Die Gefahren einer filmreifen Kulisse wie zuhause vor dem Fernseher lauern im Detail. Im Land der Mode und des Stils muss es natürlich ganz besonders auffallen, wenn man am authentischsten, schönsten, heimeligsten Platz Roms in einem wirklich wunderbaren Restaurant solcherart sitzt. Das Restaurant wird von zwei sehr bejahrten Brüdern geführt (und auch wenn jetzt ein Anderer die Führung übernommen haben mag – wer steigt da immer so durch?, so ist es doch das Restaurant dieser Signori). Sie sehen sich sehr ähnlich und gleichen einander auch im Charme. Bestellt man Parmaschinken und zeigt auch nur ein klitzekleines Bisschen Interesse oder Freude am Essen, so wird ein Beistelltischchen herausgewuchtet und darauf eine Schinkenhalterung. Dann kommt der Capo (einer zumindest) und schneidet liebevollst einige Scheiben Parmaschinken für die Vorspeise. Hat man sich als ganz besonders interessiert oder sympathisch erwiesen, singt er auch noch ein Lied. Gerne auch ein recht unanständiges. Hilfreich für so einen Service kann es sein, wenn man seit zwölf Jahren immer wieder aufs Neue freudig auf die Terrasse tritt und wie ein Hafenarbeiter auf Landgang isst und trinkt. Dann bekommt man das Lied und den Schinken auch, aber das ist für Besucher keine probate Option.
Das Restaurant ist wirklich schön, es hat immer penibel saubere Tischwäsche, die Ober tragen auch bei gefühlten fünfzig Grad Anzug, schenken Wasser nach, was zum Beispiel bei mir zu einem Fulltime-Job ausarten kann und sind seit Jahren Dieselben. Die Einzäunung mit blühenden Pflanzkübeln wurde vor einiger Zeit weg geräumt, weil die Besucher es lieben, sich von Straßenverkäufern ansprechen zu lassen und wie der Besitzer sagt „am liebsten noch im Brunnen essen würden, wenn das ginge“. Wo der Italiener den Platz in der zweiten oder dritten Reihe schätzt, kann es dem Touristen verständlicherweise gar nicht nahe genug an dieser Traumkulisse sein. Santa Maria in Trastevere im Hintergrund, der Brunnen, die Gaukler, ein Traum.
Und weil alles so prima konsumiert werden kann und wie in einer Hollywood-Produktion aussieht, kann man sich ja auch ganz genauso wie daheim im Komfortsessel daheim hinlümmeln. Schuhe aus, Füße hoch, mit den Finger schnippsen und los geht’s. Denn praktischerweise ist hier auch noch jemand, der einen bedient. Noch mehr Eis für die Cola, bestellen, während man im iPhone scrollt? Nur zu. Schließlich zahlt man fürs Panorama ja mit und es stehen ja drei Stühle am Tisch. Die Flipflop drücken entsetzlich und auch die Sweatpants sind eine wahre Tortur. Außerdem, wer kennt mich hier? Ich zahl schließlich und ich bin halt wie ich bin. Und das ist gut so.
P.S: DAS SIND NICHT MEINE FÜSSE!!!
Um das zu erleben muss ich die Stadt, in der ich lebe, nicht verlassen. Es genügt, eine Tochter zu haben, die fast täglich in einem anderen Lande Europas speist. Ich sage bewußt speist, denn sie genießt es. Ich hätte rote Flecken vor Aufregung, weil ich mal wieder die Speisekarte missverstanden habe und dann als Hauptgang Ölsardinen bekomme. Was solls, ich genieße den Erfahrungsschatz meiner Tochter, lasse mich plumpsen und höre mir an, wie es woanders zugeht. Schön ist es, wenn meine Weltenbummlerin mal aus Versehen zuhause ist und sich daran erinnert, welch wunderbare Köstlichkeiten sie unterwegs zu sich genommen hat und diese nachkocht! Das ist dann der Gipfel des Verwöhntwerdens. Man läuft durch bayerische Strassen, ca. 8 Minuten, je nach Hunger auch mal schneller, dann im Paradies angekommen, kompletten Service für alte ausgelaugte Mütter, Kissen in den Rücken und unter die müde gelaufenen Waden Kissen, Schuhe werden einem ausgezogen, ein Glas mit kühlender erfrischender Essenz, sanfte Fragen nach dem Gesundheitszustand und Hunger und los gehts! Das ist Luxus und nicht das Nettbehandelt werden mit einem Auge auf das zu erwartende Trinkgeld, nein nein, das ist Liebe! Zuneigung und Freude! Anders will ich s nicht mehr! Muss jetzt aufhören, sonst gibts einen Rüffel wegen zu langem Kommentar und nie mehr was zu essen.