Wirklich Neues vom Strand

An unserem Strand gibt es einige Menschen, die wir vom Sehen her kennen. Jedes Jahr kommen welche dazu, mit denen wir ein freundliches Grüßverhältnis haben. Was gestern Nachmittag geschah, geht weit über ein Grüßverhältnis hinaus, wie wir gleich sehen werden. Und das war so: Während ich sehr harmlos und versunken auf meiner Liege liege und lese, tollt mein Mann zum Mülleimer und zurück, schaut, ob das Kajak zum Ausleihen da ist und inspiziert einfach die Gesamtlage (ich hatte glaube ich mal erwähnt, dass er vierzehn Monate jünger ist als ich und am Strand merkt man das ganz besonders). Auf einmal höre ich freudig, laut und ausgesprochen entzückt eine Frau seinen Namen rufen und auch wenn man wie ich ein Ausbund an Vertrauen ist, reißt es einem da dann doch schon den Kopf aus der Schmonzette, denn schließlich ist es doch der eigene Mann und so entzückt muss wahrlich keine andere seinen Namen aufs Meer hinausplärren. Oder?!

Aber als ich sah, wer dort seht, war alles gut. Es war Maria. Unsere süße kleine Maria, die am Flughafen ihre zweite Persönlichkeit auslebt und bei der Sicherheitskontrolle Menschen kontrolliert und vermutlich – je nach Laune – schikaniert. Marias Leben haben wir in den letzten Jahren mitverfolgen dürfen, weil sie schon immer bei Pasquale gearbeitet hat. Nach ihrer Flughafenschicht ist sie immer zu ihm gekommen, um im Restaurant zu bedienen und weil sie das schon so lange tut, ein Sonnenschein ist und Pasquale um die Wichtigkeit von menschlichen Beziehungen weiß, darf sie (so meine Vermutung) umsonst auf den Liegen beim Restaurant ihren Sommer verbringen. Zusammen mit ihrem Sohn und ihrem inzwischen leider Ex-Mann. Wir treffen sie jedes Jahr und sie ist einfach zauberhaft. Und so hübsch. Nun habe ich sowieso die Tendenz und inzwischen fast schon Angewohnheit, Menschen zum Gesprächsbeginn etwas Nettes zu sagen. Sei es, dass ihnen der Rock gut steht oder sie abgenommen haben (wenn es stimmt natürlich nur) oder was auch immer. Mir ist das erst selbst neulich aufgefallen und dass es mir zum Verhängnis werden würde, hätte ich niemals angenommen.

Maria quietscht also entzückt auf als sei meinen Mann erblickt (jede würde das, aber nicht jede darf das!), ich schaue hoch und erkenne sie und quietsche auch. Sie sieht wunderbar aus, tolle Figur, dunkelbraun und einfach fröhlich. Hat außerdem einen sehr hübschen Bikini an. So ein gehäkeltes Oberteil. Ich zeige auf ihr Oberteil und sage ihr, dass es wirklich sehr hübsch ist und ob sie es im Winter gemacht hat. Mache sogar noch ein Häkelbewegung dazu. Ja, sagt sie, im Januar, eine Woche hätte es gedauert. Sie hätte lange überlegt, ob sie es wirklich tun soll, aber so viele um sie herum haben es gemacht und jetzt, wo sie geschieden ist, warum nicht? Gut, denke ich mir, so viel hab ich nie nachgedacht, wenn ich einen Schal gestrickt habe, aber vielleicht braucht sie ja wirklich besonders lange für so ein bisschen Handarbeit. Weh hätte es aber wirklich getan, eine ganze Woche lang. Das hat mich stutzig gemacht und auch, wie sehr sie sich freut, dass man es sieht. Und dann dämmert es mir und ich möchte im Erdboden versinken. Muss man wirklich, wenn man jemandem ein Kompliment für seinen Bikini macht, damit rechnen, dass er anstatt sich ein Oberteil zu häkeln den Winter dazu nutzt, sich die Brüste vergrößern zu lassen??!!!

Neues (naja) vom Strand

Es ist Zeit, vom Strand zu berichten. Wir waren nun zwei Tage dort und ich kann mit großer Freude berichten, dass sich nichts Wesentliches verändert hat. Außer, dass Luca, der neue (nun ja, sind auch schon fünf, sechs Jahre….wenn nicht mehr) Restaurantpächter den Laden so runtergewirtschaftet hat und sein Geld in so viel Krimskrams wie ein weißes Klavier, weiße Vogelkäfige, Unmengen von Wein, der „dekorativ“ im Restaurant gelagert wird, kleine Muscheln und Seesterne und so weiter und so fort, gesteckt hat, dass leider nichts mehr für die Fischauktion übrig geblieben ist und es kaum noch frischen Fisch gibt. Unsere lieben Freunde Herminia und Roberto fahren inzwischen mit ihren über achtzig Jahren sonntags zu Mittag hin und wenn es keinen frischen Fisch gibt, fahren sie wieder heim. Roberto ist da pingelig, schließlich hat er selbst über Jahrzehnte im Zentrum einen Fischstand gehabt. Pasquale selbst turnt wie eine fröhliche Haselnuss durch die Anlage und ich fürchte, er wird sich nicht mehr unter das Joch des Restaurantbetriebes begeben. Schöner könnte es für ihn eh nicht sein. Alle trauern ihm nach, weil der Neue es nicht besser kann als er. Was auch fast unmöglich gewesen wäre, denn kein Mensch ist je wegen eines dekorativ gespannten Fischernetzes oder eines weißen Flügels dorthin gefahren!!

Schon komisch, dass der Mensch sich so gegen Veränderungen sträubt. Derweil sind manche, die meisten gut. Und man gewöhnt sich so schnell dran, dass man sie schon nach kürzester Zeit wieder mit Zähnen und Klauen gegen neue Veränderungen verteidigt. Hängt das alles nur mit den Basalganglien zusammen, über die wir schon so oft gesprochen haben? Ich habe mir vorgenommen, sofort daraus zu lernen und Luca ganz wunderbar toll zu finden und ihn mit sofortiger Wirkung als neuen Restaurantbetreiber anzuerkennen. Habe sogar alkoholfreies Bier bei ihm bestellt, aber wahrscheinlich bekomme ich es nicht, weil er kein Geld hat, es zu bezahlen. Nicht mal mehr die selbst gebackenen Kekse gibt es mehr in ordentlicher Menge. Massimo musste uns gestern welche aus der Küche zusammenklauben. Ein Elend. Andererseits hat es das Gute, dass wir mittags nur einen Salat und Sardinen essen und somit abends ausgehungert mit der Vespa in die Stadt rasen. Heute und morgen machen wir damit allerdings Pause, weil es über 40 Grad haben soll und es schon gestern mit 35 ziemlich warm war beim Essen. Schlimmes Schicksal, ich weiß.

Abgesehen von diesen Änderungen, besser gesagt Entwicklungen, ist alles mehr oder weniger gleich geblieben. Wir haben unseren Platz in der ersten Reihe, natürlich neben dem Capo und seiner Gemahlin und auch der Freund der Fußballer ist wieder da. Er liegt mit seinem weißblonden Haar nach wie vor direkt an der Riva in der Sonne und spechtet den Mädels nach. Und hat er uns die letzten fünf Jahre geflissentlich ignoriert, ist er nun redselig und mitteilsam und grämt sich darüber, dass ich so viele Zentimeter mehr habe als er, der er sie doch deutlich dringender brauchen könnte als ich. Auch unser Marrochino ist mit seinen Handtüchern wieder da und zu meiner großen Belustigung habe ich gestern erfahren, dass er der „marrochino marchegino“ genannt wird, der schwäbische Marokkaner, weil er fast nicht im Preis nachgibt. Recht hat er, bei der Hitze! Blöd nur, dass die Strandliegenauflagen, die wir vor Jahren bei ihm gekauft haben, immer noch pfenniggut sind. Das wurmt ihn am allermeisten, denn da kommt er in einen Konflikt, denn er kann schließlich nichts dagegen sagen, dass er beste Qualität verkauft. Vom Fußballbeau wurde ihm der Vorschlag gemacht, es doch mal mit Zigarettenkippen zu versuchen und Löcher reinzubrennen. Bislang sind das die aufregendsten Neuigkeiten, was mich sehr freut. Weiteres in Kürze!

Fremdgehen

Welch schlimmes Wort! Allerdings nur, weil wir es in einem bestimmten Zusammenhang kennen und fürchten gelernt haben. Ansonsten ist man überallhin mal als Fremder gegangen und wenn es nicht schön war, auch ein solcher geblieben. Die ersten Male irgendwo oder mit irgendwem zu sein, sind immer spannend, aufregend, ungewiss und erst mit der Zeit lüftet sich, ob aus dem Fremden etwas Vertrautes werden könnte. Manchmal hat man gleich zu Anfang ein Gefühl, Daumen hoch oder runter, aber selbst das kann trügen, kann von einem Menschen abhängig sein, der an diesem Tag nur zufällig da war, von einem Duft, von irgendwas. Ich hatte ja schon mehrmals erwähnt, dass bei unserem Pasquale nicht mehr alles ist, wie es war und dass der dicke Luca das Restaurant mit seinen Leuchttürmen, Muscheln, Weinschränken und dem blöden weißen Flügel schön langsam in den Traum einer jeden Vorstadtdekorateurin verwandelt hat.

Das Essen war immer noch wunderbar, zumindest die Hauptgerichte, im Service waren auf einmal andere Leute da, nicht wie sonst Festangestellte, sondern Aushilfen und Leihkräfte, aber darüber konnten und wollten Stammgäste hinwegsehen. Nun waren wir heute das erste Mal so richtig dort und ich konnte mich vorab durchsetzen, dass wir mal das Mittagsbuffet ausprobieren und nicht immer à la carte essen. Ich hatte es heute für einen guten Tag erachtet, weil Massimo, unser Hauptkellner nicht da zu sein schien. Allein, es wäre gar kein Trick notwendig gewesen. Es gab überhaupt kein echte Mittagessen. Jetzt bin ich gespannt wie ein Flitzebogen, denn am Strand – neben dem Capo und seiner Gemahlin – haben wir natürlich die wildesten Verschwörungstheorien gewälzt und dass vielleicht bald alles in Casinos oder sonstwas umgewandelt werden soll und die ganze Geschichte nur ein Trick ist, um günstig an Land zu kommen. Ein wahrhaftiger Krimi und da soll man sich erholen?!

Und weil Frauen einen siebten Sinn für solche Veränderungen haben, waren wir bereits gestern an einem gänzlich anderen Ort, zwar auch am Meer, aber sozusagen an einem anderen. Dort waren wir zum ersten Mal, Fremde, und dementsprechend aufgeregt. Am Strand gibt es keine festen Schirme, keine Schirmständer, alles ist frei (ich habe erst auf dem Heimweg verstanden, warum es mir dort so anders vorgekommen ist) und man kann mit den Füßen im Sand essen, was für mich als Urdeutsche der Inbegriff des Himmels ist. Was wir gegessen haben, kam nicht im Entferntesten an Pasquales Küche heran, aber ganz ehrlich: kochen kann ist selber. Und auch nicht schlecht. Wir schauen jetzt mal und halten es wie die Römer „Si chiude una porta, si apre un portone“, es schließt sich eine Tür, es öffnet sich ein Tor.

Der wichtigste Mann des Sommers

Natürlich ist mein Mann zu jeder Jahreszeit der wichtigste Mann in meinem Leben, senza dubbio, aber im Sommer und vor allem, um zu wissen, dass ganz wirklich und in Echt Sommer, Urlaub, Strand angesagt ist, dafür gibt es noch einen anderen. Der begleitet uns nun schon so lange wir in Rom an den Strand gehen. Er hat diese wunderbare lange Schnur an sich geknüpft, an der sich Drachen an Drachen reiht. Unten, auf die letzten drei Meter sind kleine leichte Äffchen geknotet und in der Hand trägt er Seehunde, die auf die Nasen bunte Bälle montiert haben, die sich im Wind drehen. Und so geht er den ganzen Tag am Strand auf und ab. Man sieht ihn schon von Weitem, denn entweder zieht er seine Drachen hinter sich her oder die Drachen ziehen ihn hinter sich her. Ob er jemals einen verkauft? Ich habe keine Ahnung, ich weiß aber, dass ich im Sommer nur diese Figuren gegen den himmelblauen Himmel sehen muss, um mich gleichzeitig im Urlaub und daheim zu fühlen.

Wenn ich so drüber nachdenke, gibt es mehrere Sommermänner in meinem Leben. Da wäre natürlich noch unser Pasquale, der inzwischen fröhlich n einem Unterhemdchen und Shorts über den Strand tollt und dabei aussieht wie eine Kaffeebohne. Er hat sein Restaurant – ich hatte berichtet – an den muffligen Luca verpachtet, mit dem wir einfach nicht warm werden und genießt es sichtlich, feste Einnahmen, aber keinen Stress mehr zu haben. Er liebt das Meer, er liebt die Sonne, er liebt sein Leben. Es ist ein herzerwärmendes Vergnügen, ihm zuzusehen. Dann gibt’s noch Emilio, den Liegenverteiler, der uns – leider – neben die Dusche gelegt hat, was mich heute dazu angeregt hat, mir über meine wahren Beweggründe Gedanken zu machen, warum mich Wasservergeudung und minutenlanges Gepritschel so aufregt. Komme voran. Muss ich auch, denn sonst werden meine Sommerferien sehr getrübt.

Und dann kommt natürlich noch der Capo, den wir heute endlich wiedergetroffen haben. Als unseren direkten Nachbarn! Gestern war er nicht da, er hatte in der Stadt zu tun. Dafür haben wir uns wie Schiffbrüchige auf einer Insel übereinander gefreut. Er hat zehn Kilo abgenommen und plant weitere zehn. Und mit dem Capo kamen der etwas alternde Strandschönling, der aber einen Romaspieler kennt (mussten wir gestern schon neben dem Expräsidenten von der Lazio liegen, also echt!!!) und einige weitere Strandkoryphäen, die wir vom Sehen und von den Jahren kennen. Es war richtig, alle Zugtickets nach Paris verfallen zu lassen und in die Sonne zu kommen, so konnten wir uns alle auf den Sommer vorbereiten und beginnen, uns aufeinander zu freuen. Erminia und Alberto haben wir natürlich auch getroffen. Sie waren zauberhaft wie immer! Ob die alle auch wissen, wer der wichtigste Mann des Sommers ist?

Ich verstehe alles!

In Frankfurt an einer Parkhausschranke stand bei der Ausfahrt zu lesen: Achtung, ab hier versteht man Sie wieder! Wie wahr. Und wie schade. Nicht nur, dass man selbst wieder verstanden wird, wenn man seinem Ehemann im halbleeren Restaurant hinter dem Rücken des sorgenfaltigen Kellners, der sich über das Reservierungsbuch bückt, zuraunt ‚Pah, hier ist doch eh alles leer, soll sich doch bitte nicht so anstellen, von wegen keine Reservierung‘ oder man zischend die Luft einzieht und etwas mäkelig anmerkt ‚Naja, da brauchst Du nicht so schauen, das ist nicht alles echt‘. Zweiteres könnte leider nicht von mir stammen, ich habe keinen Blick für sowas, ich bin leicht und willig zu beeindrucken und auch zu erschüttern. Erstres um so mehr. Ich werde sehr zornig, wenn man mir bei Hunger Essen vorenthalten möchte. Oder den Zugang unnötig erschwert.

Darum ist es für mich natürlich recht ernüchternd, ein paar Stunden auf einer deutschen Badewiese zu verbringen. Es ist eine sehr schöne, grüne, saubere und von dichten alten Laubbäumen beschattete Badewiese an unserem Stadtbach, bzw. einem von unseren Stadtbächen, ich bin mir sicher, wir haben mehrere. Die längliche Wiese liegt wie gesagt am Ufer eines einbetonierten, ziemlich schnell fließenden Baches und wird damit automatisch zum Catwalk. An wenigen Orten in Augsburg habe ich mehr schlanke und durchtrainierte Menschen gesehen als dort. Man sieht sie natürlich auch recht gut. Denn sie müssen, um sich den Fluss hinunter treiben zu lassen, ihn erst mal hochlaufen. Das tun sie in der Mitte, wo die Badenden Platz gelassen haben.

Und dann sieht man, wie sie Muskeln obenrum aufpumpen, Luft anhalten und die Arme bissle abspreizen, so, als ließen sie sich beim allerbesten Willen eben nicht anlegen. Das ist schön anzusehen. Aber nachdem ich sowieso einen Sommer-Muskelprotz an meiner Seite habe, braucht mich das nicht interessieren und ich kann mich meinen englischen Krimis widmen. Hören kann ich aber dennoch und da wünsche ich mir dann manches Mal, ich verstünde nichts. Klingt es in anderen Sprachen immer, als würden sie Menschen sich über Tiefsinniges oder Trivial-Philosophisches unterhalten, muss man nun Zeuge werden, wie sie einander versichern, dass das scheußliche Motiv-T-Shirt ganz wunderbar die Farben der karierten (mal wieder) Hose aufgreift und somit durchaus passt oder dass der Karottenkuchen glutenfrei ist. Ist ja schön, dass solche Überlegungen trotz gegenteiligen Eindrucks doch noch zur Sprache, wenn schon nicht zum Tragen kommen. Alles in allem haben fremde Länder den manchmal zwar aufreibenden, dennoch nicht zu unterschätzenden Reiz der Fremdsprache.

Ciao Vacanze Romane!

So traurig so ein Ferienende ja letztlich immer ist, so muss ich doch sagen: noch ein bisschen und es wäre in Arbeit ausgeartet. Morgens hasten wir aus dem Haus, um auch ja rechtzeitig mit Paschquqale an der Bar Hörnchen und Cappuccino zu nehmen und uns über die skandalösen Machenschaften von ostiensischen Politikern unterrichten zu lassen, dann haben wir ein bisschen Zeit für uns, mittags dann sausen wir hoch, Alberto und Erminia begrüßen, die uns mit Feigen von ihrem nimmermüden Baum und selbstgekeltertem Wein erwarten. Dann noch ein kleiner Schreiplausch mit Massimo über die Stimmen der dreißig Jugendlichen hinweg, die hinter uns Karten spielen oder sich ermorden (dem Geräuschpegel nach zu urteilen) und dann kommt auch schon der Capo mit seiner Frau und seinem (missratenen, wie wir seit heute wissen, dazu später mehr) Sohn.

Alsdann gehen wir entweder nochmal zu Alberto und Erminia und trinken Caffè mit ihnen und dann zurück an den Strand um zu schlafen. Meist kommt in der Zwischenzeit der Capo an seinen Platz und seine sonore Stimme lullt mich in den Schlaf. Heute hingegen, kühn geworden, weil es der letzte Tag ist, habe ich keck hinübergeworfen (hinüber ist ein weites Wort, wir liegen quasi aufeinander, weil wir mit dem Schatten wandern und er nicht), dass wir ja nun tatsächlich mal zusammen wach sind, denn normalerweise schnorchelt er selig, wenn wir wach sind und dann nach hause fahren. Das war der Anlass für ein Gespräch, das in anderen Ländern und zu anderen Uhrzeiten zwangsläufig in einem tränenreichen Gelage geendet hätte.

Was haben wir nicht alles gemeinsam! Der Capo ist ein passionierter und wohl auch durchaus patenter Musiker und füllt so manchen Saal und seine Frau ist eine Romanista erster Kategorie. Allein das schweißt unfassbar zusammen. Für seine Frau hat er die Leitung des MOMA in New York abgelehnt, nicht dass man uns die jemals angeboten hätte, aber Paris ist ja schließlich auch Ausland oder?! Als er sagte, dass letztes Jahr ein wunderbarer Freund von ihm, Gitarrist seines Zeichens gestorben ist, wusste mein Mann sofort, wer es war und beide saßen mit hohen Gänsehauthügeln da und haben sich angehört, was dieses tragische Genie unserem Capo immer an Stücken zugeschickt hatte, bevor sie ins Studio durften. Also alles in allem: wir haben heute gerade nochmal so den Absprung in unseren ruhigen Alltag geschafft. Bis nächstes Jahr! Zur Einstimmung auf die Heimat gibts ein Allgäuer Büble Bier, das wir hier zufällig gefunden haben. Schmeckt scheußlich. Ein bitterer Abschied ist es doch. Dieser missratene Bub ist übrigens Laziale und möchte die riesige Gitarrensammlung seines Vaters sofort nach dessen Tod verscherbeln. Ich habe zu einer Stiftung geraten. Rotzbengel und dann auch noch so fehlgeleitet in seinem Geschmack. Dem schmeckt bestimmt auch das Büble-Bier.

Es herbstelt, auch der Urlaub

So ernsthaft wir unseren Urlaub angegangen sind und so tief wir – endlich – in der letzten Woche darin eingetaucht sind, so ernsthaft gehen wir jetzt an die Rückkehr. Die Luft ist morgens bereits herbstlich klar und kühl, am Strand kann und muss man ein Hemdchen oder gar eine Jacke aus Baumwolle dabei haben, wenn man wie ich nicht in der Sonne liegen kann oder wie mein stahlharter Mann gerne bei Wind im Schatten liegt. In den Geschäften gibt es schon lange keine Sommerware mehr und ab nächster Woche sperren die ersten Ladenbesitzer ihre Geschäfte wieder auf. So langsam bereitet sich das Land auf den Rientro, die Rückkehr oder den Rentré, wie die Franzosen sagen, vor.

Der Rientro ist mit vielen Freuden verbunden, denn kaum einer hat so einen schlimmen Alltag, dass er sich nicht auch darauf freut, aber auch mit der ein oder anderen Begleiterscheinung, die bange werden lässt. Wie sollen Füße wieder in Schuhe gesperrt werden? Wie Taillen in Hosenbünde? Wie wird die Haut auf Wolle oder Daune reagieren? Wie das Gehirn auf die Post der letzten drei Wochen? Oder die Wimpern auf Tusche? Die Haare auf den Föhn? Der Magen auf Fleisch? Nun, bis übermorgen hab ich noch Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, heute ist der letzte Ferientag am Meer, morgen heißt es dann: Strandtasche leeren, wundern, dass auch am Strand noch Sand liegt, freuen, dass der verlorengeglaubte Bikini doch noch im Besitz ist und feststellen, dass man inzwischen drei Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor 50 hat – nur an verschiedenen Stellen der Strandtasche.

Morgen gehts zurück nach Augsburg und da kann leider nicht alles so sorglos in den Koffer geworfen werden wie die Wochen zuvor in die Strandtasche. Das wird eine gute Vorbereitung für das ganz normale Leben.

Urlaub vom Urlaub

Unser Urlaub die letzten Wochen entsprach, wie ich erfreut mitteilen kann, eins zu eins dem Zeitgeist des mobilen, freiwillig und intrinsisch motivierten Alltime-Workers. Arbeit ist ja längst über das Stadium hinaus, wo sie dem Gelderwerb dient, sondern zum Hobby des Mannes geworden, der nicht für die Großwildjagd bezahlen möchte. Weder mit seinem Image noch mit seinem Geld. Stattdessen verfolgt er Tag für Tag Deals, pirscht sich an, lauert der Beute auf und verscheucht andere Jäger durch schreckliche Drohgebärden oder indem er sie in Erdfallen lockt, in denen Giftschlangen oder der sichere Verdurstungstod auf sie lauert. Dementsprechend und weil die Beute vielleicht andere Urlaubszeiten hat als der Jäger oder sich nicht an die vereinbarten hält, muss der Urlaub regelmäßig sporadisch unterbrochen werden.

Entweder mit kleinen Polenausflügen (ich habe berichtet) oder – und das in jedem Fall – durch regelmäßigen Kontakt mit Mitjägern, gegebenenfalls sogar mit Treibern oder Jagdhundführern. Für diese Woche allerdings haben Beute, Jagdgesellschaft und Jäger eine Waffen- und Jagdpause beschlossen und so können wir uns vollumfänglich – ich komme selbst auch nicht mehr ganz raus aus der Terminologie, obwohl ich mir alles immer erst mühsam aus dem Englischen übersetzen muss – dem Urlaub widmen. Und damit der Übergang für meinen Jäger nicht allzu krass ist (kann man dieses Wort eigentlich noch verwenden? Auch das ist inzwischen konnotativ derart belegt, dass man ins Zweifeln kommt), gehen wir auf mein Betreiben (haha) die Sache ebenso ernsthaft an wie die Jagd selbst. Allerdings erst, seit ich weiß, dass der echte Urlaub nur eine Woche ist. Denn echter Urlaub ist, zumindest in meinem Hausfrauenkopf, ununterbrochen.

Wir stehen also früh auf, was mir entgegenkommt und wofür ich auch in erster Linie verantwortlich bin und sausen an den Strand, weil ich ich, wie schon oft erwähnt, meine Basalganglien dann arbeiten, bzw. ruhen lassen kann und mich der morgendlichen Freude am Eintrudeln und Geplausche derer widmen kann, mit denen ich mehr oder weniger meinen Tag verbringen werde (ich habe berichtet). An einem Tag wie heute, wo es schon morgens empfindlich durch die Vorhänge pfiffelt und selbst mein stahlgehärteter Jäger nur einmal unwillig grunzt, wenn ich ihm ein weiteres Deckchen überwerfe, dann schauderhafte Gewitter und Regenstürme herunter kommen, da kann man dann mal wirklich ruhen. Und Urlaub vom Urlaub nehmen. Oder endlich – hélas – seine Emails checken, denn die Jagd hört niemals auf.

Verschwendung

Alles in einem italienischen Sommer scheint es im Überfluss zu geben. Die Sonne, die Wellen, der viele Sand, die vielen weißen Pfirsiche, die riesigen Wassermelonen, die aromatischen Tomaten, all die köstlichen Fische, die bunten Bikinis am Strand, einfach alles. Nichts scheint knapp, an allem kann man sich bis schier ins Unendliche erfreuen. Und bei den meisten Dingen ist das ja auch ganz herrlich. Und bestimmt stören sich nur schwäbische Kleingeister wie ich in einem solchen Paradies an einer Süßwasserdusche am Strand. Sie ist an sich etwas sehr Erfreuliches und macht Wellenhüpfen und Haarenassmachen erst so richtig unbeschwert schön.

Ja, was will sie uns jetzt sagen, die liebe Bloggerin, werden sich treue Leser vielleicht an dieser Stelle denken? Liegt in der ersten Reihe, isst täglich feinsten Fisch und zarteste knusprige Pizza, von Robertos Hand zurecht stolz serviert, plaudert abwechselnd mit dem Capo und anderen Strandgrößen, wird mit ehrfürchtigem Gruß morgens vom Strandwart Emilio begrüßt und hat die Dusche quasi hinter sich. Was kann sie da bitte stören? Nicht stören. Das wäre das falsche Wort. DIESE MISTIGEN KINDER MACHEN MICH STOCKNARRISCH MIT IHREN STUNDENLANGEN DUSCHEREI! So, jetzt ist es raus. Hat denn hier keiner mal in eine Zeitung geschaut und gelesen, was in Kalifornien los ist wegen dieser hirnlosen Wasserverschwenung? Ist es jedem Wurscht, dass Wasser eine knappe Ressource ist?

Es geht doch nicht darum, dass man Wasser bezahlt oder nicht bezahlt, es geht darum, dass es unsere wichtigste Überlebensgarantie ist. Reicht es nicht, dass diese Amerikaner von einer weltbedrohenden bornierten und fürchterlichen Ignoranz sind und über den Raubbau an Korallenriffen schwadronieren, während sie bei offenen Fenstern die Klimaanlage auf ‚high‘ laufen lassen? Ich würde niemals, weder daheim, noch im Hotel, noch am Strand, noch sonst irgendwo auf der Welt den Wasserhahn laufen lassen, wenn ich ihn nicht brauche. Kann man das seinen Kindern bitteschön mal beibringen? Denn hier hört die Freude am Überfluss einfach auf und die Verschwendung beginnt!

Morgens am Meer

Heute sind wir beide zusammen so früh aufgewacht, dass wir wild entschlossen, unsere letzte und einzig komplette Ferienwoche ernsthaft anzugehen und ausgiebig zu genießen, auch gleich um neun Uhr zum Strand aufgebrochen sind. Um halb zehn haben wir einen frisch gebügelten Pasquale angetroffen und kamen in den Genuss, direkt vom Chef einen Caffè gebrüht zu bekommen, also mein Mann, ich hatte schon zwei zu Hause. Kann ja keiner ahnen, welche Vergünstigungen warten, wenn man antizyklisch aufschlägt. Gemütlich an einem runden Tischchen nahe der Bar haben wir unsere Hörnchen zerrupft und unsere Getränke geschlürft. Kellner, fast unkenntlich ohne ihre Arbeitskleidung, trudelten fröhlich und mit noch matt-wachen Augen ein und wurden wie Kinder am Frühstückstisch begrüßt.

Und als dann ein schwer arbeitender Maler (weiße Flecken am Ellenbogen) seinen Birnensaft serviert bekommen hatte, hat Pasquale uns die Freude gemacht und uns von seinem reichen Leben erzählt. Dass er Dinner en blanc entlang der Promenade abgehalten hat, die Hochzeit seiner Tochter vier Monate Vorbereitung und er als Spezialist für ‚Crudi‘, rohe Meerestiere, mal ein Streitgespräch im Fernsehen hatte und daraufhin die Telefone bei ihm nicht mehr still standen. Wir haben uns Dinge erzählt, die man eben nur in der unschuldigen Atmosphäre des Morgens so rausrutschen lässt. Dazu gehörte auch sein Geständnis, dass er trotz allen Geschimpfes über die korrupte Ostienser Stadtpolitik doch sehr zufrieden mit seinem Leben und seiner Cappannina ist und dass das Einzige, was er im Leben anders machen würde, tatsächlich das Tanzen lernen ist. Denn gerade um Ferragosto herum ist es ihm unangenehm aufgefallen, dass alle fröhlich rumhopsen, gar am Strand schlafen, nur er eben nicht.

Solcherart integriert haben wir dem wartenden Emilio unsere Bons gegeben, den marrokanischen Handtuchverkäufer mit dem ‚Bauernmadl-T-shirt‘ Guten Morgen gewünscht und sind zum Strand geeilt. Urlaub birgt schließlich auch gewisse Verpflichtungen und die müssen ernst genommen werden. Als wir uns gerade gemütlich in die Morgensonne gewellert hatten, kam Pasquale mit einer braunen Papiertüte zu uns. Roberto, der fabelhafte, einzigartige Pizzaiolo konnte nicht umhin, uns eine hauchdünne focaccia mit Mortadella zuzubereiten. Kann ein Strand- und Ferientag besser beginnen?