Nun sitze ich mal wieder an einem Flughafen und glücklicherweise auch noch in meiner absoluten Lieblingslounge, der von Turkish Airlines in Istanbul. Sie ist einfach wundervoll und ich rate figurbewussten Menschen ebenso wie von einer Kreuzfahrt unbedingt davon ab, sie zu betreten. Es gibt dort das wundervollste Essen, das man sich – nicht aus den Augen verlierend, dass es sich um eine Lounge handelt – nur vorstellen kann. Während ich hier sitze und mein Mann mit Menschen mit absurden Flugetappen plaudert (wer würde von Helsinki über Istanbul nach Houston fliegen wollen?), beobachte ich die kleinen Vögel, die hier emsig und selbstverständlich herumflattern. Es gibt größere Grünpflanzen, mehr Krümel, als man in einem Vogelleben verspeisen kann und – und das ist das Erstaunliche – riesige Fensterfronten rundherum. Davor sind bequeme Stahlstangen, auf den die Piepmätze souverän ansegeln und landen. Keiner von ihnen kommt auf die Idee, gegen die Scheibe zu fliegen. Sie leben in ihrer Welt, in der sie alles Notwendige haben und akzeptieren, dass sie nicht durch die Scheibe nach draußen können.
Liegt darin die Chance auf Glück? In dem Umfeld, in das man hineingeraten oder hineingeboren ist, glücklich zu sein? Nicht nach draußen zu wollen? Nicht wenigstens die Möglichkeit zu ersehnen, nach draußen zu gehen und dann zu entscheiden, dass es drinnen doch besser ist? Ich habe mich das auch am Freitagabend gefragt, als wir nach unserer Ankunft in Istanbul ganz wunderbar beim Essen waren. In einem Restaurant über der Stadt mit Blick auf den Bosphorus. Es ist ein eher europäisches Lokal und wird – vielleicht auch deshalb – gerne von den „Reichen und Schönen“ besucht. Vor uns an einem Tisch saßen zwei sehr, sehr junge Frauen und ein vielleicht siebenjähriges Kind. Es lag in eine Decke gewickelt auf einem Stuhl und war dem Wahnsinn näher als allem anderen. Vor lauter Langeweile. Die beiden jungen Frauen, von denen meiner Meinung nach keine unter irgendwelchen Umständen die Mutter gewesen sein könnte, schauten auf ihre Telefone und das Kind war kurz vorm Durchdrehen.
Mir fallen solche Kinder immer häufiger auf. Diese sogenannten Wohlstandsverwahrlosten. Die in totalem Luxus aufwachsen, in Baby Dior, Gucci, Burberry etc. gekleidet sind, in Restaurants, sobald sie sprechen können, ihren Wagyū-Burger Medium Rare, vielen Dank, thanks a lot und dazu dezidiert eine Cola Light bestellen. Sie sind Kinder von Welt und wenn sie sich nicht allzu dumm anstellen, werden sie diese Welt auch niemals verlassen müssen. Auch sie scheinen von den Kindern, die in Biergärten auf dem Klettergerüst rumtoben, so weit entfernt wie die Flughafenvögel von ihren wilden Artgenossen, die sich jeden Tag um ihr Futter bemühen müssen, gegen Katzen, Möwen und andere Feinde zu kämpfen haben und schlechte Luft atmen müssen. Was also ist besser? Auf der Maslowschen Bedürfnispyramide (ich liebe sie, das weiß jeder im Blog) rangieren sie sicherlich viel weiter unten. Sie müssen noch ihr Überleben sichern und dann ihre Sicherheit. Die Flughafenvögel und Luxusrestaurantkinder könnten schon viel höher einsteigen, bei der Selbstverwirklichung zum Beispiel. Weil sie aber nie gelernt haben, wie es ist, einen Wurm selbst aus der Erde zu ziehen, müssen sie gerade bei dieser schwersten aller Disziplinen beginnen. Und fliegen vielleicht dann doch ihr ganzes Leben lang gegen Scheiben.