Antonius hilf!

Im hektischen Alltag verliert sich ja gerne mal was. Schlüssel, Handys oder Uhren im Schnee. Und weil das so ist und sicher schon der ein oder andre Höhlenmensch seinen Steinkeil verlegt hat, gibt es den heiligen Antonius von Padua. Der ist für die ganzen verlorenen Dinge zuständig. Vor allem aber dafür, sie wiederzufinden. Teile meiner Familie haben ihn zum persönlichen Schutzheiligen auserkoren. Und als mein ordentlicher Vater seine Uhr im Schnee vor dem Haus verloren hatte, hat er einen tiefenentspannten Abend bei mir verbracht und dann – drei Stunden später – seine Uhr nonchalant unter der verschneiten Reifenspur wieder ausgegraben. Wir waren erstaunt, er nicht, er hatte zum heiligen Antonius gebetet. Mein Mann ist von ähnlichem Kaliber, wobei bei ihm ab und an zum Tragen kommt, dass der heilige Antonius für die ganze Welt zuständig ist, obwohl er mit meiner näheren Verwandtschaft durchaus genug zu tun hätte und das ein oder andere verlorene Ding dann auch wirklich verloren ist.
Wofür der heilige Antonius leider nicht zuständig ist, ist der verlorene Anstand und Stil in Sachen Kleidung und Verhalten im öffentlichen Raum. Zum Beispiel in der Oper. Jetzt im Sommer erblühen allerorten die Open-Air Opernspiele, Opern-Festivals und andere Freilichtaufführungen. Ganze Kleinstädte peppen damit ihr Sommerloch auf und ermöglichen den ortsansässigen Pensionen, Preise wie Vier-Sterne-Hotels in der Stadt zu verlangen. Noch unbekannte Talente können sich präsentieren, während die Kollegen, die das schon hinter sich haben, in Salzburg oder Bayreuth glänzen. Kurz und gut, einem großen Publikum wird Oper leicht und spielerisch nahe gebracht, die Inszenierungen sind meist locker und bunt, die Stücke auch, im Prinzip eine Win-Win-Situation für alle. Aber ist das sommerliche Ambiente ein Grund, in der Turnhose mit Baseballcap zu erscheinen? Und von der Beginn der Vorstellung an zu essen und zu trinken? Wir reden hier nicht von Steinstufenklassikern wie der Arena di Verona. Dort macht den Reiz des Abends der Picknick-Korb aus und wenn man schon vier Stunden vorab in glühender Hitze auf einem Platz ausharrt, dann kann, soll, muss man auch etwas zu Essen und vor allem zu Trinken dabei haben. Aber in der sechsten Reihe einer Oper mit Platzkarten um 21.30? Muss man da wirklich laut mümmelnd Brote in sich hineinschlichten? Und die Cola solange auszuzeln bis es mit dem Strohhalm Geräusche gibt?
Ich kann das nicht verstehen. Da machen sich ein Haufen Menschen die Mühe, etwas aufzuführen, man selbst macht sich die Mühe, Karten zu kaufen, hinzufahren, Parkplätze zu suchen, warum nicht dieser letzte Funke Respekt vor dem Ereignis, vor der Begleitung, vor anderen Menschen. Will man denn gar niemandem mehr gefallen? Hat der Turnhosenträger so einen brillanten Charakter und Geist, dass man nichts mehr drumherum wahr nimmt?
Der heilige Antonius selbst trägt zwar auch nur eine Kutte, aber ihm nimmt man das nicht übel, er hat weiß Gott genug andere Dinge im Kopf.

One thought on “Antonius hilf!

  1. Ich habe festgestellt, nie ist der Mensch häßlicher als im Sommer. Ich weiß auch nicht, warum ich mich, sorge wenn der Schal und eine kleine Farbe im Kleid nicht ganz konform gehen, oder bei mir das Oberteil nicht ungebremst bis auf die Knie fällt. Andere muten uns ihre Fettwülste und geschmacklosen Kleidungsstücke erbarmungslos zu. So würde ich nicht mal daheim vor den Spiegel hüpfen. Aber gut, verlorenen Geschmack bringt unser Heiliger nicht zurück. Ich kann von mir behaupten, dass ich das, was verschwunden ist, auch wiederfinde. Warum auch immer, es ist so. Möchte darüber nun nicht spekulieren, denn derzeit, wird dieser wundertätige Mann wirklich für eine große Aufgabe gebraucht. Es ist nur in meinem Interesse, dass er diese Aufgabe löst. Alle Kraft möge bei ihm sein!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert