So traurig so ein Ferienende ja letztlich immer ist, so muss ich doch sagen: noch ein bisschen und es wäre in Arbeit ausgeartet. Morgens hasten wir aus dem Haus, um auch ja rechtzeitig mit Paschquqale an der Bar Hörnchen und Cappuccino zu nehmen und uns über die skandalösen Machenschaften von ostiensischen Politikern unterrichten zu lassen, dann haben wir ein bisschen Zeit für uns, mittags dann sausen wir hoch, Alberto und Erminia begrüßen, die uns mit Feigen von ihrem nimmermüden Baum und selbstgekeltertem Wein erwarten. Dann noch ein kleiner Schreiplausch mit Massimo über die Stimmen der dreißig Jugendlichen hinweg, die hinter uns Karten spielen oder sich ermorden (dem Geräuschpegel nach zu urteilen) und dann kommt auch schon der Capo mit seiner Frau und seinem (missratenen, wie wir seit heute wissen, dazu später mehr) Sohn.
Alsdann gehen wir entweder nochmal zu Alberto und Erminia und trinken Caffè mit ihnen und dann zurück an den Strand um zu schlafen. Meist kommt in der Zwischenzeit der Capo an seinen Platz und seine sonore Stimme lullt mich in den Schlaf. Heute hingegen, kühn geworden, weil es der letzte Tag ist, habe ich keck hinübergeworfen (hinüber ist ein weites Wort, wir liegen quasi aufeinander, weil wir mit dem Schatten wandern und er nicht), dass wir ja nun tatsächlich mal zusammen wach sind, denn normalerweise schnorchelt er selig, wenn wir wach sind und dann nach hause fahren. Das war der Anlass für ein Gespräch, das in anderen Ländern und zu anderen Uhrzeiten zwangsläufig in einem tränenreichen Gelage geendet hätte.
Was haben wir nicht alles gemeinsam! Der Capo ist ein passionierter und wohl auch durchaus patenter Musiker und füllt so manchen Saal und seine Frau ist eine Romanista erster Kategorie. Allein das schweißt unfassbar zusammen. Für seine Frau hat er die Leitung des MOMA in New York abgelehnt, nicht dass man uns die jemals angeboten hätte, aber Paris ist ja schließlich auch Ausland oder?! Als er sagte, dass letztes Jahr ein wunderbarer Freund von ihm, Gitarrist seines Zeichens gestorben ist, wusste mein Mann sofort, wer es war und beide saßen mit hohen Gänsehauthügeln da und haben sich angehört, was dieses tragische Genie unserem Capo immer an Stücken zugeschickt hatte, bevor sie ins Studio durften. Also alles in allem: wir haben heute gerade nochmal so den Absprung in unseren ruhigen Alltag geschafft. Bis nächstes Jahr! Zur Einstimmung auf die Heimat gibts ein Allgäuer Büble Bier, das wir hier zufällig gefunden haben. Schmeckt scheußlich. Ein bitterer Abschied ist es doch. Dieser missratene Bub ist übrigens Laziale und möchte die riesige Gitarrensammlung seines Vaters sofort nach dessen Tod verscherbeln. Ich habe zu einer Stiftung geraten. Rotzbengel und dann auch noch so fehlgeleitet in seinem Geschmack. Dem schmeckt bestimmt auch das Büble-Bier.
Scheint mir ja doch ein gelungener Urlaub gewesen zu sein! Diesen Rotzbengel sollte man sich wirklich mal zur Brust nehmen, nächstes Jahr vielleicht. Dieser Capo scheint ja wirklich ein interessanter Mann zu sein und seine Frau ist bestimmt eine typische Italienerin und wunderschön! So stell ich mir das jetzt vor, bitte nicht sagen, wenn es nicht der Fall ist. Früher fand ich Musiker ja wahnsinnig interessant, irgendwie haben die so eine besondere Aura und wegen dem Gitarristen musste ich fast heulen. Ich frage mich ja schon seit langem, was der Sinn des Lebens ist: die Familie, das Miteinander, der Beruf, die Leidenschaft an einer Sache, die Welt retten?! Vielleicht auch nur das das Miteinander, in seinem Kosmos zu funktionieren und da kann dann ein Urlaub auch mal stressig wirken, wenn alle ihre Rolle erfüllen, damit das Ganze funktioniert.
Also, derartige Kontakte würden mir nicht passieren, denn wenn ich was dick habe, ich es das Gespräch mit mir fremden Leuten, wo ich dann im schlimmsten Fall Small Talk machen muß. Nein, ich liege am Strand da wo er zu Ende ist, und nach aller Wahrscheinlichkeit kein Mensch hinkommt. Mit dem Fußballgott habe ich das noch nicht ausprobiert, denn er ist sehr kontaktfreudig und da schwant mir Böses. Unlängst bei einer Einladung mußte ich nach rechts und nach links plaudern mit mir völlig fremden Menschen, da ich aber wußte, daß mein Verhalten bewertet werden würde, habe ich mich gequält. Wenn ich jetzt noch so laufen könnte, wie bisher, dann wäre ich geflüchtet. Ich mag es nicht, ich lehne es ab. Ich kann es gut, aber es ist mir zu blöde, sinnloses Zeug daherzureden. Und echt interessieren tun mich die meisten Gespräche auch nicht. Es ist schwierig mit mir. Als wir alle in Urlaub waren und die Anderen ans Meer gefahren sind, habe ich mich „geopfert“ und bin da geblieben und habe den Pool bewacht. Ich war völlig frei und glücklich und selig. Das ist Urlaub.