Gastbeitrag Karl

Lange ist es her, dass ich mich zu Wort gemeldet habe. Es war auch in der Tat recht ruhig in diesen letzten Winterwochen. Gut, sie hat die Markise ungemütlich weit rausgefahren, so dass wir tatsächlich nur unter Vorbehalt anlanden konnten und ab und an schlägt der Mann immer noch gegen die Scheiben, was ihm nach wie vor Ärger einbringt, weil er immer riesige Tapper auf der Scheibe hinterlässt, sie hingegen schießt gleich händeklatschend und pfeifend raus, aber es waren ruhige Zeiten. Die Stacheln sind immer noch da, sie hat jetzt einen großen Plastikteppich an die Brüstung gelehnt, offenbar damit eventuelle Spuren von uns daran abgleiten. Sonst war es eine ruhige Zeit.

Bis, tja, bis heute. Wir haben ja feste Zeiten, die Gertrud und ich, wir sind halt Gewohnheitstiere. Meist so am späten Vormittag schauen wir vorbei. Das hat sich irgendwie so eingebürgert. Manches Mal würden wir auch gerne dort schlafen, aber nach Erfahrungen wie gestern, wenn sie wie eine Furie herausgeschossen kommt, böse Worte wie ‚also das ist doch die Höhe! Wollt ihr nicht gleich verschwinden, ihr Mistviecher!!!‘ rufend, also nach solchen Erfahrungen muss man sich anderweitig orientieren. Stundenlang musste ich auf die aufgewühlte Gertrud eingurren, damit sie sich wieder halbwegs beruhige. Was stört sie nur so an uns? Ich glaube, dass wir ab und zu mal was verlieren. Ich glaube, sonst würde sie gar nicht so viel stören.

Heute Morgen also, als wir gerade anfliegen wollten, sehe ich aus en Augenwinkeln, dass da zwei blaue Dinger an der Brüstung lehnen. Und daran ein ganzer Mensch. Sie. Hat sie sich doch nicht gleich ihren ganzen Computer mit raus auf den Balkon genommen und tippt wie wild drauf ein? Was soll das?? Es blieb mir überhaupt keine andere Wahl, als zu wenden und abzudrehen. Nun sitzen Gertrud und ich im Baum gegenüber, ratlos und wenn wir genau hinhören, können wir immer wieder ein Kichern vernehmen und Wortfetzen, die zusammengesetzt so etwas Unangenehmes wie ‚Na, wie fühlt sich das an? Herr Karl? Frau Gertrud? Wie ist, das, wenn man meint, dass man wo wohnt und da schon jemand ist?‘ Wir sind ratlos und sprachlos. Vielleicht hilft es, alles niederzuschreiben? Sie tut es ja offenbar auch.

Wer stört wen?

Kaum ist man mal eine Woche nicht da, nimmt die Natur wieder überhand: Karl und Gertrud sind trotz halb herausgefahrener Markise wieder angetreten. Mir scheint, mit dem festen Vorsatz zu bleiben! Frech sitzen sie da und trotzen auch der flachen Hand, die mein Mann so energisch – ganz im Geiste des Stand your Ground – gegen die Scheiben donnert. Es ist ihnen völlig wurscht. Sie flattern höflich weg, nur um kurz darauf wieder gleichmütig anzulanden, ganz nach dem Motto: wir fühlen uns hier wohl, nicht schlimm, wenn es mal ein bisschen scheppert. Was tun? Mir wird schon ganz blümerant, wenn ich an die nächsten Wochen denke, in denen ich viel unterwegs sein werde.

Bin ich zurück, werde ich der Eindringling sein und die Unaufhaltsamkeit der stoischen Belagerung nimmt weiter ihren Lauf. Schon fehlen einige der Stachelelemente, die wir so mühsam angebracht haben. Ich denke, sie wurden durch heftigen Flügelschlag oder zähes Rumgepicke weggerammelt. Aber es geht auch andersherum. Der Mensch macht sich – abgesehen vom Offensichtlichen – auch in der Natur breit. Es hat ja grundsätzlich  kein Mensch was gegen Tauben, nur dort, wo eben schon ein anderer wohnt und es offensichtlich ist, dass sie dort nicht hingehören. Heute auf einem kleinen Waldspaziergang haben wir erfreut festgestellt, dass es auch umgekehrt geht. Mitten im Wald steht ein Ledersofa.

Gemütlich und einladend lädt es an einer Kreuzung zum Sitzen ein. Man könnte hier auf säumige Verabredungen, schnüffelnde Hunde oder durchgegangene Pferde warten. Ganz wunderbar. Und vielleicht steht es auf einem Maulwurfshügel und Frau Maulwurf noggelt nun über Wochen und Monate an ihren Mann hin, dass er doch bitteschön etwas gegen dieses Ungetüm unternehmen möge, das da einfach nicht hingehört. Die schnatternden Menschen ließen immer ihre Kaugummipapiere liegen, klagt sie dann und die brennenden Zigarettenstummel fielen sogar manchmal in den Bau. Das Blöde ist, für Frau Maulwurf tut es mir Leid. Ich hätte das Sofa lieber auf einem Baum, neben einem Taubennest. Am allerliebsten IM Nest von Karl und Gertrud. Da würden sie mal sehen, wie das ist. Andererseits betrachten sie mich seit über einem Jahr ja sowieso schon als den lästigen Störenfried hinter den Fensterscheiben. Ein Teufelskreis. Ich werde nicht aufgeben.

Empty Nest Syndrom

Hab ich ein Empty Nest Syndrom? Muss ich mich das nun wirklich fragen? Neulich hat mir eine Freundin die seit langem für mich zur Seite gelegte Visitenkarte eines Taubenvergrämers gegeben und ich hab mich blitzartig erinnert: Karl und Gertrud! Wo sind die eigentlich?? Immer mal wieder sehe ich gschaftlige Tauben an meinem Balkon vorbeirasen, aber schon längere Zeit gibt es kaum mehr Spuren von ihnen. Liegt es an der Jahreszeit? Ist es ihnen zu blöd geworden? Sollten sie tatsächlich die Klügeren gewesen sein, die nachgeben?
Zu behaupten, sie fehlten mir, wäre übertrieben, man wird jedoch auch nicht gerne derart geschmäht.
Aber Rettung ist in Aussicht: Heute Morgen habe ich ein entzückendes kleines, sauber anmutendes Blaumeisenpaar (??) auf meiner Balkonbrüstung gesehen. Sie sind verliebt um meinen Besen und auch auf ihm drauf rumgehüpft und ich vermute, sie suchen Bau- und Dämmmaterial für die kalte Jahreszeit. Sie tun das anmutig und sehr goldig vor meinem Bürofenster, ich hab sie im Blick und muss nicht immer erst misstrauisch auf den Balkon schießen, denn Karl und Gertrud haben sich ja meist etwas verkrochen unter meinen Korbmöbeln.
Auch wenn ich jetzt ein Bauhof für Kleinvögel bin, fühle ich mich irgendwie wieder komplett. Vielleicht nehme ich sogar ein paar der Stacheln ab, sie sollen sich ja nicht verletzen, die kleinen Dinger.

So ein Service

Von wegen Dienstleistungswüste Deutschland, von wegen muffeliger öffentlicher Dienst, von wegen nach einem langen Tag braucht man nichts Großes mehr erwarten. Gestern war ich abends verabredet. Es war eine der Verabredungen, von denen ich mit Mitte Dreißig sicher war, sie irgendwann nicht mehr zu haben. Ich war voller Optimismus, dass ich „später“ reife und weise nur noch solche Menschen treffen würde, die ich gerne treffe und nicht solche, die mich gerne treffen. Deshalb, und auch wegen Karl und Gertrud, denn ich habe meine Nachbarn getroffen, gerade als die eine Riege Balkonstacheln wegwerfen wollte und wir haben dann ein Leidens- und Fachgespräch über diese Plage begonnen, was bei der Vorgeschichte natürlich lange gedauert hat – war ich ein wenig spät. Aber weil es mein Schicksal ist, immer pünktlich zu sein, stand der kleine Stadtbus noch an der Haltestelle. Ich bin – soweit das mit hohen Schuhen eben geht – auf ihn zugerast und als ich kurz davor in einen ermatteten Trab gefallen war, hat er die Türen geschlossen. Nach wildem Winken wurden sie wieder geöffnet und mir in schönstem Dialekt gesagt, „I hab gemeint, Sie hams sies anders überlegt.“ Da musste ich ihn aber schon mal auf mein Schuhwerk und meine Kondition und das Kleid und so weiter hinweisen.
Hocherfreut war er, als ich meine spießige Streifenkarte hervorgezupft hatte, ein Ticket für mich lag zwar schon bereit, aber eben umsonst. Die Streifenkarte bewahrt einen vor großen Schimpftiraden, wenn man mal kein Kleingeld hat und morgens um neun Uhr dann mit einem druckfrischen Fünfziger die 90 Cent Fahrtgeld bezahlen möchte. Während all dem war ich auch noch mit meiner Mutter am Telefon. Das war ein wenig auffällig, denn wir waren alleine im Bus, was generell sehr cool ist. Ich hatte das schon mal von Paris Orly zum Arc de Triomphe. Dann hat es angefangen, zu regnen und da kam mir die geniale Idee, den Fahrer zu fragen, ob er auf „offener“ Strecke halten dürfte. „Wo wollens denn hi?“. Ich hab es ihm gesagt und nachdem er mich zuerst an der Oberbank rauswerfen wollte, weil die auch ein rotes Schild hatte, haben wir es dann geschafft, weil das Restaurant praktischerweise neben einer uralten italienischen Eisdiele liegt, die auch er kannte.
Und so habe ich einen schrecklichen Abend mit einem herrlichen Erlebnis begonnen und den Entschluss gefasst, zu dem zu werden, was ich vor einigen Jahren von mir gedacht hatte. Das war gar nicht so übel.

Alles Empfindungssache

Die großartige Ildiko von Kürthy hat über die Jahre so viele wahre Dinge gesagt, dass ich mich frage, ob sie heimlich mein Leben mitlebt. Angefangen von „entweder mache ich mir Sorgen oder was zu essen“ bis hin zu ihrer Feststellung in der letzten Brigitte, dass sie offenbar deutlich schmerzempfindlicher ist als alle anderen Menschen. Beides kann ich voll und ganz unterschreiben. Fast nichts gibt es auf der Welt, um das ich mir keine Sorgen machen könnte. Und essen kann ich sowieso immer. Zum Beispiel schreibe ich diesen Blogbeitrag gerade jetzt nur deshalb, weil die Alternative ein halbes Pfund Nudeln wäre.

Gehe ich zum Arzt, muss ich die Blutabnehmerinnen jedes Mal sehr energisch um eine Liege bitten, weil ich fürchterliche Angst vor dem Blutabnehmen habe, auch wenn ich mich noch so sehr konzentriere. Glauben will mir das meist niemand, weil alle meinen, wenn man nicht klein, zart und blond ist, dann macht einem sowas gar nichts aus. Und als mein Vater vor ein paar Jahren die Segnungen eines Elektroschockgerätes (ich glaube, es heißt nicht genau so, aber die Bezeichnung trifft es in seiner Grausamkeit am besten) pries, wollte ich es natürlich auch ausprobieren und habe mich sofort wie in der Folterkammer gefühlt. Was für ihn ein angenehmes, muskelentspannendes Kribbeln war, hat mir echte Schmerzen bereitet.

Es ist also doch so, dass Schmerzen wie Wärme oder Kälte empfunden werden. Neulich beim Grillen habe ich in eine dicke Jacke gehüllt am Tisch gesessen, während alle anderen sich noch fröhlich Luft zugewedelt haben. Karl scheint übrigens auch eine besonders delikate Taube zu sein. Als ich gerade bei Starkregen die Markise rausgefahren habe, damit der ätzende Taubenunrat weggeschwemmt wird, ist er empört drunter raus geflattert. So eine Memme.

Die Spitze des Eisberges

Zwar bin ich noch nicht in Rom, aber was mich erwartet, hat mir eine treue Leserin schon mal vorab gemailt. Aggressive Möwen treiben dort und in Venedig ihr Unwesen und rüpeln sich durch die Touristenströme. Dass das der Wahrheit entspricht, kann ich nur bestätigen. Immer öfter hören und sehen wir auf der Terrasse diese riesigen Viecher mit den johlenden und lachenden Schreien. Wir dachten, es liege an unserer wilden Gegend, die ja auch bei Menschen zuweilen raue Gesellen anzieht, aber ungehobelte Vögel?

Tatsächlich habe ich schon vor Jahren meinen kleinen Hund davon abgehalten, Möwen zu jagen, weil er aus Möwensicht mit sechs Kilo ein prima Snack gewesen wäre. Man kann natürlich alles ausnudeln, aber die Tatsache, dass wir vor lauter Konsum überhaupt nicht mehr an die Folgen denken, macht sich eben doch bemerkbar. Alles wird verpackt, wird nicht fachgerecht entsorgt, Fische sterben mit Plastikmüll im Bauch, alles ist günstig. Fleischabfälle gibt es zur Genüge, weil auch das Leben anderer Säuger nichts wert ist, wenn es uns dient und dann kommt Eins zum Anderen. Warum sollte eine vernünftige Möwe heutzutage am Meer wohnen, wo doch die meisten Fische noch an Bord verarbeitet und als Fischstäbchen eingefroren werden? Da wartet sie doch lieber auf der Mülldeponie bis sie gebraten zurück kommen,  lustlos zur Seite geschoben von einem übergewichtigen Kind, das lieber weiter am Computer spielt.

Man kann nur hoffen, dass auch Möwen Wohlstandskrankheiten wie Cholesterin und Diabetes erliegen und auch wenn kurzzeitig der Gedanke durch meinen Kopf geblitzt ist, mir vielleicht so eine Taubenjägerin mitzubringen, so ertappe ich mich dabei, wie ich Karl und Gertrud gegenüber so etwas wie Beschützerinstinkte entwickle. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis würde mein Vater hier sagen.

P.S. Ich bin so gütig, weil ich die Markise ausgefahren habe und das Anlanden damit fast unmöglich ist (wer weiß, wie lange). Karl balanciert gerade mal wieder auf dem Sims, der kleine Moppel, der appetitliche.

 

Jetzt auch noch die Technik

Nicht nur die Natur auch die Technik ist unberechenbar. Gestern Abend konnte ich noch eins A telefonieren, heute Morgen schon nicht mehr. Als ich um kurz vor sechs meinen Provider angerufen habe, wurde zwar alles Mögliche geprüft, zumindest hat es lange gedauert, aber es hat nichts an der traurigen Tatsache geändert. Sie konnten das alles von weiß Gott wo machen. Logischerweise habe ich gefragt, ob das auch mit meiner Bügelwäsche klappen könnte? Leider nein. Das wäre mal ein echter Mehrwert.

Ab neun Uhr war ich mir dann recht sicher, dass auch mein Friseur seinen Anschluss beim selben Provider hat, denn auch dort kommt die Nachricht, dass der Teilnehmer nicht zu erreichen sei. Der war aber nicht so schlau wie ich und hat sein Telefon aufs Handy umleiten lassen. Ha. Kurz nachdem ich all diese klugen Überlegungen angestellt hatte, bekam ich die Nachricht, dass ich Opfer einer regionalen Störung sei. Jetzt frage ich Sie: Was kann das bitteschön sein? Fährt da jemand nachts ein Verteilerhäuschen um? Gibt es solche Häuschen überhaupt noch? Oder schlägt der Blitz irgendwo rein? Die Störung besteht jetzt schon seit über zwölf Stunden. Was kann man so lange nicht richten können? Aber durch Karl und Getrud habe ich Geduld und Langmut gelernt. Wird schon alles wieder. Und dafür konnte ich heute meinen Friseur verblüffen, als ich ihm auf den Kopf zugesagt habe, wo er seinen Telefonvertrag hat und ihm dann auch noch die frohe Kunde bringen konnte, dass er kein neues Telefon braucht, weil es sich um besagte Störung handle. Nun hilf nur noch hoffen und beten.

Eine leicht paranoide Frage schießt mir gerade durch den Kopf: Können Tauben Kabel durchnagen? Habe Karl und Getrud seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Du liebes bisschen….

Mehr Natur geht nicht

Selektive Wahrnehmung ist nicht nur Schwangeren ein Begriff. Auch mir inzwischen. Ich nehme nur noch wilde Tiere im Großstadtdschungel wahr. Über die Tauben möchte ich mich an dieser Stelle gar nicht mehr auslassen. Denn getreu dem Motto „schlimmer geht’s immer“ hat mein Nachbar nun eine ausgefeilte Holzkonstruktion unter sein Auto geklemmt, weil sein kleines altes Auto offenbar die große Liebe eines nachtaktiven Marders ist. Nach dem zweiten Überfall innerhalb kurzer Zeit hat er ihm den Zugang zum Motorraum somit verwehrt.

Leider gibt es für mein Problem keine so einfache Lösung. Mein Autodach ist einfach zu verlockend. Samtig weich und kuschelig lädt es heimatlose Katzen und Marder zum Schlafen und Verweilen ein. Und was kann es nach einem erquickenden Schläfchen Schöneres geben, als sich genüsslich zu wellern und zu wargeln? Dem Fellteppich auf meinem Dach nach nicht Vieles. Und so habe ich meinen Klein-Auto-Bonus heute mehrfach in Trinkgeld an der Waschanlage gesteckt, damit mein Dach mit Hochdruckreiniger abgespritzt wird. Irgendwo muss ein kahler Marder rumlaufen, soviel ist sicher. Das Tier kann kein einziges Haar mehr am Körper tragen.

Als ich nach Hause zurück gekehrt war, haben mich Karl und Gertrud erwartet, der Eichkater von gegenüber scheint mit seinem buschigen Schwanz fröhlich durch die Blätter zu winken und so langsam überlege ich, warum es immer noch Menschen gibt, die „einfach mal in die Natur“ ziehen möchten. Die Innenstadt ist voll davon. Mehr Natur kann kaum ein Mensch verkraften.

Hurra, es ist wie Weihnachten und Ostern zusammen

Was für ein Spiel! Ich bin froh, dass die Weltmeisterschaft nur alle vier Jahre ist. Das hält ja keiner aus! Herzlichen Glückwunsch zu dieser runden Sache!

Jetzt bin ich ganz froh, dass ich mich nicht zu sehr habe mitreißen lassen, denn ich wüsste gar nicht, was ich jetzt schreiben sollte. Aber so habe ich schon wieder die Schatten von Karl und Gertrud gesehen und damit gehen mir die Geschichten wohl nie aus.

P.S. Eben war ein lautes Geraschel und Gekratze und Karl hat versucht, sich am äußeren Balkonsims, der vielleicht einen Zentimeter breit ist, festzukrallen. Wie ich es sage. WM alle vier Jahre, Tauben täglich.

Karl und Gertrud reloaded

Es gibt einen Film, der zeigt, was mit Großstädten und menschlichen Errungenschaften geschieht, wenn der Mensch nicht mehr da ist. Auch für eine relativ kurze Zeit nicht da ist. Dann erobert die Natur zäh und beharrlich ihren Lebensraum zurück. Zuerst die Vögel, dann die Pflanzen – angeschleppt von den Vögeln – und schwupps ist alles, wofür man mal einen Kredit aufgenommen hat, unter einem Teppich von Taubennestern, Wiesen und Maulwurfsbauten verschwunden.

So wird es mir hier auch gehen. Ich tue es nicht gerne, aber ich muss eine Niederlage auf der ganzen Linie einräumen. Wohl haben auch Karl und Gertrud Federn gelassen, aber ich mehr. Sie hocken jetzt wieder genau da, wo sie es sich vorgenommen haben und sind ein schönes Beispiel für die deutsche Tugend Beharrlichkeit. Nur niemals aufgeben, unbeirrt weiter anfliegen, schauen, hinhocken, Geschäft verrichten, wird sich schon alles wieder fügen. Ich bin am Überlegen, ob ich ihnen nicht am besten gleich einen Nistplatz bauen soll, sie haben es ja doch schwer, das ganze Zeugs in den fünften Stock zu wuchten.

Ähnlich wird es mir bald in Rom gehen. Auch dort denken diese Tiere, dass sie mit der Frau mit der Gartenschere und/oder dem Besen schon irgendwie zurecht kommen werden. Sie ist ja nicht oft da und stört auch nicht besonders. Obwohl gerade die Jungen sich schon erschrecken, wenn sie anlanden und wie selbstverständlich ihre Rituale wie Baden, Rumpicken, Erde verteilen vollziehen und dann kommt da auf einmal jemand. Ganz törichte Kollegen laufen auch schon mal in den Platz hinter den Fensterscheiben hinein und finden nur schwer wieder raus. Aber zumindest auf der römischen Terrasse gibt es erst Mal Entwarnung. Die Natur kann einstweilen übernehmen. Ich konzentriere mich auf die positiven Seiten und zumindest die römischen Vögel wissen, wie man sich als Gast benimmt. Sie schleppen Feigenbäume, Palmen und Oleander an, manchmal bringen sie was durcheinander, dann hab ich einen Baum, halb Zitrone, halb Mandarinen, aber das kann im Eifer des Gefechtes schon mal passieren. Ich bin neulich ja auch mit zwei verschiedenen Ballerinas aus dem Haus gegangen. Es wird doch auf eine friedliche Koexistenz hinauslaufen. Friedlich hab ich gesagt, Karl, Gertrud, das gilt schon auch für euch!