Wie früher, nur anders

Wie jedes Jahr um diese Zeit sind wir beim Skifahren. Und auf einer Zeitreise. In unserer süßen kleinen Pension, in der wir ein Zimmerchen haben, inzwischen das „Masterzimmer“ mit riesigem Bad und als besonderes Extra ein Frühstück nur für uns von der Zimmerwirtin zubereitet. Ich hatte es schon mal erwähnt glaube ich, dass wir uns im ersten Jahr den Schinken-Käse-Teller erarbeitet hatten, indem wir, will heißen mein Mann, den Skischuhbeheizer repariert hat. Seitdem haben wir uns in den munteren Reigen der Stammgäste und ins Herz unserer Wirtin eingearbeitet. Warum wir nicht in ein richtiges Hotel gehen? Weil es ein herrliches Down-to-earth ist, wir uns richtig erholen und der Geruch von Holz, der wie bei der Frau Frey in Berwang ist, einfach herrlich ist. Hier gibts nicht jeden Tag frische Handtücher und Bettwäsche (was es übrigens auch bei mir zuhause nicht gibt, ich oute mich damit mal, auf die Gefahr hin, als Ferkel zu gelten…) und auch keine Minibar. Dafür kaufen wir uns Äpfel und Mannerwaffeln und erzählen uns Geschichten von unseren ersten Skiferien (mein armer Mann hatte natürlich keine, er ist in den Bergen aufgewachsen.)

Mit zum Nettesten zählt außer der Lage, das morgendliche Geplauder mit unserer Pensionswirtin. Sie lebt seit immer hier und hat den Wandel im Ort immer hautnah miterlebt. Sie hat die Münchner kommen und gehen und manche bleiben gesehen, miterlebt, wie sie von den Wohlhabenden inzwischen fast schon zu armen „Würschteln“ im nunmehr internationalen Ranking verkommen sind, muss erleben, wie traditionelle Hütten den Besitzer wechseln und anstatt der weltbesten Kaspressknödelsuppe Hummer und Austern anbieten und dass in den ehemaligen Räumen der besten Metzgerei am Ort zeitweilig Skianzüge für 6000 Euro verkauft, besser gesagt angeboten werden. Sie erzählt von Kindern und Enkeln von Freunden, deren Eltern immer hart gearbeitet haben, damit die Kinder das Haus einmal schuldenfrei übernehmen können, nur um miterleben zu müssen, dass selbige Kinder überhaupt kein Interesse an Haus und Mobiliar haben und es sofort an Araber oder Russen verkaufen. Sie wundert sich über diesen Zeitgeist genauso wie wir. Das ist nicht nur hier so. Eine Freundin berichtete mir neulich resigniert, ihre Tochter und deren Freundinnen kauften T-Shirts für den Einmalgebrauch. Gewaschen würde da nichts mehr. Einmal tragen und wegwerfen. Mich hat fast der Schlag getroffen. Woher kommt das? Weil man noch nie für etwas arbeiten musste? Auch die Eltern es ziemlich komfortabel hatten, Kinder es normal finden, essen zu gehen und jedes Jahr in einem neuen Auto in den Urlaub gefahren zu werden?

Viele der hiesigen Gäste kommen nicht mal zum Skifahren. Sie kaufen sich zwar einen Skianzug (vielleicht sogar wirklich für 5000 Euro), ziehen den aber nur zum Hochfahren gegen elf, halb zwölf an und setzen sich dann auf die Hütte. Vielleicht gab es das früher schon, aber da ist es mir noch nicht so aufgefallen. In so einem gemütlichen Zimmer und mit etwas Einblick in glamouröse Leben kommt man da natürlich ins Grübeln. Was treibt die Menschen dazu? Sind sie alle Alkoholiker, die sich nur von einem Weißwein zum nächsten hangeln? Worum geht es ihnen? Ich glaube, die Bergluft macht mich philosophisch. Ich geh mal lieber Skifahren! Mein weiser Mann klärt mich dann im Lift auf, dass jede Generation sich über die nächste wundert. Schon Platon hätte das gemacht. Bin also wirklich ein Philosoph….