Heute war ich seit sehr langer Zeit mal wieder in der Stadt. Was sich in zwei Monaten oder so alles ändert, man glaubt es kaum. Rasenteppiche sind in der Innenstadt ausgelegt, damit junge Menschen mit Stachelfrisuren gemütlich drauf sitzen können. Schaut man sie an, möchte man glauben, sie verließen das Haus nicht eher, als dass wirklich alles an ihnen aussieht, als hätte man es sich in pechschwarzer Dunkelheit übergeworfen. Zusammenpassen darf nichts und heil darf es um Himmels Willen auch nicht sein. Aber mir ist natürlich klar, dass da sehr viel Konzept dahinter steckt. Oder vielleicht auch nicht? Vielleicht sind ihnen auch andere Dinge im Leben wichtig? Welche? Vielleicht kochen? Oder reisen?
Dann hätten sie bestimmt Freude an den Zillionen von neuen Kochbüchern, die die Lifestyle- und Einrichtungs- und Kochecken in den Buchläden verstopfen. Die inzwischen eigentlich gar keine Kochbücher mehr sind, sondern Fotobände. Und zwar von möglichst ruffelig gedeckten Tischen mit Krümeln und Essensstücken auf möglichst grobmaserigen Holztischen oder drapiert auf uralten Leinenfetzen von der Großtante. Besteck darf niemals ohne Kratzer sein, Geschirr bitte nicht zusammen passend und am besten mit kleinen Einschlägen. Wie ein Gericht fertig aussieht, erfährt man höchst selten, dafür gibt es Detailaufnahmen von Artischockenblättern und Möhrengrün und den grün-braun verschmutzten Fingern des Kochs, der gerade eine Petersilienwurzel in seinem Hinterhof ausgräbt. Viele Reiseführer sind inzwischen genauso aufgebaut. Eine Muschel am Strand hier, ein Türknauf da, alles wunderschön, aber – ach, ich weiß nicht, irgendwie an der Sache vorbei. All das soll wohl Achtsamkeit und Liebe zum Detail und für den Moment suggerieren.
Auf der anderen Seite sind Köche populär, die alle Zutaten möglichst lässig, um nicht zu sagen, achtlos und rasend schnell zusammen hacken und werfen, beinahe so, als sei kochen etwas Unanständiges, das man hinter sich bringen muss. Tatsächlich gibt es Fernsehsendungen, in denen es darum geht, innerhalb einer Minute einen Nachtisch zuzubereiten. Ja Prost, Mahlzeit, da würde ich mich als Gast aber arg freuen, wenn man sich so viele Mühe macht. Beinahe so sehr wie über ein Reiseziel, das mir detaillierte Abbildungen von Badschubladenknäufen liefert, aber nicht ein einziges Foto vom Speisesaal oder dem ganzen Zimmer. Morgen setze ich mich mal auf den Rasenteppich auf dem Rathausplatz und lasse mich in den Zeitgeist-Flow ziehen und chille mal. Ich schick dann ein Detailfoto von einem Nasenring oder einem Pflasterstein. Dann können Sie sich selbst ein Bild von der Situation machen.
Da bin ich aber sehr gespannt! Was ist denn eigentlich los mit uns? kann denn keiner mehr einfach nur in den Wald gehen? Dieser Rasenteppich kann doch nicht bedeuten, dass man den Leuten jetzt die Natur sozusagen ins Wohnzimmer legt. Wobei ich ja feststellen muss, dass die Augsburger wirklich ein bisschen verrückter sind als die Rheinländer. Hier hat alles seine Ordnung: ist was zu laut, wird die Veranstaltung einfach weg geklagt, sind die Leute zu jung, lädt man nur noch Alte ein. Ein Konzerthaus braucht man nicht, ist ja nur die Geburtsstadt Beethoven’s. So gesehen bin ich fast ein bisschen neidisch auf die Bloggerin, in so einer innovativen Stadt zu leben. Also viel Spaß beim chillen und hoffentlich in den Flow kommen.
In diesem Fall möchte ich mich nur zu den Kochbüchern äußern. Manchmal glaube ich, dass ich besser Kochbücher zusammenstelle, also mit Bildern, Extras, altem Leinen etc. als koche. Beim Durchblättern dieser Kunstwerke, übrigens werden sie mittlerweile wegen des horrenden Preises Tablebooks genannt und haben in der Küche nichts zu suchen!
Die abgebildeten Tische sind derart übervoll, Stapel von Tellern, gebündeltes Silberbesteck, schräg hingeworfene Tischdecken, jahreszeitlich bedingte Schmuckobjekte in Übergröße, Stühle derart verhängt und mit Kissen versehen, dass nur ein Akrobat noch darauf Platz nehmen kann, Blumenarrangements, die das Budget einer normalen Hausfrau völlig umwerfen, man kann dann halt nur noch Pfannkuchen aus Wasser, Mehl, Prise Salz machen.
Auch die schwülstig auf den Tellern verteilten Bettlakengroßen Servietten sehen grandios aus, nur wohin dann mit dem Zeug. Wenn man das auseinandernimmt, die Blumen beiseite schiebt, bittet, die Stapel von Tellern zu entfernen, dann hat man eine kleine Chance, unter den zu tief hängenden Tischlampen evtl. Messer und Gabel zu finden und in die Hand zu nehmen. Die Gläser erschlagen des weiteren alles was man bisher an Platz geschaffen hat. Also ehrlich, sieht ja alles toll aus, aber essen kann man an diesen Tischen nicht!
Ja, genauso ist es. Was möchten also Menschen, die solche Bücher kaufen? Tischdecken lernen oder kochen? Ich verstehe es nicht. Reiseführer haben aber in der Tat nachgelegt. Man bucht ja kein Glas im Sonnenuntergang auf der Terrasse oder eben einen Türknauf. Oder eine Teppichfranse. Also wirklich.