Smile!

Als die Fotoapparate aufkamen und auch noch eine ganze Weile danach, weigerten sich kluge Naturvölker, sich ablichten zu lassen, weil sie Angst hatten, der Apparat und das Foto nähme ihnen die Seele. Und Recht hatten sie, betrachtet man sich Kleinkinder, die öfter fotografiert werden bis sie zwei Jahre alt sind als vor vierzig Jahren ein Mensch in seinem ganzen Leben. Sie posieren völlig selbstverständlich, zeigen, was von ihnen erwartet wird und haben keinerlei Scheu. Heute läuft die zweite Folge von Germanys Next Top Model an und ich bin weit davon entfernt, mich moralisch über das Sendekonzept zu ereifern, weil ich jede Nachmittagstalkshow mindestens genauso schlimm finde oder auch die Kochshows, bei denen der möglichst achtlose und rüpelige Umgang mit Lebensmitteln cool und schick ist. Was mich allerdings wundert, auch ein wenig erschüttert, ist der Umgang der Teilnehmerinnen mit Kameras und öffentlichem Auftreten. Aber deshalb machen sie auch mit. Schon klar.

Er ist nicht selbstbewusst im eigentlichen Wortsinn, denn das Erschreckende daran ist, dass gerade das Bewusstsein der jungen Mädchen um das Selbst völlig abstrakt und nur wenig vorhanden scheint. Immer und in allen Gesellschaften haben Menschen sich inszeniert. Bei Hofe, in Rathäusern, auf Sportplätzen, überall. Sie haben sich Papageien auf die Schulter gesetzt, arme Panter an der Leine geführt, alles, um sich in Szene zu setzen. Sie sind im Park ausgeritten und haben dort ihr Gesellschaftsgesicht gezeigt, aber es gab dann eben doch noch die Zeit, in der sie daheim waren, selbst vor den Dienern kein Theater mehr gespielt haben und einfach so waren, wie sie sind. Aber wann machen das junge Menschen heute? Sie posten im Minutentakt gestellte Fotos von sich selbst, sind absolute Profis in Duckface und anderen fotogenen Gesten und nutzen sogar die erste Liebe, um sich und dieses heilige Gefühl in Szene zu setzen.

Gerade in dieser sumpfigen Zeit, die man Pubertät nennt, in der die meisten sowieso nicht genau wissen, wie es weitergeht, ist doch das Sich-Ergeben in den hormonellen Strudel und all diese Veränderungen das Wichtigste, um als – zumindest hormonell – erneuerter Mensch wieder daraus aufzutauchen. Wer immer sein Fotogesicht aufsetzt, kann doch gar nicht erkennen, wo die Reise im Inneren hingehen könnte. Schnappschüsse gehören mehr und mehr der Vergangenheit an, kaum ein Mensch kann mehr von einem Foto überrascht werden, alle sind fast jederzeit drauf vorbereitet. Andererseits stellen wir gerade ein Album für eine Studienfreundin zusammen und wenn ich nicht schwarz auf weiß, nein bunt – so alt bin ich ja nun auch wieder nicht – sehen würde, was ich sehe, ich würde es nicht glauben und bin sehr froh, dass es diese Erinnerungen gibt. Aber aus meinem Studium sind es nun mal eine Handvoll Fotos, nicht mehr. Ich halte es mit den Indianern und finde, durch zu viele Fotos verschwindet der Moment und mit ihm das Leben, denn das passiert eben immer nur ein einziges Mal und lässt sich nie wiederholen.

Ein Gedanke zu „Smile!“

  1. Ich bin da ganz bei der Bloggerin! Ich habe wirklich mit Erschrecken wieder in dieses Format reingeschaut, ich weiß nicht warum, aber das ist wie bei einem Unfall, man muss einfach hinschauen. Nun habe ich ja zwei pubertierende Kinder im Haus und gebe der Bloggerin recht, man muss sie in dieser schwierigen Zeit der Pubertät begleiten (also nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich weiß nicht, für wen sie schwieriger ist, für mich oder für sie?). Gott sei dank hat meine Tochter keinerlei Interesse an dieser Sendung. Was ist bei den doch sehr hohl wirkenden Mädchen passiert? Warum muss man sich teilweise so lächlich machen? Ja gut, da sind wirklich schöne Mädchen dabei, aber was wird aus denen? Unsere problematische Welt zielt anscheinend nur noch auf Äußerlichkeiten, nicht mehr auf Bildung, Familie, Freunde! Ausgenommen unser George, der ja sogar mit der Angela über politische Themen spricht, seine Schaufensterpuppe Amal war wohl nur schöne Begleitung. Wo wir wieder beim Thema sind. Dabei ist die ja eigentlich die Juristin, die die Welt rettet, aber halt ohne Öffentlichkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert