Kaufbulimie

Meine weise Mutter hat heute ein sensationelles Wort geprägt, das bei gleichgesinnten (schwäbischen) Profis sofort auf allergrößte Zustimmung getroffen ist. Kaufbulimie. Man kauft etwas ein und gibt es dann zurück. Natürlich nicht vorsätzlich, aber ich kann mich erinnern, dass ich ein größeres deutsches Warenhaus ab und an durchaus wie eine Bank behandelt hatte, indem ich etwas gekauft habe und das Geld damit von meinem Konto weg war und ich es dann zurück gegeben habe und das Geld eben immer noch da war. Albern, aber sehr effektiv, denn wenn es auf dem Konto geblieben wäre, hätte ich es vielleicht für etwas anderes ausgegeben. Und so eben nicht. Eine Shoppingversicherung sozusagen.

Die beiden Kleider, die ich zurückgegeben habe, waren ein klassisches ‚Im-Laden-eigentlich-ganz-schön-Phänomen‘, daheim und mit Abstand aber dann eben nicht mehr. Wenn man zu zweit einkaufen geht, passiert das schon mal, dass man selbst und die Begleitung d- nach einigen Fehlversuchen in der Relation – begeistert ist und die Sachen nimmt (in meinem Fall der dusslige Outdoor-Hybrid). Früher hätte ich die Sachen dann vielleicht behalten, aber inzwischen weiß ich, dass sie nur herum hängen und für ein schlechtes Gewissen und schlechtes Feng Shui (oder so) sorgen. Und erstaunlicherweise freue ich mich wie ein Kind über das zurückgebuchte Geld und meine Lücke im Kleiderschrank. Irgendwie befreit und leicht.

Männer sagen zu Recht, man hätte es gar nicht erst ausgeben müssen oder sparen tut man nur, wenn man etwas gar nicht kauft, was natürlich völliger Schwachsinn ist, denn dann kann man genauso sagen: wer früher stirbt, ist länger tot. Klar, brauchen tun wir alle nichts, aber wenn uns etwas Hübsches vor die Flinte läuft, ist es doch wesentlich sinnvoller und befriedigender, wenn man bei etwas, das man zwar nicht braucht, aber gerne hätte, immerhin noch etwas spart. Männer schauen sich dafür blöde gruselige Filme an und freuen sich dann, wenn sie ins Bett kommen, dass sie eben nicht dauernd mit Monstern kämpfen oder von brennenden Motorrädern rumballern müssen, sondern schön in frischer Bettwäsche schnorcheln können. Frauen sind eben viel pazifistischer veranlagt in ihren Bedürfnissen und Freuden.

Mein neuer Outdoor Hybrid

So, meine Damen (die Herren, die mitlesen, machen sich ja leider niemals bemerkbar!!!), ich habe seit heute einen klassischen Outdoor Hybriden. Keine Ahnung, was das ist?? Nun, das ist denkbar einfach: Ein mittellanges kleidartiges Teil, das aber an sich auch ein Mantel sein könnte, man kann es für alles Mögliche, sozusagen zu Wasser und zu Land, nutzen. Unten im Saum hat es übrigens eine Kordel. Alles in allem ist es so weit, dass ich tatsächlich einen Skianzug drunter brächte, falls es kalt wird oder eben gar nichts, so dass es in der Sommerhitze (draußen) schön luftig ist. Ich frage mich, was fange ich mit meinen restlichen Sachen an, jetzt, wo ich den Outdoor Hybrid habe?

Solche Hybriden bräuchte es auch andernorts, zum Beispiel im Schulbetrieb. Schenkt man – als Unbeteiligter – den verschiedenen (Live) Berichten über die Vorkommnisse in der Schule Gehör, so kommt man schnell zu dem Schluss, dass Lehrer heutzutage wirklich gar nichts mehr richtig machen können. Und dass gerade ich, die ich heute noch zusammenzucke, wenn jemand sagt, er sei Lehrer und dessen Alpträume immer noch darin bestehen, eine Woche vor dem Abitur zu merken, dass man gar nichts gelernt hat und auch keine Ahnung, was überhaupt zu lernen sei, dass also gerade ich mit großer Empathie diese Berichte verfolge, zeugt davon, dass die Situation wohl wirklich ernst ist.

Mal werden Lehrer verantwortlich gemacht, dass die Kinder noch nicht schwimmen können, dann dass das Leistungspaket zu stressig sei, dann dass die Kinder keine Manieren lernen oder im Sportunterricht tatsächlich Sport gemacht wird. Sie müssen sich mit Anwälten mittelständischer abstiegspanischer Eltern herumschlagen und dafür sorgen, dass das Kind nicht durch schlechte Noten einen Burnout erleidet, dann aber trotzdem im Gymnasium mitkommt. Der gemeine Lehrer, der ja nun wirklich alles wollte, aber keine Probleme und keinen Stress in der Berufsausübung steht vor nahezu unbewältigbaren Aufgaben, denn das It-Accessoire unserer Zeit, das Kind, muss leider auch heute Hybridfunktionen übernehmen und den Eltern beim Durchdringen und Überspringen von Gesellschaftschichten behilflich sein.

Der Polin Reiz bleibt unerreicht

Seit zwei Tagen bin ich in Polen. Und was ich dort sehe, ist fürchterlich. Polinnen, zumindest die, die auf sich achten, tun das nicht irgendwie, sondern ausschließlich männerkompatibel. Es wird sich nicht lässig-schick angezogen, sondern sexy-schick. Als Deutsche, die daran gewohnt ist, zwar Reize zu haben und auch bei anderen zu erahnen, sie aber in den allerseltensten Fällen extrem sichtbar hervorzuheben, muss mir das auffallen. Aus diesem Grund und weil meine Haare im heißen römischen Sommer immer an der Luft trocknen müssen und dann etwas zwurbelig rumfedern, hatte ich gestern auch die Idee, zum Friseur zu gehen. Treue Leserinnen wissen inzwischen, dass ich beim Friseurbesuch fast völlig schmerzfrei und in ihren Augen geradezu tollkühn bin. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, war schon ein Schild vor mir, das mich nach links in einen süßen Innenhof geführt hat, in dessen Ecke ein Friseur war.

Mit Händen und Füßen konnte ich mich verständlich machen, denn warum bitteschön sollten polnische Friseurinnen (ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt die richtige Berufsbezeichnung ist oder doch die andere) perfektes Englisch sprechen? Das Ergebnis war – trotz allgemeiner Befürchtungen – sehr, sehr zufriedenstellend, was wieder einmal zeigt, dass man nur vertrauensvoll an ein Projekt heran gehen muss. Auch hat es weitere Wellen geschlagen und fast schon zu einer Kettenreaktion geführt, bravo Mare! Bei dem gestrigen (traurigen) Anlass, wegen dem wir nach Polen gereist waren, konnte ich dann noch mehr Blicke auf die unerreichbaren Polinnen werfen und in der Tat meinen sie es absolut ernst, wenn es um Männer geht.

Sie zwängen sich in Kleider, in denen kein Mensch atmen kann, tragen Schuhe, die ich unter Umständen mit eisgekühlten Füßen im Liegen anziehen könnte und stehen mit ihnen stundenlang herum und sitzen mit 70% entblößter Haut in Restaurants, in denen ich mir meinen Paschina wie beim Skifahren um den Hals wickeln muss, um nicht zu erfrieren. Dazu muss man anmerken, dass man aus der barocken Masse meines Kleides den gesamten weiblichen Teil der Restaurantbesucher großzügig mit Kleidung versorgen hätte können. Meine Damen, die Lehre meines Besuches lautet: zwischen eine Frau und ihr Kleid sollte überhaupt gar nichts passen und Schuhe unter zwölf Zentimetern Absatz sollten dem Sport vorbehalten sein.

Schwarze Roben, Krinolinen, Kleiderzwänge

Wir Augsburger sind ja für so Manches bekannt. Nicht immer nur für Schmeichelhaftes oder Rühmliches. Leider. Oft kommen Vertreter aus unserer durchaus ehrwürdigen Stadt in Privatsendern, die viel Wert auf rege Diskussionen und das Bereinigen von familiären Problemen vor den Augen der Zuschauer legen, zu Wort und man muss sich schon fragen, warum deutschlandweite Peinlichkeiten oft mit Augsburg zu tun haben. Geschenkte Statuen, gegen die ein Bürgerprotest Sturm läuft, Pflastersteine, bei denen man sich übers Ohr hat hauen lassen, aber eben auch der FCA und die Augsburger Richter. Die haben nämlich entschieden, dass Anwälte gefälligst schwarze Roben zu tragen haben. Und auch wenn der Erlass uralt ist und lediglich bestätigt wurde, finde ich ihn gut. Denn bei blinder Gerechtigkeit darf es nicht entscheidend sein, was der Verteidiger von Recht und Ordnung anhat.

Der Anwalt, der den ganzen Rechtsstreit am Augsburger Gericht angestrengt hat, trägt auf vielen im Internet verfügbaren Fotos schwarze Anzüge und T-Shirts. Schwer zu verstehen, dass er etwas gegen schwarze Roben haben soll. Aber die Geschmäcker sind bekanntlich eigen und Moden unterworfen. Frauen können ein Lied davon singen. Sie haben sich beispielsweise im 19. Jahrhundert mit schweren, unbequemen Metallkonstruktionen abgeplagt. Krinolinen heißen die Ungetüme, die die Bewegungsfreiheit in Verbindung mit einem obenrum straffen Korsett sehr eingeschränkt haben. Und sie waren im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich. Fingen sie Feuer, hat man es erst mal nicht sofort bemerkt und dann waren sie schwer bis kaum zu löschen. Aber auch sonst boten sie viel Potenzial für Ärger: In Busse oder Kutschen konnte man nicht gut einsteigen und der Bummel durch’s Porzellangeschäft wurde schnell zum Nervenkitzel.

Warum tut man, nein eher warum tun Frauen sich das an? Neulich ging die Meldung durch die Medien, dass man doch bitte bei Leggins, Treggins und Jeaggins drauf achten sollte, dass sie entweder nicht allzu eng sein sollten oder aber man sich nicht zu lange mit ihnen in gebückter Haltung aufhalten sollte. Sie schnürten das Blut in den Beinen ab und könnten so zu Lähmungserscheinungen führen. Ganz ehrlich, so saublöde Moden sollten wirklich per Gericht verboten werden.

Ungewohntes

Weil überall zu lesen ist, dass es dem Altern und Vergessen vorbeugt, immer wieder von Routinen abzuweichen, Unerwartetes zu tun und das Gehirn es geradezu liebt, von neuen Situationen überrascht zu werden (meines eigentlich nicht so sehr, aber es ist vermutlich einfach schwäbisch-untrainiert), habe ich heute mal etwas gänzlich Abnormes (für mich) getan. Ich bin eine Strecke gelaufen, die ich normalerweise nicht mal mit dem Fahrrad ins Kalkül ziehen würde. Ich bin zu Fuß bis zu meiner Autowerkstatt gegangen, um mein Auto abzuholen. Der TÜV war fällig. Und zwei neue Reifen. Frech daran ist, dass ich das mit den Vorderreifen recht empört meinem Mann erzählt habe und er genau zwei Dinge dazu zu sagen hatte:
Immerhin halten die ‚Schuhe‘ vom Auto 15 Jahre.
Hast Du schon bei Zalando geschaut?

Wie kommt er auf solche Vergleiche? Versteht man nicht. Apropos Zalando (hab ich automatisch mit ‚h‘ geschrieben, Zahlando). Mein liebster Yogalehrer hat sich heute mit Verve auf mich gestürzt und mich keuchend nach meinen nagelneuen blumigen Turnschuhen gefragt. Angesichts seiner Ratlosigkeit, als ich ihm gesagt habe, wo ich sie her habe, hab ich sie ihm mix flinken Fingern schnell rausgesucht. Ist ja für uns Mädels ein Kinderspiel, das könnte ich im Hund, im Schulterstand, gar im Adler oder der Krähe oder wie das Drecksviech heißt, bei dem man sich auf den Ellenbogen abstützen soll, ohne umzukippen. Hab ihm traumsüße Slipper (diese hochmodischen Schlüpfschuhe mit weißer Sohle und langer Zunge, die, die einen riesigen Fuß machen) bestellt. Das macht mir so viel Spaß, Menschen einzukleiden und zu meiner Freude vertrauen mir immer mehr ihr Äußeres an.

Auf die Art und Weise Geld zu verdienen, müsste doch ein Traum sein. Einkaufen, Menschen glücklich machen und damit auch noch Geld verdienen. Unfassbar. Und noch unfassbarer ist, dass es in der Tat Menschen gibt, für die es ein Megastress ist, einkaufen zu gehen. Ok, das langsame Gehen in Geschäften oder an Schaufenstern vorbei finde ich auch wesentlich ermüdender als einen strammen Marsch zur Werkstatt, aber – merke auf – es ist eben auch hier gerade das Wichtige, Abwechslung fürs Gehirn zu suchen. Insofern kann man mit Fug und Recht folgern: Einkaufen und Bummeln sind wesentliche Elemente gegen vorzeitiges Altern. Also dieser Beitrag hat eine Wendung genommen, die selbst mich überrascht. Aber umso schöner und ein Beweis, dass die Wahrheit sich eben immer durchsetzt.

Andere Länder, andere Körperteile

In unterschiedlichen Ländern scheint unterschiedlichen Körperteilen besondere Aufmerksamkeit zuteil zu werden. In Italien sind es bei den Frauen sicherlich die Haare. Wenige Frauen gehen ohne exakt gestylte und geföhnte Wellen aus dem Haus. Vespahelm, römische Sonne, Feuchtigkeit – scheinbar nichts kann diesen seidig glänzenden Mähnen etwas anhaben. Man kommt automatisch zu dem neiderfüllten Schluss, dass offenbar alle Italienerinnen über eine nahezu unanständige Menge an dicken, gesunden und glänzigen Strähnen verfügen und wird sich seines eigenen Pferdeschwanzes schmachvoll bewusst. Kein Mensch würde hier so etwas tragen. Egal, wie der Rest aussieht. Ich kann nicht gut föhnen, mir schläft nicht nur der Arm ein, mich verlässt auch die Geduld.

In Frankreich hingegen ist alles an Haarstyling, was über das an der Luft getrocknete, Gewellte und Mittelgescheitelte hinaus geht, pure Verschwendung. Ein Klämmerchen hier, ein hochgeschnurrter Dutt da, ab und zu ein quer gesteckter Bleistift auf dem Kopf, schon sitzt die Frisur. Dafür wird ein unfassbar großer Aufwand mit den Fingernägeln getrieben. Gestern war ich mal wieder bei der Maniküre, da ich mich – wenn ich schon einen zwar italienuntauglichen, dafür überaus frankophilen Haarstil habe – ein wenig anpassen möchte. Außerdem habe ich als guter Augsburger natürlich ein Abo gekauft (10 zahlen, 12 bekommen), das mich durchaus ein wenig herausfordert, weil ich ja gar nicht so oft da bin. Ich nehme übrigens ‚à l’Italienne` beim Lackieren.

Bei der Maniküre also saßen Frauen, denen ich liebend gerne mit meiner kleinen Handtaschenhaarbürste mal durch die zerzauselten Federn gefahren wäre. Während sie sich Füße und Hände sorgfältigst bearbeiten lassen, sehen Kleidung, Haut, der ganze Rest so betrüblich ungepflegt aus, dass man geneigt ist, sie abzuschrubben und neu einzukleiden. Mein junger Besuch, der gerade da ist, fragte mich auch ganz ratlos, wo denn nun die schicken Pariserinnen seien? Und ich kann nur immer wieder die Antwort geben: es ist die Attitude. Sie kombinieren einfach die fürchterlichsten Dinge und tragen sie mit sehr viel Selbstbewusstsein. Während ich diese Beobachten niederschreibe, grüble ich darüber nach, welches Körperteil deutsche Frauen ganz besonders akkurat und liebevoll pflegen? Bin für jeden Tipp dankbar.

Zeitgenössische Kunst

Paris ist die Stadt der Kunst und Kultur. Zumindest wenn man nach den Fragen und Bemerkungen all derer geht, denen man erzählt, dass man dort lebt. Ach, Mensch toll! Hast Du schon die hmhmhm-Ausstellung gesehen? Und warst Du schon bei blablabla? Neihein, war ich nihicht. Betrüblicherweise interessieren mich die meisten Ausstellungen weder daheim noch in der Ferne. Diesen Makel versuche ich mit Aufgeschlossenheit gegenüber zeitgenössischer Kultur wieder wett zu machen. Zum Beispiel heute auf den Champs-Élysées. Es war ein recht typischer Pariser Tag. Freundlich mausgrauer Himmel, immer mal wieder ein paar Tropfen Regen und man tat gut daran, eine leichte Daune griffbereit zu haben.

Nach meinem Schock gestern im Lafayette Gourmet mit all seinen umherwuselnden Menschen und Touristen und dann noch auf der Suche nach Currypaste und Hummerfond (gefunden, nicht gefunden, wieso auch sollte es in Paris Hummerfond geben, es reicht ja, wenn der Edeka in Neusäß sowas führt), stand mir und meinem einfühlsamen Mann der Sinn heute eher nach etwas Kontemplativen und so haben wir unseren Sonntagsspaziergang zunächst in den Tuilerien begonnen. Nun waren die Distanzen dort für lustwandelnde Könige und Courtisanen in Seidenschühchen sicherlich ausreichend, für Menschen in Turnschuhen mit Schrittzähler-App jedoch nachgerade lächerlich kurz. Im Kreis laufen deprimiert mich und am Anfang der Champs-Élysées ist auch noch eine Allee. Gesagt, getan. Und einmal im Laufen, ach wie herrlich war das.

Wie es der Zufall wollte, standen wir auf einmal gegenüber von Louis Vuitton und weil normalerweise lange Schlangen davor sind, heute nicht, habe ich meinem Mann dieses historische Meisterwerk zeitgenössischer Kunst und Kultur gezeigt. Wenn man es ein wenig schlau anstellt, kann man einen perfekten Rundgang machen. Man muss dazu nur ganz durchgehen, die längste Rolltreppe, die ich kenne, hinauffahren und ab da immer rechts herum, der Nase nach. Exponate – und auch noch teure – gibt es zuhauf. Durchaus inspiriert haben wir den Heimweg angetreten und sind an einem der pompösesten Häuser der Straße vorbei gekommen. Schwarz-goldenes Tor, Türsteher, gekiester Weg, Buchsbäume, kleine Fackeln bis hin zu einer gigantischen Villa mit schwarz-weißem Marmorboden. Wieder Gold, Schwarz und schneeweiße Wände. Was kann das sein?  Aber natürlich: Abercrombie & Fitch. Wartet man an allen anderen Tagen außer heute über eine Stunde auf den Eintritt, konnten wir einfach hinein schlendern und weil ich noch niemals in einem solchen Geschäft war, haben wir das auch getan. Eines vorweg: ob die Wandbemalungen auch in Deutschland zulässig wären, wage ich zu bezweifeln und wenn ich als unpolitischer Mensch das sage, will das was heißen. Sagen wir mal so, alles erinnert an junge, durchtrainierte, hellhaarige Männer, die recht siegessicher durchs Leben gehen. Und wie einst das Le Bon Marché als ‚Paradies der Damen‘ eine Attraktion war, ist es dieses Geschäft wohl heute. Ich jedenfalls war beeindruckt.

Um die Runde voll zu machen, haben wir am Abend noch einen Schlenker ums Haus gemacht und sind an Colette vorbei gekommen. Dort sind seit ein paar Wochen Absperrbänder mit goldenen Pöllern aufgebaut, innerhalb derer sich die Besucher um den Häuserblock winden, ähnlich wie vor dem Louvre. Drinnen wird mindestens zwei Mal die Woche umdekoriert und selbst ein Turnschuh präsentiert sich wie ein Oeuvre d’Art. Meine (die, die meiner älteren Freundin am Freitag so gut gefallen hatten), gab es da übrigens auch schon, aber erst nachdem ich sie schon längst hatte. Ha! Sie sehen, ich bin meiner Zeit weit voraus und trödle nicht in der Vergangenheit herum.

Haben muss

In einer Zeitschrift bin ich allen Ernstes auf diesen Auswuchs kindischer Willensäußerung – in Form einer offenbar regelmäßigen Kolumne – gestoßen. Soll das die Übersetzung von Must have sein? Oder zum Ausdruck bringen, was offenkundig ist: dass Der- oder Diejenige zwar weiß, wie man einen Parka zu einem Fransenkleid kombiniert, mit der simpelsten Grammatik jedoch ernsthafte Schwierigkeiten hat? Kann das erstrebenswert sein? In dieser Zeitschrift sehen übrigens die meisten Frauen hm, wie soll man sagen? Easy to get? Leicht zu haben? aus. Oder sie setzen alles dran, um auf Fotos wie Schulmädchen mit sechs bis acht Jahren rüber zu kommen. Beine werden knochig O-beinig voreinander gestellt und die Regieanweisung scheint in den meisten Fällen zu lauten: Erinnere Dich an Deinen ersten Schultag und stell Dich genauso hin.

Ist das die Antwort auf die immer komplexer werdende Welt? Kleinmädchengesten und Kapuzenpullis? Hätte das nicht eher in die Nachkriegsjahre gepasst, in denen man Grund hatte, sich zu flüchten. Hat man jetzt keine Veranlassung mehr, erwachsen zu sein, weil eh alles so prima chillig und vorhanden ist? Reden wir uns die Komplexität der Welt einfach ein bisschen ein? Wenn es um Computerspiele geht oder halblebige Sexbücher (und deren Verfilmungen) möchten alle wie die Erwachsenen mitspielen, in der Mode kann’s gar nicht chillig genug sein. Das Thema Jogginghose aus der Gangsterszene hatten wir schon und was als nächstes vom hochgelobten Streetstyle zu erwarten ist, mag man sich kaum ausmalen.

Ein bisschen erinnert diese Flucht in den Straßenstil daran, dass Designern halt auch einfach nicht mehr viel einfällt, weil zusammenpassen dürfen Kleidungsstücke zum einen überhaupt nicht und – so der Eindruck – passen schon gar nicht. Wir haben hier in Paris wieder die Ausläufer der Modewoche und ein paar Versprengte huschen immer noch wehmütig herum. Sehr viele sehen trotz ihrer hochmodischen, streetstyligen Mode, die immer die Idee des ‚Hach, ich bin einfach so wie ich war aus dem Haus geschossen und hab mir noch ein Beanie über meine seit einer Woche nicht gewaschenen Haare gestülpt‘ vermitteln, großartig aus. Das ist ein Wunder und einzig und alleine der Natur geschuldet. Sicher nicht dem, was sie tragen. Zu toppen ist dieses ‚Haben muss‘ übrigens in meinen Augen nur noch durch ‚Haben will‘. Das kommt in dieselbe Kategorie wie das Weglassen des Verbs in einem Satz, den Kinder gerne sagen: Kann ich nen Saft? Was? Machen? Essen? Holen? Trinken? Können ist ein Hilfsverb. Was bei Haben muss alles fehlt – außer Hirn – kann ich gar nicht auflisten. Hab die Zeitschrift weggeworfen. Haben muss nicht.

Mode mit Rückschlüssen

Heute sind bei meiner Freundin Boyfriend-Jeans angekommen. Und beim Betrachten dieser etwas unvorteilhaften Form, kann man kaum den ein oder anderen Gedanken verhindern: Sie sind meist zerrissen und haben recht kurze Beine und einen durchhängenden Po. Was lässt sich aus diesen Fakten schließen? Dass sie ein Model ist, zumindest deutlich langbeiniger und größer, er ein nachlässiger Wutzl mit kurzen, dünnen Beinchen und einem Hängepo. Weiterhin lässt die Tatsache, dass sie solchen Jeans einen Namen gegeben hat, darauf schließen, dass das nun jeanstragende Mädchen spontan mit diesem (unbekannten) Mann nach Hause gegangen ist und sich zusätzlich entweder mit Rotwein bekleckert hat oder ihn sich in einem ausgesprochen luftigen, nicht tageslichttauglichen Kleidchen geangelt hat.

Andere Rückschlüsse drängt einem der, die oder das Beanie auf. Das sind die länglichen Mützen, die alle Träger wie Schlümpfe oder Zwerge, oder eben Bohnen aussehen lassen. Warum trägt man so etwas und setzt es nicht mal drinnen ab? Doch vermutlich nur, weil die Haare drunter seit Jahren nicht gewaschen wurden? Am verbesserten Aussehen kann es nicht liegen. Es gibt nachweislich keinen Menschen, der mit besser aussieht als ohne.

Vermutlich haben all das Trendscouts herausgefunden. Wie übrigens auch die neue Haarmode, die in der Tat daraus besteht, dass man einen Schal einfach über die Haare schlingt und die sich dann ein wenig drunter aufwölben. Ich mache das seit Jahren und hätte niemals im Leben gedacht, dass daraus mal eine Mode werden würde….Heute habe ich mir übrigens einen Bleistift in die Haare gezwirbelt, weil ich mal wieder keine Haargummis zur Hand hatte. Nachahmung ist nur bedingt zu empfehlen, man kann sich übel kratzen.