Bühne frei

Ich war gestern in der Oper und ich muss sagen, es hat bis nach der Pause gedauert, bis ich das Stück so halbwegs verstanden habe. Beziehungsweise das, was daraus gemacht worden ist. Mein Mann, ein normalerweise kluger und intuitiver Mensch war genauso ratlos, was mich beruhigt hat, denn so manches Mal liegen meine Verständnislücken auch daran, dass ich mir überlege, was ich kochen könnte (ich habe oft Hunger im Theater, weil ich vorher nichts esse, damit ich ja nicht müde, aber es ist wohl ghupft wie gschprungen (für meine lieben Augsburger Leser), weil ich entweder durch Hunger oder Müdigkeit unkonzentriert bin, vor allem, wenn mich das Stück nicht fesselt) oder was ich zu einer Einladung auf einer Berghütte anziehen könnte, bei der man sowohl vor der Hütte im kalten Schnee als auch drinnen eine gute, weder frierende noch schwitzende Figur machen sollte.

Kurz und gut, es war recht komplex und ich kann mir schwerlich vorstellen, dass die anderen Zuschauer alles verstanden haben. Was denjenigen, die das Pech hatten, in den „Sommernachtstraum“ zu gehen, vermutlich lieber gewesen wäre. Dort gab es wohl auf der Bühne wahrlich keine Geheimnisse mehr, nichts wurde verhüllt oder sprachlich geschönt. Es muss so eine entsetzlich ordinäre Vorstellung gewesen sein, dass selbst Betriebsprüfer vom Finanzamt noch Tage danach traumarisiert von den grauenvollen Bildern im Kopf gesprochen haben. Das hat auch was Verbindendes: Spricht man derzeit in Augsburg, zum Beispiel auf dem Stadtmarkt, darüber, findet sich sofort eine ältere Dame oder auch ein Herr, die sich, alle Schranken der Höflichkeit überspringend, entsetzt und aufgewühlt ins Gespräch einmischen und einem raten, man solle da bloß nicht reingehen. Das Geld könne man sich sparen. Sie selbst hätten sich nicht getraut, raus zu gehen und es gab keine Pause.

Also ich wäre gegangen, denn weder esse ich weiter, wenn ich das Gefühl habe, da ist irgendwas komisch oder eklig im Essen (leider esse ich häufig weiter, wenn ich auch vom Sättigungsgefühl her prima aufhören könnte) noch ziehe ich viel zu enge Schuhe an. Warum sollte man also auf Gedeih und Verderb der effektheischerischen und ansonsten leeren Fantasie eines Regisseurs zu Willen sein? Man muss thematisch nicht damit rechnen und ist doch in erster Linie sich und seinem Wohlbefinden verpflichtet und nicht den Eingebungen eines Anderen. Von daher hatten wir viel Glück, alle waren angezogen, haben ordentlich gesungen und die einzige Crux für den Zuschauer war, dass nicht alle komplexen Gedankengänge, die unter Umständen hinter der Aufführung steckten, auf die Bühne gebracht wurden und damit alles zu einem recht bunten Allerlei verwurschtelt wurde.

2 Gedanken zu „Bühne frei“

  1. Da ich zu den Menschen gehöre, die von den edlen der Dingen der Muse nicht wirklich geküsst wurde, gehen derartige Auswüchse im Theater des römischen Feldlagers völlig an mir vorbei. Ich gehe nämlich nicht mehr hin. Als ich aus gesellschaftlichen Gründen noch glaubte, überall mitreden zu müssen, sah ich mir, als aus der Landeshauptstadt Mainz in Rheinlandpfalz, angereister Gast im hiesigen Provinztheater die Aufführung „Faust“ an. Fast hätte ich, die ich auch noch 2. Reihe Mitte saß, die Bühne gestürmt, als Minuten bevor der Vorhang fiel, Faust auch noch den letzten seiner spärlichen Lappen, die nicht mal notdürftig seinen wabbelnden Körper bedeckten, fallen ließ. Er stand in seiner ganzen männlichen, etwas beige schrumpeligen Männlichkeit (ob das männlich war, wage ich zu bezweifeln!) vor mir alleine auf der Bühne. Auf mich wirkte er ratlos. Ich wollte ihn schützen vor den Anwürfen der Zuschauer. Aber diese verhielten sich fast stumm und irritiert und spendeten mäßigem Beifall. Das ist unser römisches Feldlager. Jeder darf hier alles, alles darf ausprobiert werden und dann wundert man sich auch noch, wenn nicht die gewünschten Massen das Theater stürmen. Bin wieder mal stolz auf die sehr verehrte Bloggerin, die das alles sozusagen für die Familie erlebt und ausbadet.

  2. Manchmal denke ich, Kultur schadet nicht und macht einen vielleicht sogar klüger. Nun ja, mein lieber Mann wollte unbedingt mal ein Schauspiel anschauen und ich durfte mit. Etwas angsterfüllt bin ich in die Schauspielhalle und fand alles erst einmal sehr cool. Ich komme ja auch nicht aus einem kulturbehafteten Haushalt, im Gegenteil, war aber immer schon neugierig auf alles. Um nun zurück zu kommen: alles war sehr cool, die Leute waren bunt gemischt und einige sahen sehr intellektuell aus. Ich fühlte mich auch gleich so, bis ich in den Vorführraum kam und da war erstmal nichts, nur eine Wand. Um mich herum waren auch alle irritiert, weil auf jedem Platz ein Buch lag. Ich glaub, das führt jetzt zu weit, jedenfalls waren es wahnsinnig junge und hübsche Schauspieler, ich habe das Stück verstanden und ehrlich gesagt bin ich wirklich etwas schlauer wieder rausgegangen.

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