Die Rue Saint Honoré in Paris gilt ja gemeinhin nicht als schäbige Straße. Sie zieht eher ein solventes Publikum an und umso mehr muss verwundern, was man in den Schaufenstern vorfindet. Was ist das für eine neue Mode, deren oberstes Ziel zu sein scheint, dass alle Frauen wie Prostituierte und Männer wie deren Zuhälter aussehen lässt? Wieso soll das erstrebenswert sein? Oder verstehe ich da was nicht? Wer würde ernsthaft horrende Summen für ein solches rotes Gespinst ausgeben? Und wenn er es täte, noch so einen halblebigen Kurzmantel mit totem Tier drüber werfen? Ist sich die Straße, nein die Stadt ihrer Signalwirkung denn gar nicht mehr bewusst?
Warum ist das so? Orientieren wir uns alle nur noch an Rappern mit Zufallserfolgen durch besonders obszöne Liedertexte? Wobei schon das Wort Liedertexte den gemeinen Rapper mehrfach zum Kichern bringen dürfte. Erstens kennt er das Wort Lied vermutlich gar nicht mehr und zweitens entspringen seine Werke ja längst nicht mehr dem melodischen Ursinn des Wortes. Aber gut. Hat ja auch seine Bedeutung. Oder sind Frauen, deren Hinterteil eine eigene Postleitzahl verdienen würde und deren Quersumme in etwa ihrem IQ entspräche, zu weiblichen Stilikonen geworden? Mit vulgärem Äußeren auffallen, weil es ansonsten nichts zum Auffallen gibt? Gut und schön, jeder muss mit seinen Pfunden wuchern, aber das kann und darf dann doch bitte keine Mode werden.
Jedes Jahr im Winter raufen sich Mütter die Haare, weil ihre pubertierenden Töchter mit essgestörten Vorbildern malträtiert werden. Im Sommer dann wieder, weil sie in Hot Pants herumlaufen, die einen Priester nervös machen würden. Es geht selbstverständlich nichts über einen netten Ausschnitt und „wer kann, der kann“ ist seit jeher ein geflügeltes Wort, aber wenigstens traditionelle Couturiers und Modefirmen könnten doch ein klitzekleines Bisschen Stolz zeigen und nicht jede Mode à la „Ich komme aus der Gosse und mir ist alles Wurscht“ mitmachen.