung, dass der Flug in zwei Stunden geht oder so. Es war jedoch die Ankündigung, dass wir anstatt um 9.15 um 13.44 fliegen werden. Hmpf. Wir haben darauf hin das Taxi abgesagt, bis ich wiederum gelesen habe, dass man doch bitte rechtzeitig am Flughafen sein solle, vor allem, wenn man Gepäck hat, was wir ausnahmsweise haben, weil mein Mann seine Garderobe aufgestockt hat….Also wieder Taxi rufen und los. Alle Flüge drumherum, vor allem der um sieben, waren superpünktlich, was mich zu touretteartigen Äußerungen veranlasst hat, immer wieder zu bedauern, dass wir nicht den um sieben genommen haben, was wiederum meinen Mann sehr verärgert hat. Aber eine Schwäche muss auch ich haben, oder?

Am Transferschalter, den ich in erster Linie deshalb aufgesucht habe, weil man mir dort Brötchen und Wasser versprochen hatte, waren riesige Schlangen voller aufgeregter Menschen und nachdem ich kläglich angesichts weitaus größerer Probleme der Mitreisenden (die nur noch nichts von den Brötchen wussten!!!) gescheitert bin, hat sich mein weltmännischer Mann ins Getümmel gestürzt und wurde alsbald zum Ansprechpartner von alleinreisenden Frauen mit lila Locken und großen runden Brillen und verstörten Rucksacktouristen. Er verlieh mit entschlossener Stimme dem allgemeinen Unmut Worte und gab die spärlichen Informationen mit ruhiger Stimme an verstörte Mitreisende weiter. Eine Freundin meinte, er wirke wie ein Politiker und wenn etwas stimmt, dann, dass es dem Italiener (und sei er auch nur ein halber) im Blut liegt, dramatische Situation mit dem notwendigen Ernst zu begleiten und auch weniger dramatische zu solchen zu gestalten. Es wird einfach alles mehr Puccini, Rossini, Pavarotti, wenn es in Italien und von Italienern inszeniert wird. Ich hingegen habe inzwischen vier Brötchen (riesige Dinger) und zwei Wasser abgeholt, später noch eine Tüte dazu organisiert, weil ich sie mir – aus Erfahrung klug geworden – einteile und sie mir meine gute Handtasche durchweichen. Und so kann man wieder einmal mit Fug und Recht sagen: Eine Ehe, in der der Mann Italiener ist und die Ehefrage praktische Deutsche ist wahrlich im Himmel geschlossen.
P.S. Mein Italiener hat gerade eine Revolution angezettelt und sich hinter den Boardingschalter gesetzt. Ich hatte damit geliebäugelt, aber hätte ich das getan, wäre ich – wegen falschen Timings – maximal gerüffelt worden. So ist das auch in der Oper: Timing ist einfach alles.

Liefern? Austauschen? Kommunizieren.

Heute habe ich mit meiner Freundin darüber gesprochen, dass es anstrengend ist, mit Menschen zu sprechen, die mit einem offenbar nur sprechen, um sich selbst besser zu fühlen. Das sollte grundsätzlich zwar ein Leitmotiv von freundschaftlichen Unterhaltungen sein, ja. Dass man sich danach besser fühlt. Aber das sollte für beide gelten. Wenn nur einer sich besser fühlt, kann das für eine Phase oder eine Zeit lang gut gehen, aber dann führt die Schieflage ziemlich sicher zum Ende der Beziehung, außer einer ist masochistisch und der andere narzisstisch. Es gibt die unterschiedlichsten Arten, sich nach einem Gespräch schlecht zu fühlen. Weil jemand seinen ganzen Ballast bei einem ablädt und einen zu Meinungen oder Äußerungen nötigt, die er selbst nicht aussprechen möchte und sie dann ausgesprochen hört und sich dennoch davon distanzieren kann. Oder weil er einfach alles, was er tut oder was ihm widerfährt als exakt genau das darstellt, was er sich schon immer gewünscht hat und das in der Folge auch ganz wunderbar genial war.

Wie funktionieren menschlichen Kommunikationen? Menschliche Kommunikation? Empathie gehört dazu. Zuhören. Etwas Preisgeben. Und im alleridealsten Fall ein Quäntchen Witz. Ach, was fehlt mir manchmal (oft) der Witz! Das „mei, stell Dir vor, was mir passiert ist“, das „ach, das kenn ich, das hab ich auch schon erlebt, bei mir war es…..“, das Übersichselbstlachen, das Etwaspreisgeben. Wie sehr öden mich die phantasielosen drögen Menschen an. Ja, ich weiß, schlimm, sowas zu sagen, aber sie langweilen mich wirklich zum Steinerweichen. Nicht die, die einfach gut und ruhig sind, die, die dazu noch selbstherrlich sind und kein bisschen über ihren untertellergroßen Tellerrand hinaus schauen möchten. Das ist schändlich, ich weiß und wer den Blog schon länger liest, weiß, dass ich mich fast nie zu solchen Aussagen, ja Urteilen habe hinreißen lassen, aber nun bin ich wieder ein Jahr älter und ich muss feststellen, dass ich gar nicht so viel Zeit für so viele langweilige Menschen mehr habe. Ich habe gar nichts gegen sie. Aber sie sollen bitte auch nichts gegen mich haben.

Ich mag nicht mehr mit Menschen sprechen, die sich nur an mir und meinem Leben ergötzen, die sich unterhalten lassen, die sich nur meine Geschichten anhören und keine beisteuern, die mich aushorchen und dann sagen: meld Dich, wenn Du wieder da bist. Ich mag lachen, mitfühlen, mich austauschen und weinen, wenn es notwenig ist. Ich mag nicht benutzt werden und mag keine Konsumenten. Ich mag es, wenn jemand mir seinen Tag erzählt und fragt: kennst Du das? Ich mag, kurz gesagt, Kommunikation. Und selten hat Wikipedia richtiger gelegen: Ich mag Austausch. „Mit „Austausch“ ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen gemeint; „Übertragung“ ist die Beschreibung dafür, dass dabei Distanzen überwunden werden können, oder es ist eine Vorstellung gemeint, dass Gedanken, Vorstellungen, Meinungen und anderes ein Individuum „verlassen“ und in ein anderes „hineingelangen“.“ Im Austausch mit meinen Freundinnen erweitere ich mein Weltbild, korrigiere Ansichten, integriere neue Aspekte und erhalte Trost oder Verständnis. Vor allem aber ist es ein Austausch und keine Lieferung.

Nackte Füße

Wir haben Fashion Week in Paris. In der Gegend, in der ich bis vor kurzem gewohnt habe, wäre mir das gar nicht so lange entgangen, aber hier in dieser ruhigen Ecke bemerkt man es nur, weil es aus dem gegenüberliegenden Studio im ersten Stock andauernd blitzt, wenn die Fotografen wieder ein Model in äußerst fragwürdiger, farbenfroher, dafür unförmiger japanischer Mode ablichtet. Am Wochenende haben sich die Limousinen vor unserer Haustüre gestaut und in den Restaurants sitzen aufgeregt schnatternde italienische und amerikanische junge Frauen entweder in düsterem Schwarz oder Männer in verwegenem Farb- und Mustermix. Gerne mit weiten karierten Hosen und irgendwelchen erstaunlichen Oberteilen. Vor allem italienisch, amerikanisch und asiatisch wird gesprochen, was aber alle eint, ist der maximale Willen, sich zu erkälten. Keiner trägt Strümpfe. Und gehöre schon ich aus dem kleinen Augsburg zur Fraktion, die als erstes mit nackigen Füßen in Schuhen herumläuft, so muss ich doch neidlos und mit einem gehörigen Maß an Respekt anerkennen, dass ich hier meine Meister gefunden habe. Es ist ihnen vollkommen egal, dass es unter Null Grad hatte.

Ich hatte das zum ersten Mal in New York gesehen. Damals waren wir in einem schicken italienischen Restaurant, ich glaube, es war das Cipriani, Sex and The City war in den Anfängen und ich ein junges argloses Ding, das nur das Buch gelesen hatte, sonst noch nicht viel damit am Hut hatte. Wir waren über meinen Geburtstag im März, es war also wirklich noch sehr, sehr frisch, um nicht zu sagen, schweinskalt. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass ich relativ neue, sehr coole hohe schwarze Stiefel mit Absätzen hatte und sie bei jeder Gelegenheit getragen habe. Ich fand sie so unglaublich schick! Bis wir in besagtem Restaurant saßen und um mich herum alle Frauen in kleinen Riemchensandalen oder Pumps saßen. Zwar trugen sie Pelze in beachtlichen Dimensionen, aber die Füße und Beine waren leicht gebräunt und bar jeglicher Bedeckung. Mein unpassendes Schuhwerk hab ich verschämt unter dem Tisch versteckt und bin an die Entstehung und Aussagekraft dieser doch sehr antizyklischen Mode gegangen.

Es musste damit zu tun haben, dass all diese Frauen in Limousinen herbeigeschafft wurden und somit nur die kurzen Meter von ihrem Haus mit Teppich und Baldachin zur Limousine und dann wieder über Teppich und unter Baldachin heutransportiert worden sind. Aus einem Vorort mit der U-Bahn sind unbestrumpfte Beine und Füße um die Null Grad deutlich schwieriger durchzuhalten. Andererseits: vielleicht sind sie der Schlüssel zum Erfolg?? Egal. Hier in Paris jedenfalls trägt kein Mensch, der etwas auf sich hält welche. Um am besten auch keine geschlossenen Schuhe, sondern Schläppchen (nennt man bestimmt auch anders, Pantoletten vielleicht?) oder Singpumps oder eben andere Riemchenschuhe. Weiße Turnschuhe werden schon mal mit Füßlingen getragen, aber das gehört zum Jahrein-Jahraus-Straßenbild und damit lockt man auf den Boulevards nun wirklich keinen Hund mehr hinterm Ofen vor. Ich kann nur sagen, dass ich ich diese extreme Mode nicht mitmache und an diesem Abend mit blickdichten Strümpfen da saß. Und was soll ich sagen: Ich bin diejenige, die erkältet ist. Vielleicht schützt so viel Chupze vor Unbill? Ich kann das beim besten Willen nicht ausprobieren, mich frierts schon auf den Fliesen in der Küche….