Unwort des Jahres: Gutmenschen

Wie garstig. Wie engherzig. Wie kurzsichtig. Wie unchristlich. Hoppla, unchristlich? Das sind doch heute fast alle in Deutschland oder nicht? Diejenigen, die keine Deutschen oder Balddeutschen mit Migrationshintergrund sind, sind wegen vieler verabscheuungswürdiger Vorkommnisse aus der Kirche ausgetreten (puh, ein Vorwand zum moralischen Steuersparen) und spenden ihr Geld jetzt lieber dahin, „wo ich weiß, dass es auch wirklich ankommt und nützt“, was meistens ein Online-Reisebüro oder ein Elektronikfachmarkt mit den neuesten Flatscreens ist. Und die anderen sind weit davon entfernt, sich unseren christlichen Werten in irgendeiner Form verpflichtet zu fühlen. Weil sie ganz andere Werte haben. Welche das sind, hat sich mir noch nicht ganz erschlossen, es wird gemunkelt, es handle sich dabei vor allem auch um das Gastrecht. Aber egal, ich muss nicht von jedem Gast den kulturellen Hintergrund kenne, umgekehrt wird ein Schuh draus. Gehe ich zu jemandem nach hause, kann es schon sein, dass ich google, ob die Blumen mit oder ohne Papier überreicht werden, um nicht anzuecken. Denn in Paris zum Beispiel ist es ausgesprochen rüde, Blumen ohne Papier mitzubringen. Sie könnten ja aus dem Park geklaut sein. Man kennt seine Pappenheimer halt.

Im viel liberaleren Deutschland (Blumen ohne Papier!!! Die Umwelt!!!!) wird seit 1991 jedes Jahr ein Unwort des Jahres gekrönt. Zehn Mal hatte es etwas mit Ausländern, sprich mit Menschen mit Migrationshintergrund zu tun. Sollte einem das zu denken geben? Drehen wir uns im Kreis? Lernen wir nichts dazu? Verstehen wir nicht, wie unendlich gut uns der Zuzug tut? Wie bereichernd ein Miteinander der Kulturen für uns und unsere Renten ist? Ich gestehe, es ist mir auch nicht immer bewusst und ich darf behaupten, 50% meiner Zeit Ausländer in anderen Ländern zu sein und mich mit den Gepflogenheiten im Supermarkt, auf der Straße, einfach im Leben rumzuschlagen. Gehe ich – was momentan leider dauernd vorkommt – zur Maniküre, denkt kein Mensch im Traum dran, mit mir Englisch, gar Deutsch zu sprechen. Nicht mal bei den komplexesten Diskursen, was die Streichmethode des Lacks angeht. Seelenruhig lässt man mich so lange radebrechen bis ich erklärt habe, dass ich wieder die limited edition (des amerikanischen Lacks!!!) möchte, um mich dann zu korrigieren, dass ich wohl die Edition limitée meine….Im Anschluss wird dann fröhlich ein englischsprachiger Schlager mitgekräht. Tant pis!

In Italien zum Beispiel habe ich gelernt damit zu leben, dass Kellner nur höchst ungern eine Bestellung von mir entgegen nehmen und so teile ich, wenn ich anpassungsfähig drauf bin, meine Wünsche nach Wasser, Salz oder einem Zusatzkissen meinem Mann mit, der die Sache dann von Mann zu Mann in die Hand nimmt. Ich breche mir dabei nichts ab, es ist mir recht egal und ich sähe mich durchaus in der Lage, in einem Land mit Verschleierungspflicht nicht Oben Ohne am Strand zu liegen. Warum geht das nicht umgekehrt? Wenn ich Kinderbesuch habe, was in meinem speziellen Fall wohl noch die nächsten hundert Jahre so sein wird, erwarte ich von Kind und Eltern, dass nicht ICH alles wegräumen muss, sondern die Eltern das Kind von Allem, was kaputt gehen könnte, fern halten. Warum? Weil ich hier lebe. Und kein Gutmensch bin. Sondern einfach versuche, ein guter Mensch zu sein.

Ein Gedanke zu „Unwort des Jahres: Gutmenschen“

  1. Dieser Blog macht mir die Antwort schwer. Ich bin sicher der falscheste Mensch, den man zum Thema Integration befragen sollte. Ich will nicht. Warum auch? Ich seh keinen Vorteil darin, wenn sich Deutschland so negativ verändert. Ich war in Rheinland-Pfalz schon nicht integrierbar, warum sollte ich es unterstützen, dass Menschen, denen unserer Art zu leben völlig fremd ist, sich hier einleben. Warum? Dass sie Stadtteile bilden wie Chinatown in San Francisco oder New York, in denen kaum noch die Landessprache der USA gesprochen wird. Was soll das? Ich bin zu alt und zu stur und will das alles nicht mehr. Es war so schön bei uns und jetzt hat eine geltungssüchtige Politikerin alles kaputt gemacht! Das ist nie mehr rückgängig zu machen. Es ist grauenvoll.

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