Große Erwartungen, heller Schein

Ich zähle nicht zu den Menschen mit unbegrenztem Selbstbewusstsein. Oft gehe ich daher davon aus, dass das, was ich kann, andere schon längst können und tun. Und dass die meisten noch viel mehr können und tun. Wie irr einen das führt, durfte ich jüngst bei einem Mittagessen erleben. In unsere minikleine Wohnung in Paris hatten wir Gäste geladen. Franzosen und Amerikaner. Franzosen scheinen zu allem eine über Generationen gefestigte Meinung zu haben, vor allem zum Essen und tatsächlich haben sie auch noch die klassische Speisefolge von Vorspeise, Hauptspeise, Dessert erfunden. Und deshalb habe ich das französischste Menü geplant, das ein Mensch sich nur denken kann. Quiche, Boeuf Bourguignon, Kartoffelstampf, Apfelkuchen. Da unsere Wohnung recht klein ist und ich nicht in aller Konsequenz der Meister der Planung bin, ist mir erst recht spät aufgegangen, dass ich mitnichten über die gesamte Ausrüstung verfüge. Und so musste ich ohne Waage, Nudelholz und mit nur einem großen Topf antreten.

Und was ich dabei wieder einmal festgestellt habe, ist, dass Kochen nicht so sehr mit Sternen oder großen Kochinseln, sondern mit Improvisation und Organisation sowie Erfahrung und tatsächlich auch Selbstbewusstsein zu tun hat. Denn als meine Quiche knusprig und duftend auf den Tisch kam, haben allen voran die Franzosen gejubelt und mich gefragt, wo ich diesen köstlichen Teig gekauft habe. Also da ist mir wirklich die Kinnlade runter geklappt. Auf diese Art habe ich nämlich erfahren, dass überhaupt gar keine Französin jemals auch nur im Traum dran dächte, so etwas selbst zuzubereiten, was für mich an vorsätzlichen Betrug grenzt. Geht das außer mir noch jemanden so, dass man mordswas vom Anderen denkt und dann fast schon empört ist, wenn man erfährt, dass die Fingernägel künstlich, der Titel gekauft oder die Villa gemietet ist?

Warum glauben wir so oft, dass andere Dinge nach denselben Prinzipien wie wir selbst tun? Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind meiner Mutter schluchzend verboten habe, eine heruntergefallene Masche aus einem bereits eineinhalb Meter langen Schal aufzuheben, weil es dann nicht mehr mein Schal wäre. Das ist natürlich bei einem Kind etwas anderes, aber noch heute käme es mir nicht in den Sinn, einen Teig zu kaufen und ihn als meinen eigenen auszugeben. Was das Erstaunliche daran ist, war die Tatsache, dass besagte Franzosen mir klar gemacht hatten, dass der Unterschied im Geschmack den Aufwand wirklich nicht lohne. Aber dann gehts eben ums Essen und nicht ums Kochen.

4 Gedanken zu „Große Erwartungen, heller Schein“

  1. Also irgendwie bearbeitet der Blog gerade Themen bei denen ich nicht so wirklich mitmischen kann. Aber dass ein Franzose es wagt, angeblich keinen Geschmacksunterschied bei der selbstgemachten Quiche zur gekauften festzustellen. Also das schlägt dem Topf den Boden raus oder so. Dem Fass, jetzt hab ich’s. Das ist mir klar, die meisten Ausrüstungsweltmeister können nichts. Das hat schon unser alter Reitlehrer, Herr Leinquer, gesagt. Er ist mit seinem Pferd und einem Militärsattel nach Wörishofen geritten, hat einen Dressurwettbewerb gewonnen und ist dann wieder heimgeritten. Er hatte keinen gekühlten Transporter oder gar einen Dressursattel, nein, er behauptete, wenn man reiten kann, dann kann man das auch mit einfachsten Mitteln. Und so ist das bei meiner sehr geehrten Bloggerin, sie kann halt kochen! Da braucht’s keine Waage und zehn Töpfe. Toll. Bin begeistert!

  2. Auch mir geht es so wie der lieben Bloggerin ich denke auch immer, wer weiß, was die Anderen können, haben usw. …….musste erst weise und alt werden und immer wieder das Gegenteil erleben, um zu begreifen. Oft ist es mehr Schein als Sein oder außen hui und innen pfui! Aber eins weiß ich ganz sicher, die liebe Bloggerin kann definitiv kochen! Und ganz ehrlich, die Franzosen sind wahrscheinlich die größten Scheinheiligen von uns Europäern!

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