Hilfen?

Gleich vorweg: Die Zeit, in der ich eine Haushaltshilfe hatte, war kurz und schlimm. Sie hieß Gabriella und war die Schwiegermutter unseres Portiere in Rom. Sie war damals vermutlich um die fünfzig und SEHR fit. Die Stunden, in denen sie zu uns kam, habe ich gefürchtet und in der Zeit, in der sie bei uns war, habe ich versucht, so unauffällig wie nur irgend möglich in meinem Büro zu sitzen. Sie hat Unmengen an salmiakhaltigem Reiniger für den Boden verwendet, die Wohnung hat so stark gerochen, dass ich noch stundenlang danach lüften musste. Über Minuten hinweg war immer wieder das ‚Pfffft pfffft‘ von einer Sprühflasche zu hören, denn das war sozusagen ihr Tätigkeitsnachweis.Hemdenbügeln wurde bei ihr zu einer Arbeit, die als neue Foltermethode in Guantanamo eingesetzt werden könnte, allerdings auch für mich. Brauche ich vier Minuten für ein Hemd, hat sie in der Stunde vier Hemden geschafft. Fenster sahen nach dem Putzen aus, als hätte man mit Butter drüber gewischt und sie war Meisterin im Drumherumputzen.

Kurzum, das Effektivste an ihr war ihre Schreckensherrschaft über mich. Im ersten und einzigen Jahr hat sie mich im August vor ein Ultimatum gestellt: entweder sie bekäme Urlaubsgeld oder sie käme nicht mehr. Mir wäre sehr recht gewesen, wenn sie das wahr gemacht hätte, aber da Claudio, der nichtsnutzige Vorgänger unseres Juwels Massimo, einen Schlüssel von uns hatte, war mir dabei nicht sehr wohl, denn immer wieder hat sie anklingen lassen, was für drahtige Kerle sie kenne. Kurzum, das Beste an Gabriella war, dass sie einen Teil unserer alten Möbel genommen hat als sie und ihre ganze Familie in ein besseres Leben gezogen sind und weil sie wohl auch den Eindruck hatte, uns einen Riesengefallen zu tun, hat sie sich auch gar nicht erst bedankt. Ich habe ihr keine Träne nachgeweint und bin seitdem vehementer Selbstputzer.

Zumal ich ruhigen Gewissens eh niemand Vernünftigen finden würde, denn wer steht auf Abruf bereit und kommt, wenn ich mal da bin? Also kann ich – wenn es ganz blöd läuft – in einer Woche drei Mal Betten beziehen. Aber das sind Kleinigkeiten, die ich gerne noch in Kauf nehme, denn egal, wo ich hinhöre, scheinbar überall führen Haushaltshilfen ein solches Terrorregime Sie waschen teure Kaschmirpullis zu klein, verfärben Wäsche, zerkratzen Edelstahlflächen und sehen hartnäckig Kalkflecken am Waschbecken nicht. Menschen, die eine Haushaltshilfe beschäftigen, geben soviel von ihren persönlichen Belangen und auch die Verantwortung für ihr Wohlbefinden ab, dass ich sie sehr bewundere für ihre große Toleranz diesbezüglich. Ich habe die noch nicht.

7000 Euro im Monat für Kleidung

Heute beim Mittagessen sprach man von Diesem und Jenem und auch von Diesen und Jenen und unter anderem wurde die Aussage eines Ehemannes (nicht einer der unseren) diskutiert, der meinte, dass ja monatlich allein 7000 Euro für die Kleidung seiner Frau (ohne Schuhe und Handtaschen) drauf gingen. Da haben wir drei Zuhörerinnen uns dann doch fast an unserer Mittagsmenü-Pasta mit Salat und einem Glas Weißwein zu 14,50 verschluckt und uns ist wieder einmal bewusst geworden, welch Paralleluniversen existieren. Erschüttert haben wir angemerkt, dass die Empfängerin solcher Zuwendungen vermutlich nicht mal durchgängig besonders glücklich deshalb ist. Und das wäre ganz natürlich.

Denn zufälligerweise hat mein Yogalehrer seine Stunde heute morgen damit eingeläutet, dass er uns in der Anfangsmeditation ein paar Worte zum Nachdenken in Herz und Hirn geträufelt hat. Es ging um Wünsche und ihre Befriedigung und die Dauer des damit verbundenen Glücks, bzw. der Zufriedenheit. Er forderte uns auf, zu überlegen, wann wir uns zuletzt einen Wunsch erfüllt hatten und wie lange das Glücksgefühl angehalten hat. Nun musste ich sofort feststellen, dass Schuhe oder Hosen nicht zu Wünschen, sondern zu Konsum zählen und ein echter Wunsch, den man kaufen kann, definitiv mein Auto war. Das liegt nun fast zwei Jahre zurück und mein Glücksgefühl hält bis heute an, jedesmal, wenn ich einsteige. Mit diesem Ergebnis war und bin ich zufrieden. Wenn das bei einem anderen großen und echten Wunsch auch so ist, wäre es toll.

Aber Recht hat er natürlich schon mit seiner Aufforderung zum Nachdenken. Denn, wie auch Mare immer sagt, es ist in der Tat wichtig, wie man Dinge erlebt und wie sie einen erfüllen können. Kleidung für 7000 Euro ist meiner Meinung nach schon in den Konsum übergegangen und keine Wunscherfüllung mehr. Das ist schade, denn die Dosis muss immer höher werden oder die Wartezeit dafür länger. Für Dinge ist es schwierig, Menschen glücklich zu machen. Es ist oftmals eine zu große Aufgabe für sie. Das schaffen nur die Gefühle, die mit diesen Dingen verbunden sind.

Unverhofft

Am Samstag, während ein Bikinimodel unverhofft zur Prinzessin geworden ist, sind wir bei einer Oldtimer-Rallye mitgefahren. Es war sehr aufregend, weil es auch viele Prüfungen gab, ich die ganze Zeit über ein Roadbook auf dem Schoß hatte und da wir im Minutentakt gestartet waren, ich auch daraus lesen und dirigieren musste. Bei so einer Teamfahrt lernt man viel über seinen Partner, respektive Mann und sich selbst. Ist man wie ich zwar ein durchaus aktiver Beifahrer, wenn es ums Schimpfen oder panisch Festhalten geht, sobald die Geschwindigkeit meine Komfortzone verlässt (ab ca. 160 km/h), aber ansonsten eher passiv, wenn es um das Finden von Wegstrecken geht, muss man sich hier sehr rasch umgewöhnen. Die Wegführung ist nicht bekannt, nur ganz klein auf einer Karte eingezeichnet, jedoch werden auf die Strecke verteilt immer wieder Fragen gestellt, die man nur beantworten kann, wenn man auch tatsächlich Originalstrecke fährt. Verzwickt. Wir haben uns recht oft verfahren. Bei den Zeitprüfungen waren wir aber so gut, dass wir tatsächlich den ersten Platz gemacht haben. Ich war mindestens so überrascht wie an der Uni als ich meine Buchhaltungsprüfung bestanden hatte.

Und heute, an einem ganz speziellen Jubeltag, der gar nicht sehr begangen werden sollte, hatten wir einen wunderschönen Tag mit Torte und gemeinsamen Essen bei allerschönstem Wetter. Ab vier Uhr, bei strahlendem Sonnenschein, sollte es schon wieder zu hundert Prozent regnen und ich könnte mich exakt so wie letzte Woche darüber aufregen, aber dafür war die Pasta zu gut und die Erdbeeren zu süß. Eins hat sich zum anderen und dann zusammen zu einem Ganzen, neudeutsch: Flow gefügt.

Auf dem Nachhauseweg ist uns dann – schon wieder – eine Maus über den Weg gelaufen und ich werde jetzt mal googlen, ob das in irgendeiner Mythologie eine besondere Bedeutung hat. Ja, hat es. Außer auf ein paar Mäusefallen-Seiten und Kammerjäger bin ich natürlich auch auf die Mäusestrategie für Manager gestoßen, die ganz hervorragend zum Unverhofften und seinen Freuden passt: Erwarte, begrüße und schätze den Wandel, dann kannst Du ihn für Dich nutzen. Uns hat jeder Wandel am Wochenende große Freude gemacht und wir haben uns auch ganz leicht an Pokale, Torten und Sonne angepasst!

Gemüse ist das neue Schwarz

Ok, ok. Wollte ich vorhin noch über die fehlgeleiteten Reproduktionsmöglichkeiten schreiben, die sogar – oder gerade – Hollywood durcheinander wirbeln, schreibe ich jetzt über Gemüse. Sonst stehe ich bei meinen Stammkommentatoren noch als Monster da. Also Gemüse, ich sage Ihnen, Gemüse ist das neue Schwarz. Seit zwei Wochen esse ich abends Gemüsemengen, die jede Kuh an den Rand ihres Fassungsvermögens bringen würde und außer dass es ewig dauert, das Zeugs in mundgerechte Stücke zu schneiden, macht es auch noch süchtig. Sonst hat es leider kaum einen Effekt, was ich sehr frech finde. Was mir an Gemüse so wahnsinnig gut gefällt, ist, dass man davon echt viel essen kann. Einfach soviel, bis man nichts mehr in sein Bäuchlein hineinbekommt. Mit welchem anderen Lebensmitteln geht das schon?

Obst ist da schon viel heimtückischer. Auch nicht schlecht, aber der Zucker! Der Zucker! Und die Kohlenhydrate!  Ja richtig, diese bunten Biester haben auch Kohlenhydrate. Ein Elend. Und die, die ich am liebsten mag, nämlich Kirschen haben die allermeisten und vermutlich ist das auch der Grund, warum ich sie so gerne mag. Natürlich könnte man das Obst- und Gemüseessen und vor allem -kaufen noch optimieren. Ich bin umzingelt von ernährungs- und gesundheitsbewussten Müttern. Wenn die wüssten, dass ich bei einem regionalen Discounter mein Obst und Gemüse montags und vielleicht noch donnerstags kiloweise kaufe und mich dann durcharbeite, um nicht zu sagen abarbeite, würden sie mich aus der Frühstücksgruppe, der Yogagruppe und vermutlich aus ihren iPhones werfen.

Aus gegebenem Anlass war ich heute allerdings in einem Biosupermarkt und ich weiß ganz genau, warum ich das im normalen Leben nicht ertrage. Er liegt idyllisch in unserer schönen Altstadt und auf dem Weg zum Abendessen bin ich hineingegangen. Vor mir lag eine Käsetheke mit grau-beigem Käse, es roch nach dem, was sie dort Obst nennen und etwas anderem, was ich nicht kenne oder zumindest in einem anderen Daseinszustand. Nachdem ich etwas gesucht habe, war ich sehr ratlos, weil keiner da war. Ich hab mich immer wieder umgeschaut mit meiner Sonnenbrille mit den optischen Gläsern, so lange, bis ich hinter dem beigen Käse eine grau-beige Frau entdeckt habe. Sie schaute mich freundlich-ratlos und durchaus überlegen an. Hallo, habe ich gesagt, da ist ja doch jemand. Ja, kam die Antwort. Weil ich schon etwas erbost war (keiner lässt sich gerne ratlos umherblickend ertappen oder gar beobachten), hab ich sie gefragt, ob man nicht Grüß Gott sagen könnte. Da flüsterte sie mir zu, sie habe wohl gegrüßt und auch gefragt, ob sie mir helfen könne. Diese mausig-ruhig-gelassene Art bringt mich meist erst so richtig auf die Palme. Diesmal nicht. Ich hab es weggeatmet. Wollen doch mal sehen, wer mehr Yoga macht. Und mehr Gemüse essen kann.

Win win: Tante Emma and Friends

Heute war ich mit meiner Mama und einer Freundin im Tante Emma Laden beim Essen. Das ist ein Konzept, das zur Hilfe Arbeitssuchender in unserer kleinen schwäbischen Stadt eingerichtet wurde. Dort kocht der beste Koch Augsburgs, ein hinreißend geschäftsuntüchtiger Italiener, der uns andernorts schon sehr froh gemacht hat mit seinem Wildschwein mit Polenta oder seinen wahnsinnig guten Spinatnocken. Er hat sich vor einigen Jahren entschlossen, sich Gott zuzuwenden, weil der sich ihm zugewandt hat.

Früher war er so etwas wie ein ‚Society-Koch‘, was immer das heißen mag. Er hat in Szenerestaurants gekocht und war allseits beliebt. Aber wohl nicht glücklich. Nun ist er es. Er steht in einer winzig kleinen Küche an einem Herd mit vier Kochplatten, nix Gas, nix Salamander, einfach kochen und versorgen. Um ihn herum toben oder bummeln kräftige junge Servier-Mädels unter der Leitung eines weiteren resoluten und kriegserfahrenen italienischen Gastronoms und es ist eine Wonne, ihnen zuzusehen. Wenn sie fragen, was man möchte, merkt man, dass es sie noch Überwindung kostet, zu fragen. Wenn sie etwas an den Tisch bringen, merkt man, dass sie es noch lernen, aber was man in jedem Fall merkt, ist wie froh sie sind, dass sie überhaupt etwas lernen können.

Ich habe von dem Restaurant durch Maurizio, den Koch selbst erfahren. Er hat es mir erzählt, nachdem er in DEM Szene-Italiener gekündigt hatte. Dort stand er – meiner Meinung nach recht verlassen – in einer Küche, verborgen und verscharrt, unglücklich, weit weg vom Geschehen und war ein reiner Erfüllungsgehilfe für ein verzogenes Publikum. Aber er war und ist schon immer mehr als das. Er möchte Menschen mit seiner Kunst (und das ist es) glücklich machen, er möchte sehen, dass sie glücklich sind und in diesem engen, etwas dampfigen Tante-Emma-Restaurant hat er genau das gefunden. Weil er nach wie vor sensationell kocht, kommen immer mehr seiner alten Gäste und auch die Neuen freuen sich sehr, dass sie für wenig Geld so ein gutes Essen bekommen. Oft sind das Menschen, die sich dran gewöhnt haben, nichts Gutes, auch nicht für Geld zu bekommen. Die freuen sich umso mehr. Und sie freuen sich über seine Herzlichkeit. Es ist nämlich so: Maurizios Essen wärmt den Bauch, sein Strahlen aber das Herz.

Evelyn Beatrice Hall

Heute ist in Paris der große Solidaritätsmarsch für die Terroropfer. Streng bewacht durch Soldaten, Polizei und Scharfschützen laufen über eine Million Menschen durch die Stadt, um ihre Solidarität mit den Terroropfern zu bekunden. Dabei fällt Einiges auf:
– die Oper aus dem jüdischen Supermarkt gehen ein wenig unter
– die ‚Kollateralopfer bei dem Anschlag auf die Satire-Redaktion gehen ebenfalls etwas unter
– alle anderen Terroropfer auf der Welt, die Tag für Tag sterben, zum Beispiel die 2000 Nigerianer, deren Dorf nieder gebrannt wurde, gehen auch ein wenig unter
– oder die syrischen Flüchtlinge, die Tag für Tag vor der italienischen Küste stranden
– oder gar die italienische Küstenwache, die nahezu Unmenschliches leistet und warum? Nicht weil sie irgendein Grundrecht demonstrieren wollen, sondern weil es ihre Aufgabe ist, die sie erfüllen.

Auf dem Weg zum Mittagessen sind wir an der Statue von Voltaire vorbei gekommen, dem ein denkwürdiger Satz zugeschrieben wird, der in Wahrheit allerdings im Rahmen einer seiner Biografien von Evelyn Beatrice Hall verwendet wurde, um Voltaire zu beschreiben: „Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen“. Ich denke, mit Rechten gehen immer auch Verantwortung einher und eben auch Respekt und die Fähigkeit, persönlichen Frust nicht zum Nachteil Vieler auszulassen.

Im Paris abseits der Solidaritätsmärsche macht sich eine eher andere Stimmung breit. Es ist eine Mischung aus Wissen, dass es nicht vorbei ist, business as usual und latentem Trotz. In der Rue de Montorgeuil, wo wir heute unser Essen für morgen und das Dolce für heute Mittag gekauft haben, wird genauso teurer Cappuccino getrunken wie vorher, wird genauso lange für ein spezielles Baguette angestanden, wird genauso gescherzt wie zuvor. Meine persönliche Quintessenz ist, dass nur weil der Rahmen einem Vieles, beinahe Alles erlaubt, man ihn auch immer unter Berücksichtigung des kategorischen Imperativs ausschöpfen sollte. Den sollte man nicht per Gesetz erlassen müssen, der sollte in uns drin sein. Bei allen.

Sie dürfen sich wieder anziehen

Keine Frage: Klinik- und Pflegepersonal hat es nicht leicht. Abgesehen von den schlimmsten menschlichen Leiden werden die schlecht bezahlten Helfer und eigentlichen Stützen der Medizinindustrie tagtäglich mit sehr menschlichen Defiziten konfrontiert: dramatisch mangelnde Körperhygiene, ungewaschene Kleidung und Unfreundlichkeit. Die logische Reaktion: Distanz schaffen, abgrenzen.
Sehr subtil geht das, indem man dem Patienten alles Mögliche erlaubt, was ja im Umkehrschluss das eigentliche Verbotensein vom Gegenteil bedeutet.
„So, jetzt dürfen Sie mal den Arm freimachen, sich ausziehen, den Finger drauf pressen, etc.“. Solche und andere Anweisungen kennt jeder, der schon einmal das Unglück hatte, in die Mühlen des Arzt- und Krankenhausalltags zu geraten. Wie absonderlich die Bedürftigkeit das Verhältnis zwischen Kunden und Dienstleister doch verdrehen kann. Denn – und das wird relativ schnell klar – Medizin- und Gesundheitsindustrie sind, wie jeder andere Wirtschaftszweig, in erster Linie gewinntrachtende Einrichtungen, die im besten Fall auch noch Leid lindern. Oft könnte man allerdings den Eindruck gewinnen, dass Genesung lediglich billigend in Kauf genommen wird.
Nicht stark leidende chronisch krank diagnostizierte Langzeitpatienten mit regelmäßig erforderlicher Behandlung sind die Cash-cows dieses Betriebes und Dankbarkeit und Demut der Patienten werden erhalten durch eben jene Formulierungen. Es ist überlebenswichtig, im Falle des Falles zu bedenken, dass allein die Tatsache, dass jemand einem was Selbstverständliches erlaubt, noch nichts über seine Kompetenz oder die Kompetenz der ergriffenen Maßnahmen aussagt. Wenn Sie demnächst essen gehen, fragen Sie sich doch mal, wie es wäre, wenn der Kellner zu Ihnen sagt: Sie dürfen jetzt Messer und Gabel in die Hand nehmen.

Herbst

Ach wird das schön, wenn es nun vielleicht doch einmal Herbst wird. Durch die Luft rasende Blätter, nebelige Morgen- und Abende, Niesel oder gleich richtiger Regen, ein Wetter zum Daheimbleiben ohne schlechtes Gewissen. Es gibt so viele Menschen in meiner Umgebung, die richtig süchtig nach Sonne und Wärme sind. Ich kann das wenig bis gar nicht verstehen. Sonne verpflichtet doch auch immer zu etwas: Raus gehen, sich ausziehen, Sport machen, durch den Wald rasen, Radfahren, Baden gehen, wie anstrengend. Regen und Sturm hingegen: Tee kochen, aufs Sofa legen, Bücher lesen, Schreiben, Arbeiten (ist alles nicht wertend geordnet – natürlich nicht).
Die Abhängigkeit von der Sonne ist wohl genetisch oder typbedingt. Oder ich bin nicht so süchtig, weil ich immer mal wieder richtig in die Sonne kann und mich solange unter dem Dach in einer heißen Wohnung oder am Strand aufhalten kann, wie es mir genehm ist. Das macht natürlich toleranter. Dennoch, die Sonne zwingt einem Glück und Frohsinn auf und wenn man weder das Eine noch das Andere empfindet, fühlt man sich gleich als Versager. Ähnlich schlimm ist nur noch, in einem frisch bezogenen duftigen Bett bei absoluter Ruhe und offenen Fenster nicht schlafen zu können. Es ist eine Frechheit, über die man sich ärgern kann.
Im Herbst hingegen, wenn all die Sonnensüchtigen matt und bleich durch die Gegend schleichen, kommt man mit mittelprächtiger Laune und leicht hochgezogenen Mundwinkeln ganz groß raus. Dann, wenn alle ihre Herbst-Winter-Depression haben, reicht schon Nicht-übers-Wetter-Jammern, mehr darf man meist nicht sagen, geschweige denn sich zu Lobpreisungen der Herbststürme aufschwingen, man läuft sonst Gefahr, für verrückt gehalten zu werden. Ich schaue gerade auf wild flatternde Blätter und strahle bei einer Tasse Tee schreibend meine Blaumeisen an, die sich ebenfalls für die Zeit der Herbststürme rüsten. Herrlich!

Rientro II (AUSNAHME!!)

Weil ich dauernd gehetzt werde, kommt heute auf besonderen Wunsch ein detaillierter Tätigkeitsnachweis, der mich vom Telefonieren abgehalten hat:

Früh aufgestanden
Dusche komplett entkalkt, alles verkrustet, weil Hahn getropft hat
Massimo da gehabt und gefachsimpelt, geschimpft worden, weil beim letzten Mal Abreise ohne Abmeldung, entschuldigt, vergeben
Papa beauftragt, Kaffeemaschine zu entkalken, Kaffeemaschine kaputt
Mit Massimo zu Auspuffprofi Andrea gefahren, richten lassen, sehr gestaunt, wenig bezahlt, fröhlich weiter gezogen
Auf dem Rückweg 50 Liter Erde und kleines Basilikum bei Mauro gekauft, von Papa mit rollenden Augen dafür begrüßt worden
Vorher versucht, Auto zu waschen, lange gewartet, abgebrochen, heim gefahren
Dazwischen immer wieder Katzen gefüttert
Mit Papa losgefahren, Sofa holen
Vorher nach Kaffeemaschine bei Trony geschaut, Papa mit Nespresso vertraut gemacht, Papa verbrennt sich Zunge am Probe-Nespresso, keine gekauft
Sofa abgeholt, ist besser reingegangen als in Cinquecento
Mit Papa bei Todis, beim Metzger, bei de Rossi, beim Metzger nach Resten für Hund gefragt, weil Hund morgen Geburtstag hat, viele, sehr viele Reste bekommen, Hunde in Italien sind große Hunde, unserer nicht
Auf den Wegen dazwischen Papa beigebracht, dass er sich von mir über die Straße führen lassen muss, weil die Autos dann halten, Papa empört und leicht bockig, erst recht, als alle gehalten haben
Heim, Sofa hochtragen, auspacken
Frieda kriegt von Martha eine geschossen, weil Martha meint, sie sei mein Hund
Brotzeit machen
Kurz ruhen, Blog geschrieben, Vorsprung erhofft dadurch, nichts genutzt
Auf neues Sofa gelegt, dabei gesehen, dass Terrasse verschmutzt, gefegt
Bisschen Lärm vor Papas Fenster gemacht, damit er endlich aufwacht
Vorher nach Kaffeemaschinen-Reparierern in der Umgebung geschaut, Angst bekommen, weil sehr weit weg, daher Papa aufgescheucht, der mit Buch aus seinem Zimmer geschlendert kam
Losgefahren ins EUR mit Papa und Kaffeemaschine, auf dem Weg dorthin kleinen Park entdeckt, Vollbremsung, damit Frieda rennen kann
Mit Hundeschleuder kurz geworfen, wir fast mehr außer Atem, weil Hund auf einem Auge blind und zwar rennt, aber keinen Ball findet, 18 Mückenstiche kassiert
Papas Hose ist bereits nach 30 Minuten verschmutzt, blöde, dass er es nicht mehr auf Lola schieben kann, angeblich war es jetzt die Kaffeemaschine
Weiter zum Servicepunkt, geparkt, weggehupt worden, mit unfreundlicher Dame rumgemacht
Richtung Heimat gefahren
Erinnert, dass Auto immer noch schmutzig ist, bei Waschanlage angehalten, Papa leicht muffelig, was er alles mitmachen muss
Ausgestiegen, Papa gesucht, vor Reifenhändler gefunden, weiter zum Supermarkt gegangen, dabei Schimpftiraden angehört, Kaffeepulver für amerikanischen Kaffee und Quietschmuffin in rosa für Frieda gekauft, weil morgen Geburtstag, dafür von Papa gefragt worden, ob ich in Kolumbien war, den Kaffee holen, nein, habe so lange vor den Tackerklammern gestanden, weil zu große Auswahl
Erfahren, dass Papa seinen Kaffee auch mit Espressopulver trinkt und er gar nicht versteht, warum wir jetzt Kaffee kaufen mussten, kurz geärgert
Zwischendurch Papa was über das Genießen des Augenblicks beigebracht, nichts geholfen
Zurück zum Auto gelaufen, sauberes Auto geholt, heim gefahren, in die Garage gefahren
Kurz nochmals beschimpft worden, dass man Vater ausnutzt
Geduscht, Versöhnungswein geöffnet, freche Email von Mutter gefunden, Email begonnen, umentschieden,
VOILA!
Nachtrag: Hunde können keine Farben sehen, daher Muffin in rosa unnötig,
zwei Tennisbälle zu den Nachbarn trotz Warnung runtergeschossen.

Regen bringt Segen

Ja, ja, schon klar, es heißt natürlich „sich regen bringt Segen“, aber wer will sich denn bei so viel Regen regen? Und wie? Es ist inzwischen amtlich, dass dies – zumindest im Süden Deutschlands – einer der dunkelsten, kältesten und nassesten Sommer war. Und auch ich, die ich gegen einen ordentlich verregneten Sonntag nicht das Geringste einzuwenden habe, muss mich langsam fragen, wo soll das hinführen? Immer nur aufs Sofa? Oder in praktischer Funktionskleidung, die man aufgrund ihrer speziell zugeschneiderten Funktion wirklich nur in der Kombination „Waldspaziergang nach langer Regenperiode mit stichheißer Sonne zwischendrin“ anziehen kann, nach draußen?
Mein armer Mann hat sich vor einiger Zeit darüber beklagt, dass er immer nur schöne, selten funktionelle Kleidung habe und wenn er diese modernen Fasern meint, hat er völlig Recht damit. Für einen Menschen wie mich, der Sport aus tiefer Überzeugung ablehnt, stehen Funktionsfasern auf einer Stufe mit nutzlosen, streng riechenden Schrankverstopfern. Und wenn man nicht über Kellerareale wie meine liebe Freundin verfügt, können Funktionskleidungsstücke eine Ehe in arge Schieflage bringen. Muss denn immer alles praktisch sein? Ist es denn nicht vielmehr so, dass sich der gemeine Produzent einfach immer mehr Nischenprodukte ausdenken muss, damit überhaupt noch etwas guten Gewissens gekauft werden kann? Wie zum Beispiel der Versender „Pro Idee“ oder „Die kluge Hausfrau“, auf deren Verteilerliste Teile meiner Familie aus unerfindlichen Gründen gelandet sind.
Natürlich braucht jeder einmal im Leben das „Auto Orga Set“ oder den „Sofa Schlafsack“ oder ähnlich findige Dinge, bei denen man denkt, oh prima, hoffentlich hab ich den zur Hand, wenn ich das nächste Mal nach einer Party auf dem Sofa einrusle oder mir der Wasserflaschenverschluss der Einliterflasche unter den Sitz rollt. Das ist nämlich das Hinterhältige an diesen praktischen Dingen: man kann sich zwar eins A an die Situation erinnern, in der man so ein Ding lebenswichtig gebraucht hätte, aber diese Situationen sind nicht direkt planbar und entweder man entscheidet sich, auf einen normalen Sonntagnachmittag-Spaziergang einen kleinen Anhänger hinter sich herzuziehen oder man rutscht halt wieder im Wald aus (weil man die montierbaren Spikes nicht dabei hat). Auch glaube ich, dass es Gastgeber verstören könnte, wenn man einen kleinen Sofa Schlafsack zum geladenen Umtrunk mit sich führt, aber auch hierfür gäbe es eine Lösung: die Weste für Flüge mit nur einem Gepäckstück. Sie sieht ähnlich aus wie ein Anglerweste und man kann vom 4-Kilo-Lachs über ein Hygiene-Necessaire fast alles mitnehmen, was einem den Aufenthalt im Wald, Auto, bei Freunden oder einfach im Leben erleichtern könnte. Gut, es gibt sicher hübschere Kleidungsstücke, aber regendicht sieht es aus und das ist heutzutage ja die halbe Miete.