Dass ich prima ohne Sport auskomme, wissen die meisten meiner lieben Leser, meine Freunde und Bekannten sowieso. Denn eines Tages superfit ins Grab zu sinken, zählt eindeutig nicht zu meinen Zielen. Ich kann schon mal was Sportliches machen, ich laufe gerne, schwimme ab und an 50, 60 Bahnen, fahre gerne Ski, aber ich betrachte all dies als Spaß und nicht als Sport und würde mich nicht über Gebühr plagen, um es zu können. Ich kann es entweder schon immer, weil meine Eltern es mir frühzeitig, als ich mich noch nicht wehren konnte, beigebracht haben, oder ich habe eine glückliche Veranlagung dazu. Alles andere ertrage ich nicht, weil ich vermutlich in meinem Herzen, ganz tief vergraben, ein Superwettbewerbler bin. Und vielleicht ein bisschen faul. Es macht mir nichts aus, ein Gericht zwanzigmal zu kochen, bis es genauso schmeckt wie im Restaurant, wo ich es zum ersten Mal gegessen habe, aber mich irgendwo hinstellen und eine Bewegung hunderttausend Mal zu machen? Wäre nichts für mich. Muss ja auch nicht. Dafür haben wir ja unsere Olympioniken.
Aber wie böse werden auch diese enttäuscht nach all ihrer Überei und Plagerei?! Wozu das alles, wenn es dann doch nur um den ausgefeilten Einsatz von Chemie und irgendwelchen leistungssteigernden Mitteln geht? Wie traurig, wenn einer wirklich Tag für Tag, Jahr für Jahr nach der Arbeit auf den Sportplatz rennt – und das seit Jahren – und trainiert, sich schindet, alles selbst finanziert, in Büchern liest, wie er noch besser werden könnte, Ärger daheim bekommt, weil er nur diese eine Sache im Kopf hat, seine Freunde sich langsam verabschieden, weil er nie mehr ein Bier mit trinkt und so weiter und so weiter. Sie sehen, Sport ist in meiner Welt nur sehr selten mit allen Erlebnissen verknüpft, eher mit dramatischen. Und wie Recht ich damit habe! Ich stelle mir diese Fanatiker vor, die eine Sache um ihrer selbst Willen machen und wahrhaftig Spaß dran haben und dann irgendwann blitzt der kühne Gedanke an Olympia auf. Zuerst sagt es vielleicht der Trainer nach dem hundertsten Sieg auf Kreis-, Landes-, was-weiß-ich-Ebene und dann beginnt der Sportler langsam, es selbst für möglich zu halten. Ich? Wirklich? Bin ich dafür auch wirklich gut genug? Kann ich das schaffen?
Und dann geht es los das noch härtere Training, das noch größere Schinden und das unbarmherzige Antreiben. Und dann, irgendwann kommt das, was abgebrühte Menschen, die ihre Werte längst abgegeben, in den Staub getreten haben, die sich einreden, dass, wenn nicht sie es tun, es eben ein anderer macht – kurz, es kommt die Realität. Und die heißt offenbar Doping. Und auch, wenn man sich am Anfang noch wehrt und ich bin fest davon überzeugt, dass sich fast alle wehren, entsetzt sind, nachts wachliegen und eigentlich wissen, dass sie genau das niemals tun wollten, aber auch überlegen, dass dann alles Training umsonst war, all die Jahre, all die Entbehrungen, all die Opfer. Dass sie, wenn sie nicht dopen, niemals den großen Moment erleben werden, dabei zu sein, wo doch genau das der olympische Gedanke ist und ich glaube auch, dass an diesen Überlegungen viele fast zerbrochen sind, sie Diejenigen hassen, die ihnen eine solche Wahrheit schonungslos sagen. Und vielleicht verabscheuen sie sich auch selbst. Also ich jedenfalls finde, dass Diejenigen, die keine Medaille gewinnen (können) inzwischen die wahren Sportler sind.