Urlaub vom Urlaub

Unser Urlaub die letzten Wochen entsprach, wie ich erfreut mitteilen kann, eins zu eins dem Zeitgeist des mobilen, freiwillig und intrinsisch motivierten Alltime-Workers. Arbeit ist ja längst über das Stadium hinaus, wo sie dem Gelderwerb dient, sondern zum Hobby des Mannes geworden, der nicht für die Großwildjagd bezahlen möchte. Weder mit seinem Image noch mit seinem Geld. Stattdessen verfolgt er Tag für Tag Deals, pirscht sich an, lauert der Beute auf und verscheucht andere Jäger durch schreckliche Drohgebärden oder indem er sie in Erdfallen lockt, in denen Giftschlangen oder der sichere Verdurstungstod auf sie lauert. Dementsprechend und weil die Beute vielleicht andere Urlaubszeiten hat als der Jäger oder sich nicht an die vereinbarten hält, muss der Urlaub regelmäßig sporadisch unterbrochen werden.

Entweder mit kleinen Polenausflügen (ich habe berichtet) oder – und das in jedem Fall – durch regelmäßigen Kontakt mit Mitjägern, gegebenenfalls sogar mit Treibern oder Jagdhundführern. Für diese Woche allerdings haben Beute, Jagdgesellschaft und Jäger eine Waffen- und Jagdpause beschlossen und so können wir uns vollumfänglich – ich komme selbst auch nicht mehr ganz raus aus der Terminologie, obwohl ich mir alles immer erst mühsam aus dem Englischen übersetzen muss – dem Urlaub widmen. Und damit der Übergang für meinen Jäger nicht allzu krass ist (kann man dieses Wort eigentlich noch verwenden? Auch das ist inzwischen konnotativ derart belegt, dass man ins Zweifeln kommt), gehen wir auf mein Betreiben (haha) die Sache ebenso ernsthaft an wie die Jagd selbst. Allerdings erst, seit ich weiß, dass der echte Urlaub nur eine Woche ist. Denn echter Urlaub ist, zumindest in meinem Hausfrauenkopf, ununterbrochen.

Wir stehen also früh auf, was mir entgegenkommt und wofür ich auch in erster Linie verantwortlich bin und sausen an den Strand, weil ich ich, wie schon oft erwähnt, meine Basalganglien dann arbeiten, bzw. ruhen lassen kann und mich der morgendlichen Freude am Eintrudeln und Geplausche derer widmen kann, mit denen ich mehr oder weniger meinen Tag verbringen werde (ich habe berichtet). An einem Tag wie heute, wo es schon morgens empfindlich durch die Vorhänge pfiffelt und selbst mein stahlgehärteter Jäger nur einmal unwillig grunzt, wenn ich ihm ein weiteres Deckchen überwerfe, dann schauderhafte Gewitter und Regenstürme herunter kommen, da kann man dann mal wirklich ruhen. Und Urlaub vom Urlaub nehmen. Oder endlich – hélas – seine Emails checken, denn die Jagd hört niemals auf.

3 Gedanken zu „Urlaub vom Urlaub“

  1. Welch ein Wahnsinn, dem die Menschen von heute ausgesetzt sind. Das Verb „jungen“ spare ich mir, denn alle außer Rentner scheinen derart gefordert zu sein. Rentner nur deshalb nicht, weil sie ganz viele von den im Artikel verwendeten Fremdworten nicht verstehen. Vor lauter Nachschlagen, was was heißt, verliere ich immer wieder den Fluss des geschriebenen Wortes und tue mir sehr schwer.

    Also früher ging Urlaub so: Der Vater hat gesagt im August fahren wir zwei Wochen nach Italien. Da die Mutter misstrauisch war bezüglich des Landes, des Essens und der dort lebenden Menschen, hat sie Dosen besorgt und kiloweise Gulasch, Rouladen etc. eingekocht, zwischengelagert bis zur Abreise.

    Alles wurde gepackt, Bettwäsche, Handtücher, je nachdem Küchenutensilien, Badezeug etc. Wir haben ja immer unsere eigene Ferienwohnung gehabt, aber trotzdem musste alles mitgeschleppt werden. Wenn wir dann vor Ort waren, war Urlaub. Jeder konnte versuchen, das zu tun was er wollte. Mein Vater lief stundenlang in brütender Hitze am Strand entlang und hat dann Siesta gemacht, meine Mutter lag in der Sonne und war dann in der Küche und mein Bruder und ich waren am Strand, wenn wir uns nicht gestritten haben. Es gab kein Telefon, man konnte ganz selten mal eine deutsche Zeitung kaufen, nachschicken lassen war viel später und abends nach dem Essen war Bummel durch den Ort angesetzt, egal wie alt ich war, alleine ging gar nicht. Essen gehen war noch nicht in, es war einfach Urlaub.

    Nach zwei Wochen sind wir mit allem wieder heimgefahren, leere Dosen dabei, aber braun. Und neue Handtaschen und evtl. Chiantiflasche. Irgendwie war es aber immer schön.

    1. Und das Schimpfen übers viele Nachschlagen von einem Kommentator, der im Fließtext sehr elegant die Bielefeldverschwörung einfließen lässt….Urlaub macht nachsichtig und gütig.

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