Erst mal wünsche ich Euch lieben Lesern da draußen ein glückliches und gesundes Neues Jahr! Man soll es ja nicht verschreien und ich habe mich kaum noch getraut, es zu sagen, aber ich persönlich fand 2016 ein prima Jahr. Natürlich abgesehen von all den schrecklichen Dingen, die in der Welt passiert sind, aber die finden doch irgendwie immer statt oder nicht? Daran zu verzweifeln ist nicht hilfreich, weil man dann den Schwung für die eigene Welt, die, die man gestalten und formen kann, verliert. Durch das Aufsaugen der Taten von Irren stellt sich zwangsläufig irgendwann Wut oder Mutlosigkeit ein und beides ist ganz fürchterlich. Ein kleines Panzerchen oder eine Fettschicht wie das die klugen Enten haben, ist sicherlich von großem Nutzen. Und unter dieser Fettschicht muss die Kraft für das, was man tun kann, lodern und darf nicht gefährdet sein. Der eigene Kreis, in den tagtäglich viele Menschen und Dinge eintreten möchten, darf und muss geschützt und ja, auch verteidigt werden.
Unser Jahr hat generell zwar etwas ruffelig geendet, aber letztlich sind die letzten Tage eines Jahres doch auch immer eine Zeit für Retrospektiven und Bilanzen und das wühlt auf und macht nachdenklich. Ich war recht zufrieden und stolz, aber natürlich auch nicht gefeit, mich gespiegelt zu bekommen. Am vorletzten Abend des Jahres, dem 30. hatten wir allerdings ein Erlebnis, das ich unter meine Federfettschicht schiebe und dort aufbewahre. Wir haben Enrico, den romantischen Apotheker aus Turin, respektive Venedig kennengelernt. Er kam in das Restaurant, das wir nach einigem Hin und Her (wir hatten beide nicht recht Hunger und dann findet man ja an jeder Osteria was auszusetzen) gefunden hatten. Meine Kriterien waren denkbar einfach: es musste ein Radicchio-Risotto geben, was – man möchte es kaum glauben – in der Lagunenstadt gar nicht so einfach war. Gemütlich bei einem Glas Wein saßen wir also da und ärgerten uns nur hin und wieder über den kühlen Wind aus der Türe, die achtlose Gäste nicht schließen wollten. Dann kam ein Herr herein, ein Buch unterm Arm, schloss sorgfältig die Tür und wurde aufs Liebevollste begrüßt: Buonasera dottore, come va? Der Dottere war offenkundig verstört und wusste nicht, wohin mit sich und seinem Buch und ehe ich mich versah, hörte ich mich sagen: Venga da noi, kommen Sie zu uns! Er hatte so einen verstörten Welpenblick, obwohl er schon um die 65 war.
Etwas ratlos hat er sich also hingesetzt und ist dann sofort dem Charme meines Mannes erlegen. Wie leicht er zu verführen ist, hat er uns dann (naja, nicht ganz gleich, musste schon ein wenig nachhelfen) erzählt. Also vor 40 Jahren, er kommt aus Turin, lernte er ein bildhübsches Mädchen aus Udine kennen, das in Venedig lebte. Er, Sohn aus reichem Hause, sagte sich von den Eltern los und zog nach Venedig, um dort eine Apotheke zu eröffnen. Sie, das undankbare, kurzsichtige junge Ding hat sich nach zwei Jahren von einem superreichen Araber verführen lassen und hat Enrico sitzengelassen. Ihm hatte es aber inzwischen gefallen und ganz ehrlich, wer will mit so einer Geschichte im Nacken schon in die Heimat zurück, nur um sich das hämische Getuschel von neidischen Nachbarn und verärgerten Eltern anzuhören? Also ist er geblieben. Aber hat leider nie sein Glück gefunden. Ein Schwerenöter mag er wohl sein, aber jetzt ist er etwas alleine. Jedenfalls hat ihm der Abend so gut gefallen, dass ihm das Unmögliche gelungen ist: er hat uns zum Essen eingeladen, ganz still und heimlich und mein Mann, der durch und durch ein Italiener ist, der sich in seinem eigenen Land schon gleich dreimal nicht einladen lässt, hat sich still gefügt. Wir werden ihn also sicher Ende dieses Jahres wiedersehen, um einen kleine Gegeneinladung anzubringen. War ein echt schöner Abend. Ist jetzt schon tief unter den Federn vergraben.