So ein Service

Von wegen Dienstleistungswüste Deutschland, von wegen muffeliger öffentlicher Dienst, von wegen nach einem langen Tag braucht man nichts Großes mehr erwarten. Gestern war ich abends verabredet. Es war eine der Verabredungen, von denen ich mit Mitte Dreißig sicher war, sie irgendwann nicht mehr zu haben. Ich war voller Optimismus, dass ich „später“ reife und weise nur noch solche Menschen treffen würde, die ich gerne treffe und nicht solche, die mich gerne treffen. Deshalb, und auch wegen Karl und Gertrud, denn ich habe meine Nachbarn getroffen, gerade als die eine Riege Balkonstacheln wegwerfen wollte und wir haben dann ein Leidens- und Fachgespräch über diese Plage begonnen, was bei der Vorgeschichte natürlich lange gedauert hat – war ich ein wenig spät. Aber weil es mein Schicksal ist, immer pünktlich zu sein, stand der kleine Stadtbus noch an der Haltestelle. Ich bin – soweit das mit hohen Schuhen eben geht – auf ihn zugerast und als ich kurz davor in einen ermatteten Trab gefallen war, hat er die Türen geschlossen. Nach wildem Winken wurden sie wieder geöffnet und mir in schönstem Dialekt gesagt, „I hab gemeint, Sie hams sies anders überlegt.“ Da musste ich ihn aber schon mal auf mein Schuhwerk und meine Kondition und das Kleid und so weiter hinweisen.
Hocherfreut war er, als ich meine spießige Streifenkarte hervorgezupft hatte, ein Ticket für mich lag zwar schon bereit, aber eben umsonst. Die Streifenkarte bewahrt einen vor großen Schimpftiraden, wenn man mal kein Kleingeld hat und morgens um neun Uhr dann mit einem druckfrischen Fünfziger die 90 Cent Fahrtgeld bezahlen möchte. Während all dem war ich auch noch mit meiner Mutter am Telefon. Das war ein wenig auffällig, denn wir waren alleine im Bus, was generell sehr cool ist. Ich hatte das schon mal von Paris Orly zum Arc de Triomphe. Dann hat es angefangen, zu regnen und da kam mir die geniale Idee, den Fahrer zu fragen, ob er auf „offener“ Strecke halten dürfte. „Wo wollens denn hi?“. Ich hab es ihm gesagt und nachdem er mich zuerst an der Oberbank rauswerfen wollte, weil die auch ein rotes Schild hatte, haben wir es dann geschafft, weil das Restaurant praktischerweise neben einer uralten italienischen Eisdiele liegt, die auch er kannte.
Und so habe ich einen schrecklichen Abend mit einem herrlichen Erlebnis begonnen und den Entschluss gefasst, zu dem zu werden, was ich vor einigen Jahren von mir gedacht hatte. Das war gar nicht so übel.

4 Gedanken zu „So ein Service“

  1. Die Frage ist nun: hat er gehalten aus Mitleid, väterlicher Obhut oder weil die Hacken so hoch waren, dass er die Frau kennenlernen wollte. Ich persönlich würde die Höhe der Schuhe aus rein praktischen Gründen wissen wollen, habe mir leichtsinnig Stiefel mit 8 cm bestellt. Wenn ich sie habe und mein neues Kleid würde ich gerne einen Abend mit der lieben Bloggerin in Augschburg verbringen. Natürlich so wie sie nun mal ist und wie ich sie kenne. Das ist wirklich nicht so übel.

    1. Er hat gehalten, weil er ein echt freundlicher Busfahrer war. Und weil es ihm Freude gemacht hat, mir eine Freude zu machen. Die Schuhe waren vielleicht auch acht Zentimeter hoch, was nicht schlimm ist, aber das Rennen damit ist wohl schlimm. Ein Augschburger Abend, ganz sparsam wie wir halt sind, wäre sehr willkommen.

  2. Goldene Jugend, wohin bist Du entschwunden? Wegen mir hätte er sicher nicht angehalten. Wenn ich ich nur daran denke, wie oft ich vor oder hinter der Strossaboa hergelaufen, ach was gejoggt bin, um sie noch zu bekommen. Bekommen habe ich sie immer, aber die Blicke des Fahrers waren eher mitleidig denn ehrfürchtig. Wenigstens wegen der grauen Haare hätte er sagen können, Respekt, die kann sausen. Gefühlte zehn Stationen habe ich benötigt, um wieder gleichmäßig atmen zu können. Das aber mit Turnschuhen. Diese Absatzhöhe der sehr verehrten Bloggerin erfüllt mich mit Ehrfurcht! Wahnsinn, ich fühle mich schon mit 3-4 cm wie ein Vamp. Was mich wieder zum ersten Satz zurückbringt! Hut ab, den Bus so durch die Stadt zu jagen.

    1. Vielen Dank. Allerdings erinnere ich mich, dass wir schon oft sehr herzhaft darüber gelacht haben, wie das schnelle Prunkschaf besagte Bahn unerbittlich vor sich hergetrieben hat! Ab und an sah es nach einem Kopf an Kopf Rennen mit ungewissem Ausgang. Respekt!

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