Bei Verhandlungen und in Gesprächen gilt „Win Win“ als echter Erfolg. Beide Parteien fühlen sich als Gewinner, keiner geht frustriert nach hause – mehr kann man nicht erwarten. Menschen, die gerne helfen, erleben in Pflegeberufen oder im Ehrenamt oftmals ein solches Win Win. Oder kleine Hunde, die aus Tötungsstationen gerettet werden und zu einem Menschen kommen, der vor Kummer über seinen verstorbenen Hund wie versteinert ist. Gestern gab es gleich zwei solcher gewinnbringenden Glücksfälle: Ein kleiner schwarzer Hund hat eine große traurige Frau wieder zu Lächeln gebracht und nach langer Reise ein sicheres und wunderbares Zuhause gefunden hat und Tänzerinnen und Tänzer, die das tun, was sie besonders gut und gerne tun, sind auf Zuschauer getroffen, die sich auf sie gefreut haben und ihnen besonders gerne zuschauen.
Es war nicht nur die Ankunft des kleinen schwarzen Hundes, sondern auch der Abschlussabend des Balletts im Augsburger Theater vor der (jahrelangen) Renovierung. Besuch aus der ganzen Welt hatte sich angekündigt und für drei Stunden wurden die für nicht mehr zeitgemäß verworfenen Bretter noch einmal zur internationalen Bühne. Wieviel Disziplin und Arbeit und Tränen und Schweiß hinter den anmutigen und kraftvollen Bewegungen steckt, kann jemand, der wie ich noch niemals Ballett gemacht hat, nur erahnen. Wozu ich allerdings kein Profi sein musste, war, zu erkennen, dass Ballettpublikum ein völlig anderes Verhalten an den Tag legt, als Opern- oder Schauspielpublikum. Da wird auf offener Szene (und die sind wirklich nicht lang, den Bruchteil einer Arie!) applaudiert, fröhlich und begeistert reingebravot und auch ansonsten allerlei Spektakel veranstaltet. Sehr lebhaft geht es zu.
Das außerordentlich besondere Benehmen einer Dame aus dem Publikum schräg vor uns war allerdings ein Spektakel, das auch für begeisterungsfähige Ballettzuschauer außergewöhnlich sein dürfte. Besagte Dame hat, warum auch immer, einen so heftigen und andauernden Streit mit ihrem Vordermann oder ihrer Vorderfrau begonnen und auch erbittert über mehrere Tanzeinlagen hinweg durchgezogen, dass ich geneigt war, es für eine dieser neumodischen Panks zu halten (wir hatten es erst neulich davon). War es aber nicht, es war völlig ernst und wirklich erstaunlich. Die Dame war hoch in den 70ern und gut gekleidet, über den recht passiven Widersacher, dem immer wieder „eine aufs Maul“ angedroht wurde, kann ich leider nichts sagen. Ich werde aber sicherlich – und nicht nur deshalb – künftig öfter ins Ballett gehen. Für mich, die meisten Zuschauer und Tänzer war der Abend in jedem Fall ein Gewinn, für den schwarzen kleinen Hund und sein neues Frauchen auch. Wie es der Dame ergangen ist, deren Hand im Schoß ruhen bleiben musste, kann ich tatsächlich nicht beurteilen. Sie ist sitzen geblieben, aber hat sich trotz aller gebotener Schönheit entschlossen, sich zu ärgern. Kein Gewinner.