Ich verstehe alles!

In Frankfurt an einer Parkhausschranke stand bei der Ausfahrt zu lesen: Achtung, ab hier versteht man Sie wieder! Wie wahr. Und wie schade. Nicht nur, dass man selbst wieder verstanden wird, wenn man seinem Ehemann im halbleeren Restaurant hinter dem Rücken des sorgenfaltigen Kellners, der sich über das Reservierungsbuch bückt, zuraunt ‚Pah, hier ist doch eh alles leer, soll sich doch bitte nicht so anstellen, von wegen keine Reservierung‘ oder man zischend die Luft einzieht und etwas mäkelig anmerkt ‚Naja, da brauchst Du nicht so schauen, das ist nicht alles echt‘. Zweiteres könnte leider nicht von mir stammen, ich habe keinen Blick für sowas, ich bin leicht und willig zu beeindrucken und auch zu erschüttern. Erstres um so mehr. Ich werde sehr zornig, wenn man mir bei Hunger Essen vorenthalten möchte. Oder den Zugang unnötig erschwert.

Darum ist es für mich natürlich recht ernüchternd, ein paar Stunden auf einer deutschen Badewiese zu verbringen. Es ist eine sehr schöne, grüne, saubere und von dichten alten Laubbäumen beschattete Badewiese an unserem Stadtbach, bzw. einem von unseren Stadtbächen, ich bin mir sicher, wir haben mehrere. Die längliche Wiese liegt wie gesagt am Ufer eines einbetonierten, ziemlich schnell fließenden Baches und wird damit automatisch zum Catwalk. An wenigen Orten in Augsburg habe ich mehr schlanke und durchtrainierte Menschen gesehen als dort. Man sieht sie natürlich auch recht gut. Denn sie müssen, um sich den Fluss hinunter treiben zu lassen, ihn erst mal hochlaufen. Das tun sie in der Mitte, wo die Badenden Platz gelassen haben.

Und dann sieht man, wie sie Muskeln obenrum aufpumpen, Luft anhalten und die Arme bissle abspreizen, so, als ließen sie sich beim allerbesten Willen eben nicht anlegen. Das ist schön anzusehen. Aber nachdem ich sowieso einen Sommer-Muskelprotz an meiner Seite habe, braucht mich das nicht interessieren und ich kann mich meinen englischen Krimis widmen. Hören kann ich aber dennoch und da wünsche ich mir dann manches Mal, ich verstünde nichts. Klingt es in anderen Sprachen immer, als würden sie Menschen sich über Tiefsinniges oder Trivial-Philosophisches unterhalten, muss man nun Zeuge werden, wie sie einander versichern, dass das scheußliche Motiv-T-Shirt ganz wunderbar die Farben der karierten (mal wieder) Hose aufgreift und somit durchaus passt oder dass der Karottenkuchen glutenfrei ist. Ist ja schön, dass solche Überlegungen trotz gegenteiligen Eindrucks doch noch zur Sprache, wenn schon nicht zum Tragen kommen. Alles in allem haben fremde Länder den manchmal zwar aufreibenden, dennoch nicht zu unterschätzenden Reiz der Fremdsprache.

5 Gedanken zu „Ich verstehe alles!“

  1. Vor dem Beginn der Blüte meiner Jahre, also als ich so 15, 16 Jahre alt war, war die Situation eine ähnliche. Ich war ein konturenloser, dürrer Stecken, mit irgendwelchen Haaren auf dem Kopf und durfte wenigstens schon alleine zum Baden gehen. Bei uns im „Famos“, wie das Familienbad hieß, zeigte sich alles, was im römischen Feldlager Rang und Namen hatte. Meine Freundin, mein Schatten, war immer dabei. Wir hatten in der Stadt den Namen Pat und Pattachon, weil ich 1,76 und meine Kleine 1,50 groß waren.
    Also im Famus lief das so ab. Natürlich nicht bei mir, weil ich hatte ja schon schon kein Outfit hierfür. Man trug einen sehr engen Badeanzug, an den Schenkeln den Stoff nach innen hoch gerollt so weit es ging, im Büstenhalter alles, was ging, reingepackt, damit das nach was aussah, die Haare – damals trug man Hochsteckfrisuren – hochgesteckt, mit evtl. einigen Locken, die neckisch rausfielen und die Krönung, man lief mit Stöckelschuhen am Badebeckenrand! nicht so wie ich mit meinem Baumwollbadeanzug – ohne Stretch, das war noch nicht erfunden – und barfuß, weil mit meinen einzigen Ballerinas hat das auch nach nichts ausgeschaut. Und dann lagen die ganzen Buben – Kerle – auf schrägen Holzbalustraden und ließen die Mädels paradieren! Ich habe mich immer für mich geschämt, bin mir wirklich immer wie das hässliche Entlein vorgekommen, letztendlich war ich es ja auch. Aber bereits zwei Jahre später hat sich das geändert, meine Freundin und ich, wir hatten unseren Fankreis, ich zwar immer noch keine Stöckelschuhe – so hießen die Dinger früher, aber ich fand Badengehen den ganzen Sommer durch toll. Auch ohne überwältigender Oberweite und so.

  2. „Als ich vor der Blüte meines Lebens stand“ (sorry, liebes Prunkschaf, ich muss das zitieren, hört sich herrlich an), ging man ins Bobinger Freibad und das war die Hölle! Ich war schon immer sehr groß und hatte auch zu dieser Zeit schon Busen, meine Freundin aber nicht. Also hab ich mir einen Sportbadeanzug gekauft, der alles platt drückte, um ja keine Kurven zu zeigen. Witzig, bei meiner Tochter war’s diesen Sommer auch so! Nun ja, ich war in dieser Zeit immer noch mehr Junge als Mädchen und wollte dies auch immer beweisen, wenn die meinten, wir Mädchen trauen uns nicht oder noch viel schlimmer, wir könnten es nicht. Also musste ich auf den Fünf-Meter-Turm und runter springen! Wenn mich heute jemand dazu zwingen würde, ich würde ihn erschießen. Als ich dann endlich auch das andere Geschlecht entdeckte, ging ich natürlich an den Ilsesee, wo das who is who von Königsbrunn sich ein Stelldichein gab. Dort hat man seine ersten Flirts getätigt und gebaggert, was das Zeug hält. Alles in allem hat das alt werden etwas Gutes: man muss nicht mehr rumgockeln, um Aufmerksamkeit zu bekommen, sondern strahlt durch Weisheit. Gott sei Dank durften wir früher noch Puffreis und ein Nogger oder Capri-Eis essen! Glutenfreier Karottenkuchen! Haha

  3. Oh Mare, Du hast mich drausgebracht: als ich dann schon den Führerschein hatte, mit 18 und unbeaufsichtigt Auto fahren durfte, bin ich mit eben dieser kleinen Freundin an den Kissinger Baggersee gefahren, ach was war das abenteuerlich, wenn meine Mutter das geahnt hätte. Mare, wenn du wieder mal da bist, wir müssen darüber reden. Dort gab es übrigens Fischsemmeln zu kaufen und ich war diesen wirklich verfallen! Ja, und Wundertüten und Waffelbruch. Wenn ich noch länger schreibe, fällt mir sicher noch Einiges ein.

  4. Das kann man wohl sagen, denn jung und ungebunden, Wahnsinn. Aber gut, dass ich als Einzige gar keine Ahnung habe vom wilden Leben der sehr verehrten Bloggerin (weil ich immer schon einen komatösen Schlaf hatte), denn Selbige hat es nach Hörensagen ganz toll krachen lassen, halt nicht beim Baden, aber die restlichen Monate durch, als sie VOR der Blühte der Jahre stand. Kirschenessen, etc. Mare wir müssen ein Abendessen ohne basisches Zeugs bei der sehr verehrten Bloggerin erzwingen und dann mal alles durchsprechen.

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