Es wird

Es ist beinahe zu schön, um wahr zu sein, aber zumindest eines unserer Sofas ist angekommen. Auch noch fast pünktlich. Wir sind völlig erschlagen. Das andere, das pinkfarbene, ist nach wie vor verschwunden. Man versichert mir und den zehn anderen Personen, die da immer wieder anrufen zwar gebetsmühlenartig, dass es ganz sicher nicht verschwunden ist, was mich ehrlich gesagt auch wundern würde, denn es müsste ja doch etwas auffällig und sperrig sein, aber gefunden hat man es dennoch nicht bisher. Eine Woche ist es bald verschollen. Dafür haben wir uns jetzt auf das Konzept zurückbesonnen, das auch bei den letzten Teilen in Augsburg schon so hilfreich war. Antiquitäten. Ich weiß jetzt, warum so viele Menschen einen Mix aus Ikea und Antiquitäten haben. Sie sind den Aufregungen von Möbelneubestellungen einfach nicht gewachsen. Und so haben wir ein schönes Wochenende auf dem Pariser Flohmarkt verbracht und dürfen nun zumindest einen Küchentisch und eine Kommode unser eigen nennen.

Das Wochenende stand nach unserem Getränkeeinkauf zu besagtem freundlichen Supermarkt um die Ecke sowieso unter einem guten Stern, denn dort habe ich erstaunlicherweise einen Blumenkohl geschenkt bekommen. Zwar ein Kohl, meinte der freundliche Mann an der Kasse, aber eben auch mit Blumen dabei. Hat er Recht. Mein Mann hätte fast geweint deshalb. Er hasst Blumenkohl. Und ich muss sagen: selten hat ein Geschenk einen solchen Rattenschwanz nach sich gezogen. Gibt man Blumenkohl und zum Beispiel Curry in Google ein, kommen Rezepte, die mich auch nach 30 Jahren Kocherfahrung an den Rande eines Nervenzusammenbruchs, zumindest aber in den Alkohol treiben. So unfassbar viele Zutaten sind notwendig, um aus dem geschenkten Kohl etwas zu machen, das auch einem erklärten Blumenkohlhasser mundet, es war der helle Wahnsinn. Dafür konnten wir dieses Essen an einem echten Tisch mit zwei Stühlen und in 74cm-Standardhöhe zu uns nehmen. Eine Kerze hat auch noch auf den Tisch gepasst!

So erfreulich geht es weiter und wieder mal bewahrheitet sich die alte Regel: zünde Dir eine Zigarette an (am besten die letzte aus der Packung) und der Bus kommt noch vor dem wunderbaren ersten Zug (ich habe wirklich, wirklich gerne geraucht!). Und so ist es auch bei uns: Kaum hatte ich den Zug für heute gebucht, kündigte sich besagtes Sofa an, die Kommode kommt auch heute und der Tisch, ein kleiner Tausendsassa, der für jemanden wie mich, der sich nicht so gerne festlegt, einfach ein Traum ist, ebenfalls. Ich sause gleich zum Zug und hoffe, dass ich die Wohnung so vollgestellt überhaupt noch wiederkenne bei meiner Rückkehr….

Sofas, Hühner, Zwiebeln

Seit heute morgen um sieben Uhr sitze ich wie eine Braut am Hafen vor dem Fenster und starre auf den Platz hinunter. Und eigentlich kann kaum eine Braut sehnsüchtiger geschaut haben als ich. Ich habe nämlich gestern Abend um 18.33 Uhr (sic!) eine E-Mail bekommen, dass unser Gästesofa heute zwischen sieben und neun Uhr geliefert werden wird. Ich finde es recht sportlich, erst zwölf Stunden vorher eine solche Information zu erhalten, aber wir Deutschen sind halt auch recht verplant und nur wenig spontan. Stimmt schon. Nun ist es 11.19. Hinter mir liegen mehrere ratlose Gespräche mit meinem Mann, eines mit dem genervten Mann vom Relais Colis, was wohl die französische Verladestelle für alles Mögliche ist, der meinte, die Lieferung sollte zwischen sieben und neun zugestellt werden, habe sich aber wohl verzögert und eines mit Kris, dem Concierge, welcher meint, das sei gar nicht normal und läge bestimmt am Schnee der letzten Tage (sic!!!). Dadurch seien sehr viele Lieferungen verzögert worden. Was einem das Leben im Ausland also in jedem Fall abverlangt, ist eine muttertheresaartige Lang- und Demut. Und Sitzfleisch.

Eine Bekannte, die erstaunlicherweise ums Eck wohnt (und das im großen Paris!) meinte, sie käme dann am Nachmittag um das Sofa zu bewundern, aber fürchte, sie wird auch bis dahin mit mir alleine Vorlieb nehmen müssen….
So, es sind jetzt weitere viereinhalb Stunden vergangen. Ich habe alle Tricks versucht, bin sogar einkaufen gegangen, was normalerweise – allerdings ohne Vorsatz – immer funktioniert. Hat es jemand schon mal eilig gehabt und musste an jeder Ampel anhalten? Klar. Und wollte sich schon mal jemand an einer roten Ampel die Lippen nachziehen? Na, bitte, grüne Welle. Das Einkaufen hat nicht funktioniert, aber dafür was viel Tolleres. Der Metzger, bei dem ich mich langsam hocharbeite, hatte zu. Nun wollte ich aber meine hart erkämpfte Freiheit nicht untätig und vor allem ebenso erfolglos verstreichen lassen wie den übrigen Tag und habe im Handy eine andere gesucht. Auf dem kurzen Weg dorthin habe ich nicht nur ein sehr hübsches zugewachsenes Haus entdeckt, sondern gleich gar ein neues Viertelchen und – man höre und staune – einen Metzger, der ausschließlich glückliche freie Tiere verkauft. Dafür haben zwei Hühnerbrüstchen mit Fuß (oder Flügel?! dran) auch zwanzig Euro gekostet. Er hatte sie schon zerlegt, da wollte ich nicht schwierig werden. Und außerdem spricht er auch Englisch. Bin froh, wenn ich mal nicht muhend oder gackernd in einem Laden stehen muss, um zu erklären, was ich möchte.

Auf dem Rückweg bin ich dann doch im Obst- und Gemüsetempel vorbei, bei dem ich allerdings inzwischen auch schon gelernt habe, dass er versteckte Fallen beherbergt und man etwas achtsam sein muss. Vor allem mit den unterschiedlichen Preisen. Zu den Cashewkernen wollte ich noch Suppengrün kaufen, denn derart teure und glückliche Hühnerschenkelchen dürfen nicht ungenutzt bleiben und auf die Frage, ob ich eine Suppe draus machen wolle, habe ich natürlich eifrig genickt. Eine Rübe und ein Stängelchen hatte ich schon, fehlten also nur noch Zwiebeln, die ich eh kaufen wollte. Einzeln gab es die unterschiedlichsten, aber in einem praktischen Netz wie bei uns nur eine Sorte. Also dann die. An der Kasse musste ich mein Stängelchen Sellerie tatsächlich wiegen (muss ich in Rom NIEMALS und auch die Rübe nicht!!!) und dann war große Verwirrung, was wohl die Zwiebeln kosten. Als die Kasse 9,95 zeigte, dachte ich mir, naja, werden wohl die Cashewkerne sein, aber dann stand auf einmal 13,61 da und auf dem Kassenzettel durfte ich dann lesen, dass ich die wohl exklusivsten Zwiebeln der Welt gekauft habe: Oignon de Roscoff. Hmpf. Habe mir zur Sicherheit gleich mal das Rezept auf der Innenseite aufgehoben. Man will sie ja nicht vergeuden und nur das Beste damit anfangen. In den Kühlschrank dürfen sie übrigens auch nicht. Schade, den hätte ich. Dafür hat die Verpackung – wenn ich mich noch recht entsinne – eine ähnliche Farbe wie das Sofa, das ich leider immer noch nicht habe…

Füße hoch!

Wir haben einen neuen Mitbewohner in Paris. Es ist ein Kobold. Und er treibt sehr selbständig sein Unwesen. Eigentlich sollte er saugen, aber er tut noch viel mehr. Er weckt in uns ungeahnte Gefühle. Von Rührung, wenn er vor brummend verschlossener Türe steht, weil er nach dem Auftanken wieder munter ist und wir ihn aber inzwischen vergessen haben über Schreck, weil er eben aufgewacht ist und wieder seinen Dienst aufnimmt und auf einmal röhrend vor uns steht bis hin zu Heiterkeit, wenn er sich in unseren Garderobenständer verliebt hat und gar nicht mehr von ihm runter möchte. Mein Mann ist technischen Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen und verfährt stets nach dem Motto, dass es besser ist, ein anderer macht einfache Routineaufgaben. Er entwirrt derweil lieber internationale Verstrickungen, liest oder schläft ein wenig. Ich bin da einfacher gestrickt. Bevor ich mich mit so einem sauteuren Ding und all seinen Unzulänglichkeiten (davon gibt es eine Menge!!!!) aussetze, sauge ich lieber in zehn Minuten einmal durch. Ich muss auch keine melodramatische Pause nach 45 Minuten einlegen, sondern schaffe es wie gesagt in zehn Minuten.

In dieser Zeit kann ich über dieses und jenes nachgrübeln und habe anschließend ein gutes Gefühl. Und ja, ich gehöre zu den seltenen Menschen der Neuzeit, die ohne eine Haushaltshilfe leben können, ja sogar lieber ohne sie leben. Das hat viele Gründe. Einer davon heißt Gabriella. Gabriella war und ist vielleicht sogar noch die Schwiegermutter unseres ersten Pförtners in Rom, Claudio. Claudio war der Vorgänger von Massimo und machte seinem Beruf nicht viel Ehre. Er war etwas antriebslos, aber vielleicht wird man mit einer solchen Schwiegermutter ja automatisch so. Verstehen könnte ich es. Gabriella also kam in den ersten Wochen meiner Zeit in Rom. Ich war jung, frisch verheiratet, verängstigt und hatte keinerlei Erfahrung mit Haushaltshilfen (meine Mutter hatte jemanden, aber auch sie hat fluchtartig das Haus verlassen, wenn sie kam und der Tag vorher war ein Horror für uns, weil wir alles picobello aufräumen und saubermachen mussten!). Sie kam einmal die Woche und wenn ich es nicht schon von Anfang an getan hätte, hätte ich diese Tage fürchten gelernt. Irgendwo habe ich mal gelesen, den Umgang mit Personal müsse man mit der Muttermilch aufsaugen. Das habe ich definitiv nicht und ich fürchte, ich werde es auch nicht mehr. Gabriella sollte es mir nicht gerade einfacher machen. Sie kam mit lauter Stimme, nahm Maß, erkannte, dass sie mit mir prima Schlitten fahren konnte und versprühte Reinigungsmittel in rauen Mengen. Wasser und Muskelkraft spielten bei ihrer Putzroutine eine sehr untergeordnete Rolle. Dafür forderte sie wöchentlich mehr und speziellere Mittel, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und einen Großteil meiner Kleidung.

Ich war ihr ausgeliefert und hatte fortan nur noch einen Gedanken: wie werde ich sie nur wieder los?? Man muss wissen, dass ich zu dieser Zeit ziemlich respektable Projekte mit ziemlich vielen freien Mitarbeitern durchgeführt, um nicht zu sagen: durchgezogen habe. Kein Vorstand, keine hundertseitige Datentabelle haben mich so in Angst und Schrecken versetzt wie die straßenkampferprobte und bauernschlaue Gabriella. Sie war frech wie ich es nicht kannte, anmaßend und unverschämt. Es war ihr mit meiner Höheren-Töchter-Schulausbildung einfach nicht beizukommen. Freundlichkeit war für sie Schwäche und Nachsicht die schiere Idiotie, die es auszunutzen galt. Nun haben wir in Paris auch wieder ein Concierge-Paar und hier versuche ich von Anfang an, neutral und herrschaftlich zu sein. Ganz ist mir das bisher noch nicht gelungen und Pretty, so heißt die Concierge-Gemahlin, schaut mich schon jetzt fragend-mitleidig an und gibt mir zu verstehen, dass wir nur Freundinnen werden, wenn ich mich ergebe und sie einstelle und ihr ganz viel Putzzeugs kaufe. Schon am ersten Tag teilte sie mir mit, dass ich eine Liste bekäme, was ich zu kaufen hätte. Ich sträube mich. Und trainiere stattdessen lieber unseren kleinen Kobold, der leider unter einer Art Staubsauger-ADHS leidet und sich – egal, wo ich ihn absetze und wir haben hier wirklich viel Platz und leider keine Möbel – bockig in einem Eck verkeilt. Wie schön war es, als ich noch selbst saugen durfte!!!

Wie früher, nur anders

Wie jedes Jahr um diese Zeit sind wir beim Skifahren. Und auf einer Zeitreise. In unserer süßen kleinen Pension, in der wir ein Zimmerchen haben, inzwischen das „Masterzimmer“ mit riesigem Bad und als besonderes Extra ein Frühstück nur für uns von der Zimmerwirtin zubereitet. Ich hatte es schon mal erwähnt glaube ich, dass wir uns im ersten Jahr den Schinken-Käse-Teller erarbeitet hatten, indem wir, will heißen mein Mann, den Skischuhbeheizer repariert hat. Seitdem haben wir uns in den munteren Reigen der Stammgäste und ins Herz unserer Wirtin eingearbeitet. Warum wir nicht in ein richtiges Hotel gehen? Weil es ein herrliches Down-to-earth ist, wir uns richtig erholen und der Geruch von Holz, der wie bei der Frau Frey in Berwang ist, einfach herrlich ist. Hier gibts nicht jeden Tag frische Handtücher und Bettwäsche (was es übrigens auch bei mir zuhause nicht gibt, ich oute mich damit mal, auf die Gefahr hin, als Ferkel zu gelten…) und auch keine Minibar. Dafür kaufen wir uns Äpfel und Mannerwaffeln und erzählen uns Geschichten von unseren ersten Skiferien (mein armer Mann hatte natürlich keine, er ist in den Bergen aufgewachsen.)

Mit zum Nettesten zählt außer der Lage, das morgendliche Geplauder mit unserer Pensionswirtin. Sie lebt seit immer hier und hat den Wandel im Ort immer hautnah miterlebt. Sie hat die Münchner kommen und gehen und manche bleiben gesehen, miterlebt, wie sie von den Wohlhabenden inzwischen fast schon zu armen „Würschteln“ im nunmehr internationalen Ranking verkommen sind, muss erleben, wie traditionelle Hütten den Besitzer wechseln und anstatt der weltbesten Kaspressknödelsuppe Hummer und Austern anbieten und dass in den ehemaligen Räumen der besten Metzgerei am Ort zeitweilig Skianzüge für 6000 Euro verkauft, besser gesagt angeboten werden. Sie erzählt von Kindern und Enkeln von Freunden, deren Eltern immer hart gearbeitet haben, damit die Kinder das Haus einmal schuldenfrei übernehmen können, nur um miterleben zu müssen, dass selbige Kinder überhaupt kein Interesse an Haus und Mobiliar haben und es sofort an Araber oder Russen verkaufen. Sie wundert sich über diesen Zeitgeist genauso wie wir. Das ist nicht nur hier so. Eine Freundin berichtete mir neulich resigniert, ihre Tochter und deren Freundinnen kauften T-Shirts für den Einmalgebrauch. Gewaschen würde da nichts mehr. Einmal tragen und wegwerfen. Mich hat fast der Schlag getroffen. Woher kommt das? Weil man noch nie für etwas arbeiten musste? Auch die Eltern es ziemlich komfortabel hatten, Kinder es normal finden, essen zu gehen und jedes Jahr in einem neuen Auto in den Urlaub gefahren zu werden?

Viele der hiesigen Gäste kommen nicht mal zum Skifahren. Sie kaufen sich zwar einen Skianzug (vielleicht sogar wirklich für 5000 Euro), ziehen den aber nur zum Hochfahren gegen elf, halb zwölf an und setzen sich dann auf die Hütte. Vielleicht gab es das früher schon, aber da ist es mir noch nicht so aufgefallen. In so einem gemütlichen Zimmer und mit etwas Einblick in glamouröse Leben kommt man da natürlich ins Grübeln. Was treibt die Menschen dazu? Sind sie alle Alkoholiker, die sich nur von einem Weißwein zum nächsten hangeln? Worum geht es ihnen? Ich glaube, die Bergluft macht mich philosophisch. Ich geh mal lieber Skifahren! Mein weiser Mann klärt mich dann im Lift auf, dass jede Generation sich über die nächste wundert. Schon Platon hätte das gemacht. Bin also wirklich ein Philosoph….