Sie dürfen sich wieder anziehen

Keine Frage: Klinik- und Pflegepersonal hat es nicht leicht. Abgesehen von den schlimmsten menschlichen Leiden werden die schlecht bezahlten Helfer und eigentlichen Stützen der Medizinindustrie tagtäglich mit sehr menschlichen Defiziten konfrontiert: dramatisch mangelnde Körperhygiene, ungewaschene Kleidung und Unfreundlichkeit. Die logische Reaktion: Distanz schaffen, abgrenzen.
Sehr subtil geht das, indem man dem Patienten alles Mögliche erlaubt, was ja im Umkehrschluss das eigentliche Verbotensein vom Gegenteil bedeutet.
„So, jetzt dürfen Sie mal den Arm freimachen, sich ausziehen, den Finger drauf pressen, etc.“. Solche und andere Anweisungen kennt jeder, der schon einmal das Unglück hatte, in die Mühlen des Arzt- und Krankenhausalltags zu geraten. Wie absonderlich die Bedürftigkeit das Verhältnis zwischen Kunden und Dienstleister doch verdrehen kann. Denn – und das wird relativ schnell klar – Medizin- und Gesundheitsindustrie sind, wie jeder andere Wirtschaftszweig, in erster Linie gewinntrachtende Einrichtungen, die im besten Fall auch noch Leid lindern. Oft könnte man allerdings den Eindruck gewinnen, dass Genesung lediglich billigend in Kauf genommen wird.
Nicht stark leidende chronisch krank diagnostizierte Langzeitpatienten mit regelmäßig erforderlicher Behandlung sind die Cash-cows dieses Betriebes und Dankbarkeit und Demut der Patienten werden erhalten durch eben jene Formulierungen. Es ist überlebenswichtig, im Falle des Falles zu bedenken, dass allein die Tatsache, dass jemand einem was Selbstverständliches erlaubt, noch nichts über seine Kompetenz oder die Kompetenz der ergriffenen Maßnahmen aussagt. Wenn Sie demnächst essen gehen, fragen Sie sich doch mal, wie es wäre, wenn der Kellner zu Ihnen sagt: Sie dürfen jetzt Messer und Gabel in die Hand nehmen.

Ein Gedanke zu „Sie dürfen sich wieder anziehen“

  1. Völlig richtig. Wer wie ich das nun sieben Monate migemacht hat, wird zum Profi in devotem Verhalten beim untergeordneten Personal, denn diese Damen und Herren können einen in ungeahntem Ausmaß schikanieren. Und wenn es nur lieblos in den Bauch oder Oberschenkel oder Oberarm gerammte Heparinspritzen sind. Es gibt so viele Möglichkeiten des Quälens, dass man das lieber nicht provoziert. Am Besten ist es, wenn man kerngesund in diesen Häusern liegt, keine Hilfe braucht und bei kleineren Arbeiten zur Hand gehen kann.
    Dagegen ist untergeordnetes Verhalten den Ärzten gegenüber völlig fehl am Platz und kann im schlimmsten Fall das Leben kosten. Nur einmal, weil unter Schock, nicht durchgesetzt und schon lief alles daneben! Wenn man es immer wüsste, aber man denkt halt wie eine deutsche Hausfrau, der wird schon wissen was gut für mich ist. Also, immer alles hinterfragen, nachfragen neutrale Meinungen einholen und dann weiteratmen…….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert