Gut für die Moral

Wer mich kennt, weiß, dass ich prima ohne Fußball auskomme. Bei der WM in Deutschland war das noch bis zum Halbfinale anders, aber seit die Italiener (durch Zufall) gewonnen hatten und ich einen Gutteil meines Gehörs eingebüßt habe, ist auch der Spaß am Spiel verloren gegangen. So erging es gestern Abend auch einer ganzen Finalmannschaft. Als ihr polarisierender Star CR7 verletzt wurde und trotz mannhafter Versuche vom Platz getragen werden musste, hätten sie sich am liebsten dazu gelegt. Nun kenne ich mich zwar mit dem Spiel nicht aus, aber es schoss mir doch als Erstes durch den Kopf, dass es besser wäre, er würde sich nicht vom Platz stellen lassen, sondern flügellahm und ohne die anderen zu gefährden dabei bleiben. Man findet immer irgendein Eckchen, wo man nicht stört, zumal sich die wenigsten Spieler ohne Ball bewegen, was gemeinhin als Hauptcrux eines jeden Spiels ausgemacht werden kann und – ebenfalls bekanntermaßen – viel mehr über die Flügel gespielt werden sollte. Dass die Räume meist zu groß sind, wäre dem Knieverletzten sicherlich auch zupass gekommen.

Egal, er hat sich anders entschieden und ist in den Tiefen der Kabinen verschwunden, wo er sicherlich erst mal ausgiebig geweint hat. Grund genug gab es ja. Ein Psychologe könnte durchaus eine kleine Persönlichkeitsstörung, zumindest jedoch ausgeprägte Prüfungsangst diagnostizieren, aber das hilft ja in solchen Situationen auch nicht weiter. Und da ich wirklich gar nichts von Fußball verstehe, überlege ich mir eben, welche Gedanken in solchen Momenten einem Superspieler durch den Kopf gehen mögen: Oh. Mein. Gott!! Ein Endspiel! Ein Finalspiel! Und ich muss mitspielen! Ich hab Angst!!!! Alle erwarten, dass ich die Mannschaft nicht nur zum Sieg führe, sondern am besten auch noch die entscheidenden zwanzig Tore schieße!! Bisher hat noch keiner so richtig mitbekommen, was ich für eine Angst vor solchen Situationen habe. Warum glauben die eigentlich, dass mir immer sofort die Tränen runterlaufen? Das ist der pure Stress! Am liebsten würde ich mich auf einem Schoß zusammenrollen und die Hände vors Gesicht halten! Und jetzt das!!

Egal, ich geh da jetzt raus, wird schon gut gehen. Läuft gar nicht so schlecht, alle schauen, was ich mache. Nur einer nicht. Der rennt volle Lotte in mich hinein. Oh Mann, tut das weh! Sch….! Ich kann nicht mehr auftreten. Egal, ich versuch’s, muss zumindest so tun, obwohl…ist vielleicht gar nicht so schlecht….. Vielleicht mit Eis. Aber so wird das nichts. Egal, ich versuch’s. Vielleicht mit einer Bandage. Nein, geht auch nicht. Mist, Mist, Mist. Jetzt hätte ich mein Trauma überwinden können, ganz so wie ich es mit meinem psychologischen Berater erarbeitet habe und jetzt sowas! Hilft nichts, ich muss vom Platz. Aber damit alle sehen, dass ich es mir nicht leicht mache, lasse ich mich tragen. Ich lauf doch nicht vom Platz, das sähe ja aus, als könnte ich noch, wollte bloß nicht. Ne, ne, ne, da lass ich mich mal schön tragen. Und während alle an mir rummachen, wahnsinnig verständnisvoll und freundlich sind, mir Eispackungen und Beruhigungsmittel geben, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Es gibt noch andere Spieler. Fußball ist ein Mannschaftssport. Die anderen Spieler sind nicht nur Statisten. Aber ich bin eben auch Teil von ihnen. Sie brauchen mich, nicht nur fürs Kicken. Nix wie raus. Und zeigen, dass ich da bin. Und gewinnen!

2 Gedanken zu „Gut für die Moral“

  1. Dieser arme schöne Ronaldo. Sicher ist er eitel und von sich überzeugt und sicher hat er, weil er weiß, wie er auftritt dadurch das Problem zu beweisen, dass das auch von ihm geliefert wird, was alle erwarten und von ihm wollen. Ich möchte nicht tauschen. Er hat das Problem aller schönen Männer. Anschauen ist schon schön, aber wirklich wollen tun die Frauen ihn nicht, denn die damit einhergehenden Probleme liegen auf der Hand. Und bei diesem Sport ist es logisch, dass er, der er ja auch noch ein guter Schütze ist, grundsätzlich aus dem Verkehr gefoult werden muss. Das würde auch so sein, wenn er wie Quasimodo aussähe, er ist gefährlich.
    Und er ist halt noch ein Kind, ein sensibles Kerlchen und ich kann es gut verstehen, dass er weinen muss. Erstens weiß er, dass sie ihn hassen, dass sie ihn mit Absicht foulen und ich glaube auch, dass das arg weh tut, was da auf dem Platz passiert. Kann ja fast mitreden, bin ja auch mehr oder weniger gefoult worden! von mir selbst. Man muss weinen, ob man will oder nicht, ob es alle sehen oder nicht, es geht nicht anders es ist einfach schlimm.

  2. Das ist ja durchaus ein heikles Thema, das die liebe Bloggerin da aufgreift. Ich bin auch der Überzeugung, wer sich so darstellt, will etwas verbergen und sei es die eigene Sensibilität. Aber ganz ehrlich, dass man ihn ausbuht, wenn er sich verletzt, das gehört sich nicht und ganz ehrlich ich glaube ihm wirklich, dass er für sein Land Europameister werden wollte. Ich habe ja auch schon das eine oder andere Sportereignis bestritten und wer mich kennt, weiß, dass ich hart im Nehmen bin, aber da kommen halt wirklich Emotionen dazu, wenn man unbedingt gewinnen will! Aber bei so viel Ego polarisiert er nun mal. Die einen mögen ihn, die anderen hassen ihn. Ich muss zugeben, ich möchte ihn gestern ganz gern!

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