Am Strand

Der Strandbesuch ist eine ernst zu nehmende Angelegenheit. Angesichts einer so großen Bühne und meiner Leidenschaft für Oper und Spektakel, wäre es schändlich, die Zeit mit Lesen oder Schlafen zu vergeuden. Man würde so viel verpassen. Und nun, nach einigen Tagen, die wir fast immer am selben Platz verbringen, schleicht sich eine gewisse Gewöhnung ein und genau das Maß an Kenntnis, das die nähere Betrachtung erst so richtig interessant macht. Wir liegen also meeresnah in der ersten Reihe neben den anderen Strandveteranen, die sich seit Jahr und Tag kennen. Und da hier jegliche Scheu und „mal schauen, wie das hier so funktioniert“ vollständig abgelegt wurden und zwar vor Jahren, hab ich eigentlich inzwischen ähnlich viel zu tun, wie bei einem normalen Bürojob.
Es geht für uns meist leider etwas spät los, weil es vorher noch so viele Dinge zu erledigen gibt. Gegen elf Uhr, wenn wir wie von Zauberhand, aber eigentlich von Emilio, kaum dass wir geparkt haben, die Liegen aufgestellt bekommen, ist die Familie hinter uns schon da. Sie besteht hauptsächlich aus Oma, Mama (jung) und Kleinkind (sehr jung und ausgesprochen fröhlich und mitteilsam). An dieser Front passiert meist nicht viel, Mama liest und schickt Kind zur Nonna, Nonna hat vermutlich ihre eigene (lesende) Tochter früher immer zum ruhigen Lesen am Strand angehalten und zahlt nun gottergeben die Rechnung. Und so findet der kleine rote Lockenschopf (sic!) in der Nonna eine zähe Mitstreiterin, wenn es ums Schwimmtiere aufblasen, Löcher graben und Welterklären geht, wobei da eher er als Bubenkind die Nase vorn hat. Eh klar.
Das wirklich Interessante spielt sich aber rechts und links von uns ab. Links liegt ein Paar, er mit Bürstenschnitt und runder Sonnenbrille und sehr, sehr rotem Gesicht, sie mit täglich wechselndem Bikini (immer sehr fashionable, entweder mit Schnürchen oder Bandeautop) und man kann sich wirklich überhaupt nicht vorstellen, was dieser Frau im Leben alles passieren muss. Sie regt sich von elf bis weit in den Spätnachmittag nonstop über irgendetwas auf. Mein Mann erweist sich hier als ausgesprochen nutzlos, weil er lieber liest als lauscht. Ich kann nicht immer vollumfänglich lauschen, weil ich a) auf einem Ohr nicht gscheit höre und b) mir manchmal Sprach(Dialekt)barrieren in die Quere kommen. Sehr ärgerlich. Dafür gibt es weiter links etwas, wofür man keine Ohren, sondern nur Augen braucht. Ich finde es vollkommen gerechtfertigt, wenn jemand, der sein halbes Leben im Fitness-Studio zubringt, die Früchte seiner Arbeit präsentiert. Ich tue das mit Marmelade, meterlangen Schals, traumhaft eingekochten Schmorgerichten und er halt mit seiner Figur und einer piepkleinen Badehose. Leider hat er keinen Liege mehr bekommen, so dass er nun die ganze Zeit stehen muss.
Diese Probleme hat der Herr rechts neben uns überhaupt nicht. Er ist der Capo des Strandes. Alle kennen ihn. Alle halten respektvoll vor seiner Liege und hören sich an, was er von der aktuellen Entwicklung des Strandes, der Politik und der Welt hält. Und auch hier ist es für mich einfach: ich brauche nur auf seine Hände schauen. Würde man ihm die festhalten, wäre er stumm. Wenn er sie nicht zum Reden benutzt, liegen sie zärtlich gefaltet über seinem Bauch. Er weiß offenbar alles und als meine Neugier übermächtig wurde und ich meinen Mann ernsthaft ermahnt habe, mal aufmerksam zu sein, hat er lapidar gemeint, dass sich das Gespräch vermutlich um Eissorten dreht. Glaub ich nicht. Werde mich heute etwas näher hinlegen und versuchen nicht einzudämmern. Denn das ist mein Hauptproblem: kaum ertönt um mich herum ein gleichbleibendes Murmeln und ich habe kein Buch mehr vor mir, döse ich nämlich hinweg. Vielleicht bringe ich mich heute mal ein wenig ein.

Ein Gedanke zu „Am Strand“

  1. Meine Güte, das klingt nach Stress! Immer, aber wirklich immer bedaure ich es, dass ich die am Strand, im Restaurant oder sonstwo geführten Gespräche im Ausland nicht verstehen kann. Verstehe ich sie dann, weil in der Heimat, dann verwünsche ich diese dummen Schwätzer und frage mich, warum können die Leute nicht einmal den Mund halten. Ich persönlich lege überhaupt keinen Wert auf Konversation mit Fremden oder Zwangsnachbarn, ich will nur lesen, schauen, Sand aus Buch und Tuch schütteln, wenn möglich acht Stunden ohne Unterbrechung! Anschließend duschen und ein feines Essen. Ich finde Meer auch schön, wenn ein Pool dabei ist und eine Dusche und wenn es um mich rum menschenleer ist!
    Eigentlich hat mir die sehr verehrte Bloggerin mit meinem geliebten Genero diese Art Urlaub immer wieder in den vergangenen Jahren ermöglicht. Ich durfte auf den Pool aufpassen! Dass er weder ausläuft noch verschwindet. Ich war immer schon mit einfachen Dingen zufrieden!

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