Freudige Erwartungen

Ich habe oft Gäste, jetzt etwas weniger als früher, aber immer noch oft, dafür  wie oft wir an einem Ort sind. Das ist herrlich und ich genieße es sehr. Manche hole ich sehr gerne vom Flughafen ab, meinen Mann natürlich eh. Und am Flughafen – ich hab schon drüber geschrieben – geht meine Fantasie regelmäßig mit mir durch. All die Begrüßungstransparente, die unbequemen Schuhe, die etwas engen Kleider, die langstieligen Rosen. Da müsste man schon ein abgestumpfter Tropf sein, um da nicht sofort tausende von Geschichten im Kopf zu haben.

Die Frau im schmalen kurzen Blumenkleid mit den hohen Lacksandaletten wartet vielleicht auf ihre Urlaubsliebe? Sie geht unsicher auf uns ab und fährt sich immer wieder durch die Haare. Sieht sehr nett aus, vor allem, weil sie sich so unsicher ist. Oder vielleicht haben sie sich im Internet kennen gelernt. Denn wieso sollte sie ihn sonst noch nicht gut kennen und trotzdem so aufgeregt abholen? Immer wieder schaut sie auf die Anzeigetafel, was einem in Rom rein gar nichts an Information bringt. Ich habe eine Stunde auf einen Flug gewartet, der eine Stunde als gelandet angezeigt war. Aber das nur nebenbei. Als der Mann dann da war, war er – zumindest für mich – eine Überraschung. Kahl, in Jeans und T-Shirt muss er wohl einen besonders guten und gelassenen Charakter haben, dass sich eine so zauberhafte Frau so hübsch macht für ihn und er überhaupt nicht.

Oder die Familie mit Kindern und Eltern, die immer wieder die Schleife am Kopf des Babys zurecht rücken. Dann kommt ein junger Mann mit Rucksack aus dem Terminal, alle stürmen auf ihn zu, vor allem aber ein junger Mann, der ihm sehr ähnelt, sein Bruder? Der weint und weint (ich übrigens auch, wenn ich mich dran erinnere) und alle anderen weinen auch und ich denke mir, wer weiß, Weltreise? Militäreinsatz? Baby unerwartet in der Zwischenzeit geboren? Was für wunderschöne Stunden jetzt kommen werden, bis der Alltag  wieder einsetzt. Bis er halt wieder da ist und sein Motorino mal wieder schräg in der Einfahrt geparkt und den stinkigen Müll auf der Treppe vergessen hat.

Dann steht da noch eine junge Frau, Deutsche, die auch wartet. Nach langer Zeit kommt ein älteres Ehepaar heraus und sie gehen recht gemessen aufeinander zu. Na, wie ist es also jetzt in Bella Roma? fragt der Papa seine Tochter, ok, sagt sie. Und dann gehen sie in Richtung Ausgang und dann nimmt er ihre Hand, die unten hängt und drückt sie ganz fest und sie drückt sie auch ganz fest und es ist einfach rührend anzusehen. Oben herum gehen sie einfach weiter, aber die Hände unten halten sich ganz fest.

Also wenn ich mal Zweifel habe, ob ich irgendwie abgestumpft bin durch alle möglichen Nachrichten oder Ereignisse, dann setze ich mich einfach an den Flughafen und schaue. Meine eigenen schönen weißen Hosen, die ich beim Abholen anhatte, hab ich übrigens mit einem dunklen Strumpf grau gewaschen. Das sind die Schicksale hinter solch schönen Szenen.

2 Gedanken zu „Freudige Erwartungen“

  1. Dies sind Situationen, bei denen ich mich auf den Boden werfen könnte vor lauter weinen. Schon im Flieger, wenn man über dem Meer langsam einschwenkt auf Fiumicino zu, dann muß ich schon ganz cool schauen, wühle in der Handtasche und suche Handy, Sonnenbrille etc. bloß damit niemand merkt, wie gerührt ich bin. Auch wenn ich mein Kind einen Tag vorher noch gesehen habe, ach, es ist ein Kreuz mit dem älter werden, es gibt soviele schöne Gelegenheiten zum Weinen, man kann sie nicht alle nutzen! Was sollen denn die Leute denken und mein Augenmakeup soll wenigstens bis zur Stadtgrenze Rom nach was ausschauen. Auch mein „kleiner“ Bruder, der Obercoole, der hat nahe am Wasser gebaut, schlimmer als ich! Ich glaube wir „Alten“ lassen jetzt langsam los und freuen uns halt mal ganz ehrlich darüber, dass uns jemand so gerne hat, dass er uns um sich haben möchte, dass wir den Flug wieder mal überlebt haben, dass wir nicht den Kaffee auf das Kleid, extra neu gekauft für Rom, geschüttet haben, dass man jetzt endlich diese arg drückenden Schuhe loswerden kann und was ganz Gutes zu Essen bekommt in Rom und auch sonst überall, wo wir hinfliegen oder ankommen und mit Liebe abgeholt werden. Es ist schon schön, man braucht kein Transparent und keine Blumen dafür. Man muß nur weinen und sich freuen. Jetzt muß ich mir ein Taschentuch holen, um die Tränen von der Brille zu wischen und die Nase zu putzen. Bis zum nächsten Flughafen oder Bahnsteig oder wo auch immer! Wenn jemand ganz diskret schnieft hinter einer Säule, das bin ich, denn als Abholer bin ich noch schlimmer!

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