Was tun?

Was für eine Woche! Die Woche der Angstgegner-Entzauberung sozusagen. Was Angst, Vorsicht und abgespeicherte Erfahrungen für Stilblüten treiben können, habe ich gestern erleben dürfen. Wie so häufig habe ich meiner Schneiderin einen Besuch abgestattet (manchmal frage ich mich, was ich eigentlich getan habe, bevor sie vor vielen Jahren in mein Leben getreten ist?). Sie hat ihr Geschäft in einer sehr multikulturellen Ecke des sehr multikulturellen Augsburg. Pratkischerweise liegt es auch noch gegenüber meines Lieblingstürken, bei dem ich mich in der Sommerzeit trefflich mit Kirschen ruinieren kann und der wunderbar dicke Petersilienbüschel verkauft. Schon beim Parken vor besagtem Türken fiel mir gegenüber ein Mann auf, der auf der Straße lag, aber weil ich nun wirklich lange genug in Großstädten unterwegs bin, bin ich nicht meinem ersten Impuls gefolgt und zu ihm gegangen, sondern habe erst mal meine Schneiderin gefragt, ob sie wüsste, was es mit dem Mann auf sich hätte. Nein. Und dann geschah Folgendes:

Frau der Tat wie sie ist, ist sie energisch aus dem Laden gestürmt und zu dem Mann hingegangen. Ich habe derweil den leeren Laden bewacht und konnte beobachten, wie sie unerschrocken auf den Herrn zueilt und sich zu ihm hinunterbeugt. Er rührt sich nicht. Sie spricht ihn an, er reagiert nicht. Sie berührt ihn an der Schulter und auf einmal rumpelt er hoch und beide schreien. Des Rätsels Lösung war: Als Handwerker hat er versucht, ein festgerostetes Kellergitter zu lösen und wird vermutlich noch lange brauchen, den Schreck zu überwinden. Das wirft die Frage auf, was tun in solchen Situationen? Hingehen und helfen? Weitergehen und gar nichts tun? Ansprechen? Einmischen? Die Frage ist nicht neu und stellt sich immer wieder und wer aufmerksam und präsent ist, wird meist wissen, wie reagieren. Ob das dann immer für alle Beteiligten passt, kann erst im Nachhinein beurteilt werden.

Als ich neulich auf dem Weg zu einer Einladung war – und ich spreche immer noch von unserem beschaulichen kleinen Augsburg – bin ich auf unserer Hauptstrasse durch laute Geräusche auf einen asiatisch aussehenden jungen Mann aufmerksam geworden, der laut und sichtlich in Panik rufend über die Straße gelaufen ist. Er hatte einen wilden Blick und war offenbar verwirrt. Kurz zuvor hatte ich über diese neue Modeerscheinung geschrieben, bei der ungewöhnliche Szenen auf der Straße gespielt werden, um die Reaktion der Menschen zu testen. Was also tun? Selbstfürsorge? Fremdfürsorge? Zuerst Selbst- dann Fremdfürsorge? Das alles muss in kürzerer Zeit entschieden werden und lustige Spiele und Dokumentationen über Streiche, Telefonscherze oder schrecklichen Folgen von Hilfsbereitschaft in den Medien sind dabei nicht hilfreich, weil sie sich eben doch in den Gedanken festsetzen und natürliche Impulse unterdrücken. Der asiatisch aussehende Jugendliche hat übrigens einen Scherz gemacht. Haha.

2 Gedanken zu „Was tun?“

  1. Also lieber einmal zuviel geholfen als einmal zu wenig ! Dies hat mir mal ein Polizist gesagt als ich wegen eines Unfalls auf der Autobahn eine komplette Rettungscrew alarmiert habe samt Hubschrauber (und ich weiß nun wirklich was sowas kostet ) und dann der alte Depp aus dem Auto stieg und gar nicht mehr eingeklemmt war. Ich dem Nervenzusammenbruch nahe und leicht weinend wurde eben mit diesem Satz getröstet und das war auch gut so. Ich habe nun keine Bedenken mehr jemanden anzusprechen ob er Hilfe bräuchte sollte er sich einem Spaß draus machen würde er gleich eine gescheite Watschen bekommen (das wollte ich schon immer mal machen). Ein bisschen nachdenklich macht mich die anscheinend doch sehr wilde Gegend in der die liebe Bloggerin wohnt, das hat ja nichts mehr von einem beschaulichen römischen Feldlager !

  2. Nach einem sehr beflügeldem Telefonat mit der sehr verehrten Bloggerin über den evtl. Ankauf einer völlig überflüssigen Handtasche, die aberwitzig schön und garnicht mein Stil ist und die ich kaum brauchen werde, weil die Events fehlen, die ich jedoch wahrscheinlich kaufen werde, kann ich mich jetzt nicht völlig, aber halb entspannt den wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen. So, also helfe ich oder nicht? Jetzt, am hellichten Tag mit Rollator ja evtl., aber bei Dunkelheit, im Auto wenn wedelnde Menschen am Strassenrand stehen, würde ich nur einen Notruf wählen, denn ich bin ein aufmerksamer Bürger und Zeitungsleser und weiß daher, was alles passieren kann. Darauf habe ich keine Lust mehr. Jedenfalls habe ich wegen des armen auf dem Boden liegenden Handwerkers Tränen gelacht. Keiner hat nämlich realisiert, dass das ein Einbrecher war, der sich als Handwerker ausgegeben hat, das Gitter am Tag gelockert hat, um dann nächtens wieselflink nach unten in die nebenliegenden Geschäfte zu gelangen. So macht man das!

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