Unwort des Jahres: Gutmenschen

Wie garstig. Wie engherzig. Wie kurzsichtig. Wie unchristlich. Hoppla, unchristlich? Das sind doch heute fast alle in Deutschland oder nicht? Diejenigen, die keine Deutschen oder Balddeutschen mit Migrationshintergrund sind, sind wegen vieler verabscheuungswürdiger Vorkommnisse aus der Kirche ausgetreten (puh, ein Vorwand zum moralischen Steuersparen) und spenden ihr Geld jetzt lieber dahin, „wo ich weiß, dass es auch wirklich ankommt und nützt“, was meistens ein Online-Reisebüro oder ein Elektronikfachmarkt mit den neuesten Flatscreens ist. Und die anderen sind weit davon entfernt, sich unseren christlichen Werten in irgendeiner Form verpflichtet zu fühlen. Weil sie ganz andere Werte haben. Welche das sind, hat sich mir noch nicht ganz erschlossen, es wird gemunkelt, es handle sich dabei vor allem auch um das Gastrecht. Aber egal, ich muss nicht von jedem Gast den kulturellen Hintergrund kenne, umgekehrt wird ein Schuh draus. Gehe ich zu jemandem nach hause, kann es schon sein, dass ich google, ob die Blumen mit oder ohne Papier überreicht werden, um nicht anzuecken. Denn in Paris zum Beispiel ist es ausgesprochen rüde, Blumen ohne Papier mitzubringen. Sie könnten ja aus dem Park geklaut sein. Man kennt seine Pappenheimer halt.

Im viel liberaleren Deutschland (Blumen ohne Papier!!! Die Umwelt!!!!) wird seit 1991 jedes Jahr ein Unwort des Jahres gekrönt. Zehn Mal hatte es etwas mit Ausländern, sprich mit Menschen mit Migrationshintergrund zu tun. Sollte einem das zu denken geben? Drehen wir uns im Kreis? Lernen wir nichts dazu? Verstehen wir nicht, wie unendlich gut uns der Zuzug tut? Wie bereichernd ein Miteinander der Kulturen für uns und unsere Renten ist? Ich gestehe, es ist mir auch nicht immer bewusst und ich darf behaupten, 50% meiner Zeit Ausländer in anderen Ländern zu sein und mich mit den Gepflogenheiten im Supermarkt, auf der Straße, einfach im Leben rumzuschlagen. Gehe ich – was momentan leider dauernd vorkommt – zur Maniküre, denkt kein Mensch im Traum dran, mit mir Englisch, gar Deutsch zu sprechen. Nicht mal bei den komplexesten Diskursen, was die Streichmethode des Lacks angeht. Seelenruhig lässt man mich so lange radebrechen bis ich erklärt habe, dass ich wieder die limited edition (des amerikanischen Lacks!!!) möchte, um mich dann zu korrigieren, dass ich wohl die Edition limitée meine….Im Anschluss wird dann fröhlich ein englischsprachiger Schlager mitgekräht. Tant pis!

In Italien zum Beispiel habe ich gelernt damit zu leben, dass Kellner nur höchst ungern eine Bestellung von mir entgegen nehmen und so teile ich, wenn ich anpassungsfähig drauf bin, meine Wünsche nach Wasser, Salz oder einem Zusatzkissen meinem Mann mit, der die Sache dann von Mann zu Mann in die Hand nimmt. Ich breche mir dabei nichts ab, es ist mir recht egal und ich sähe mich durchaus in der Lage, in einem Land mit Verschleierungspflicht nicht Oben Ohne am Strand zu liegen. Warum geht das nicht umgekehrt? Wenn ich Kinderbesuch habe, was in meinem speziellen Fall wohl noch die nächsten hundert Jahre so sein wird, erwarte ich von Kind und Eltern, dass nicht ICH alles wegräumen muss, sondern die Eltern das Kind von Allem, was kaputt gehen könnte, fern halten. Warum? Weil ich hier lebe. Und kein Gutmensch bin. Sondern einfach versuche, ein guter Mensch zu sein.

Von weißen Haien und Grapschern

Ich habe neulich altersgemäß eine Naturdokumentation gesehen, wie so häufig in letzter Zeit. Man kann ja nicht immer einen Vorabendkrimi in Mundart oder eine Kochshow ansehen, wenn man mal einen ruhigen Abend zu hause machen möchte und einem beim Lesen die Augen zufallen oder man noch nicht bloginspiriert ist. In dieser sehr eindrucksvollen Doku ging es um Annäherungen an den weißen Hai, denn immer mehr Menschen engagieren sich für ein besseres Image dieses Mörderfisches. Sogar eine Frau, der vom weißen Hai ein Bein oder waren es zwei? abgebissen wurden, möchte alles, aber keinen Killer in ihm sehen. Problematisch am Umgang mit dem Raubfisch ist vor allem, dass er nach bisherigen Erkenntnissen ein recht kleines Gehirn hat, respektive als ein bisschen dumm gilt. Das macht die Annäherung mit der Intelligenzbestie Mensch natürlich schwer.

Wobei es auch Menschen gibt, bei denen man sich fragt, ob sie nicht eher auf Weißer-Hai-Niveau durch die Welt schwimmen. Zum Beispiel Bill Cosby. Was denkt man sich denn, wenn man eine Familienserie dreht und dauernd Frauen begrapscht? Dass man damit davon kommt? Weil man berühmt ist? Größer als die anderen? Mehr Zähne hat? Oder nicht erwischt wird? Also wirklich. Wie dumm. Es kommt doch wirklich immer alles raus und selbst wenn mal ein Mord über zwanzig Jahre ungelöst ist, stellt sich der Mörder irgendwann, weil er es nicht mehr aushält. Die Bibel oder die Religion spricht dann gerne von „der Hölle auf Erden“, die der Mensch sich prima selber basteln kann. Aber um Himmels Willen, wie komme ich denn jetzt auf dieses Thema? Manches schreibt sich einfach so von alleine. Und das nach dem stimmungsvollen Geschenkeeinpacken zu den Nummer Eins Klängen von Helene Fischer (übrigens ein wenig überbewertet, wenn Sie mich fragen!).

Um auf den weißen Hai und die Orcas und jetzt mal nicht auf den nichtweißen Bill Cosby zurückzukommen, denn beim weißen Hai ist die Farbe ja fast schon ein Schimpfwort (ob der auch weiterhin so heißen dürfte, wenn es sich um den schwarzen Hai handelt?): In langen, geduldigen und auch sehr mutigen Versuchen ist herausgekommen, dass man sich als Mensch durchaus an den weißen Hai, respektive ein Exemplar, nämlich „Bruce“ annähern kann. Dann darf man seine Flosse anfassen und mit ihm durch das Meer pflügen oder als Meerjungfrau verkleidet neben ihm her schwänzeln. Dass das nun doch geht, schreiben Forscher einer bislang unentdeckten, ypsilonförmigen Gehirnregion zu. Darf man daraus schließen, dass Intelligenz und Domestizierbarkeit Hand in Hand gehen? Und: Trifft das auch auf Menschen zu? Siegen Argumente über Instinkte und Intuition? Mit dieser adventlichen Grundsatzfrage verabschiede ich mich für heute.

Alles ändert sich. Auch der Stil.

Ich bin immer noch nicht viel weiter mit dem Fotobuch. Ärgerlich. Das Programm stürzt laufend ab und außerdem hat es sich verändert. Ich hasse diese zwanghaften Veränderungen. Meist sind sie zum Schlechten. Das kann man übrigens auch beim Kleidungsstil betrachten. Leider. Schaut man sich Fotos oder Filme von vor fünfzig, sechzig Jahren an, findet man fast durchgängig gut gekleidete Menschen. Im Büro, aber auch in der Freizeit. Heute tu ich mir bei meinen Projekten schwer zu unterscheiden, wer in der Werkstatt, als Praktikant oder Geschäftsführer arbeitet. Nicht, weil die meisten wie früher üblich einen Anzug oder Kostüm tragen, sondern weil sie eben fast ausschließlich Jeans, Leggins und wahlweise Holzfällerkaros oder Kapuzenpullis tragen.

Klar, sind alles Mords-Talente, die in ihrem Beruf glänzen und vielleicht gehen sie ja auch nicht gerne ins Büro und möchten das somit zum Ausdruck bringen. Aber erstaunlicherweise erscheinen sie auch so, wenn sie zu einem Fest eingeladen sind, für das sich der Gastgeber viel Mühe gegeben hat. Stiefel am Abend sind dann ebenso vertreten wie sehr erwachsene Männer mit Schlabberpulli und Jeans. Erstaunlich. Einen großen Vorteil hat das allerdings: nie war es einfacher, als gut gekleidet gebrandmarkt zu werden. Seit Zara, H&M und Mango ist es keine Frage des Geldes mehr, sich der Situation und anderen gegenüber angemessen zu kleiden. Es ist ausschließlich eine Frage der Bequemlichkeit geworden. Leider.

Für mich ist es völlig unverständlich, wieso einem so wichtig ist, anderen zu demonstrieren, dass man keinen Wert auf Formen oder den jeweiligen Anlass legt und sich selbst damit vermeintlich über die Dinge stellt. Die wenigsten schnoddrig gekleideten Kapuzen- und T-Shirtträger glänzen mit Esprit und lassen einen die Erscheinung vergessen. Im Gegenteil, sie präsentieren ihre Worte und Ansichten, so sie welche haben, genauso unengagiert wie sich selbst. Warum gehen sie dann aus dem Haus? Warum unter Menschen? Kleidung reduzieren sie damit wieder auf Neandertalniveau, denn sie dient offenbar ausschließlich dem Nichtfrieren und der Bequemlichkeit. Wie Nahrungsaufnahme übrigens. Sehr schade.

Eiszeit ist Eiszeit

Wenn eine Italienerin beschließt, dass es Winter ist und genau der richtige Zeitpunkt für die neue Mütze und die warme Daunenjacke, dann ist ihr das Wetter dabei herzlich egal. Während schlichtere Zeitgenossen bei knapp zwanzig Grad immer noch im T-Shirt herumstromern, setzt sie sich an der Supermarktkasse, bevor sie rausgeht – die Mütze auf, zieht die Jacke ganz zu und stülpt die Sonnenbrille über. Ganz so als wäre sie im mondänen Madonna di Campiglio. Bloß, was zieht sie dann dort an? Ganz einfach, sie sagt jedem, dass es so widernatürlich kalt war, dass sie trotz bester Vorsätze einfach nicht raus gehen konnte. Keiner könne das.

Damit versaut sie ihrem Mann und allen anderen den (Ski)Urlaub, aber das ist nicht schlimm für sie, denn sie empfindet das keineswegs so. „Die Italienerin“ und ich sind – man kann es herauslesen – keine großen Freunde und werden es auch vermutlich nicht mehr. „Die Italienerin“ gibts aber grenzenübergreifend überall und an sich ist es garstig, ihr ein Land zuzuordnen. Bei mir ist das passiert, weil ich in Deutschland natürlich eine viel größere Auswahl an Freundinnen habe und nicht so sehr auf Zufallsbekanntschaften angewiesen bin wie in Italien. Meine erste „Italienerin“ habe ich folglich in Italien kennengelernt. Später kam noch „die Amerikanerin“ hinzu.

Fast jede Frau kennt sie, sei es vom Wochenendausflug mit Freunden oder gar vom gemeinsamen Urlaub. Die Frau, die immer zu spät kommt, immer was Wichtiges vergessen hat und nochmal zurück muss, während alle anderen bei vierzig Grad im Auto warten, die immer Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch bestellt und dann nur rumstochert. Die stundenlang braucht, um einen Nagellack auszusuchen und grundsätzlich Hummer oder Austern bestellt, während die anderen eine Pizza nehmen. Steht Arbeit an, etwa Abspülen oder Einkaufen, tut sie so lange, als wäre sie beschäftigt, bis alles erledigt ist oder sie fragt so lange, was sie tun soll, bis man genervt sagt, ach lass, ich mach das schon. Mit der etwas unterkühlten Stimmung kann sie prima umgehen, das muss man ihr lassen. Sie ja ihre Mütze.

Allein unter Bauern

Heute habe ich das ungewöhnlich warme Wetter genutzt und mich mit meiner Mutter in der Stadt getroffen. Wir haben einen Pürierstab im Geschäft meines Vertrauens gekauft und sind dann noch zum Essen gegangen. Es gibt da ein Restaurant auf unserer Prunkmeile, das einen Großteil seines Ruhmes zwei Faktoren verdankt: einem exzellenten Koch und seiner Kleinheit. Der Sohn des Besitzers meint leider, der Ruhm sei seinem Charme zu verdanken und verteilt ihn in alle Richtungen. Das soll womöglich den schwierigen Service wieder gut machen. Wo sich sein Charme heute gar nicht verfangen hat, waren die drei Damen hinter uns, die einen Cappuccino, einen Caffe Latte und ein Wasser bestellt hatten. Nein, nichts zu essen.

Als es wirklich sehr lange gedauert hat, haben sie ihm mit den Fingern geschnippt und salopp gerufen „Sie, kommen Sie mal her“, was sich bei einer hochsensiblen italienischen Gastronomenseele nicht gut verfängt. Unverständnis bis hin zur Patzigkeit war die zu erwartende Reaktion. Aber erwarten hätte ein aufmerksamer Kellner das schon, denn schließlich sind heute über zweieinhalb Tausend Bauern aus ganz Bayern nach Augsburg gekommen, um zu demonstrieren. Sie möchten in einem Restaurant bedient werden und sie möchten höhere Milchpreise und gerechtere Bezahlung, denn schließlich sorgen sie für unser Essen wie meine Mutter zu Recht festgestellt hat. Ich finde, die Kosten für Lebensmittel sind sowieso lächerlich niedrig und die für Fleisch nachgerade ein Skandal.

Fleisch und Tierprodukte müssen meiner Meinung nach wieder so hoch werden, wie vor fünfzig, sechzig oder mehr Jahren. Es ist abartig, dass ein Schnitzel 1,29 kostet und ein Billignagellack 2,99. Das ist ein Skandal und man kann gar nicht genug dagegen demonstrieren. Sobald die Preise sich ändern und zwar nach oben, ändert sich auch das Essverhalten und damit die Gesundheit der Menschen, davon bin ich überzeugt. Ich habe mal gelernt, dass das, das nichts kostet, auch nichts wert ist und das ist leider auch bei einem Tierleben, bzw. Fleisch so. Insofern konnte man heute mal wieder über Vieles nachdenken, nicht nur über die Divenhaftigkeit italienischer Kellner. Ich hatte dazu genügend Zeit, ich habe inmitten aller Traktoren und aufgebrachter Landwirte recht lange festgesteckt.

Wie kann man nur?

In meinem piepsigen kleinen Augsburg kann ich mich häufig und ausgiebig darüber auslassen, dass es offenbar nur Kapuzenpullis, Schlabberjeans und scheußliche Schuhe, für die Mädchen noch Hot Pants und Leggins zu kaufen gibt. Hier in der Welt- und Modestadt Paris hingegen kann ich mich so richtig echauffieren über aktuelle Modetrends auf der Rue St. Honoré. Heute, auf dem Weg zu meiner Lieblingsboulangerie, die ich nur ab und zu aufsuche, weil ich nicht so gefestigt bin, sie nicht zwanghaft leerzukaufen, kam ich natürlich an zahlreichen Schaufenstern vorbei. Die meisten haben so absurde Dinge ausgestellt, dass es schon etwas besonders Monströses sein muss, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Dass es geschehen ist, nachdem ich an einem Pelzgeschäft mit bunten Pelz-Sweatshirts vorbeigekommen bin, zeigt, wie unfassbar das Folgende war.

Ein Männerparka, der aussieht als hätte man einfach ein ganz dicht befelltes Tier umgestülpt und zusammengenäht. In seiner Brutalität und Monstrosität kaum an Scheußlichkeit und purer Ekelhaftigkeit zu überbieten. Ein Parka, so nutzlos wie ein Kropf in einer Zeit, in der Menschen, die das Geld dafür haben, vielleicht Langeweile, Dummheit und ihren eigenen Stumpfsinn erleiden müssen, sicherlich aber niemals ungeschützte sibirische Kälte oder andere klimatische Widrigkeiten. Während ich das schreibe, frage ich mich, warum mich ein Parka so dermaßen erbosen kann? Ich denke, es ist die völlige Sorglosigkeit der Produzenten. Ähnlich wie bei den Plastikeinkaufswagen. Sie tun es, weil sie es können und ich fühle mich dann immer wie die kleine blonde Annika aus Pippi Langstrumpf, weil ich versuche, zumindest bei ein paar Dingen, an die Wirkung meines Handelns zu denken.

WIE KANN MAN SO ETWAS PRODUZIEREN??? WIE KANN MAN NUR? Wie kann man Pelze bunt färben und sie so zu einem saisonalen Wegwerfartikel machen? Wie kann man Hunde als Accessoire herumtragen? WIE KANN MAN NUR? Wie kann man seinen Kindern einen Hund für die Sommerferien kaufen und ihn dann im Ferienhaus zurücklassen, wenn der Sommer zu Ende geht? WIE KANN MAN NUR? Es macht mich fassungslos und verzweifelt. Und all das weil ich ein Baguette kaufen wollte. Hatte nicht mal mehr Lust auf ein Törtchen.

Römische Befindlichkeiten

Manche Aufenthalte scheinen unter einem Lernmotto zu stehen oder wie ein Bekannter von mir immer zitierte: die Situation ist mein Coach. Nun haben wir in Rom ja sowieso schon viel Glück, dass wir uns wenig bis gar nicht mit Behörden rumschlagen müssen. Aufgrund unserer eher sporadischen Aufenthalte ist dieses Glück allerdings eng daran gekoppelt, dass manche Geräte, Fahrzeuge und / oder Anlagen wegen Mindernutzung ab und an beleidigt sind und dann ihren Geist aufgeben oder bocken. Die Beseitigung ist dann in der Tat ein hochlogistisches Problem, weil wir eben nicht immer da sind und leider auch römische Handwerker, so man sie findet, nicht immer auf unseren Anruf warten oder gar das können, was sie sollen.

Dieses Mal erteilt uns die Wohnung, aber auch der Verkehr, eine Lektion. Ihr seid nicht oft genug hier, kümmert euch gefälligst. Die Vespa stottert beleidigt vor sich hin, geht nur dann an, wenn sie möchte, ganze Stromkreise fallen aus und jetzt hat auch noch der Blitz den Fernseher lahm gelegt. Wobei ich gestern gelernt habe, dass es nicht die Antenne ist, die kaputt ist, sondern was dahinter oder danach, was weiß ich. Das alles kann ich ja auch verstehen. Was ich nicht verstehe und auch nicht akzeptiere ist, dass ich gestern in einem Wohngebiet einen Strafzettel über 60 Euro bekommen habe, während alle Italiener um mich herum, die in zweiter und dritter Reihe geparkt hatten, keinen bekommen haben.

Hier ist eindeutig Absicht zu erkennen, denn ich habe niemanden behindert. Was mich an dieser Geschichte am meisten ärgert ist, dass das Geld ja mitnichten dem völlig maroden Straßensystem zugute kommt – nach wie vor sind die besten Straßen in Rom diejenigen, die von germanischen Sklaven gebaut worden sind -, sondern wieder in irgendwelche obskuren Kanäle fließen. Aber leider, leider bin ich auch für die Aufdeckung und Beseitigung solcher Missstände zu wenig in Rom. Wo wir heute hinfahren, können wir bedenkenlos parken, da ist von Anfang an klar, was man von uns möchte: Geld (für Kleidung).

Keine Plastiktüten mehr verwenden, lieber Einkaufswagen aus Plastik

Es ist mir schon länger aufgefallen. Immer wieder und an unterschiedlichen Orten. Ob beim Kinderspielzeug, bei Baustellenzäunen, die früher aus Metall waren und heute aus Plastik, bei Einkaufswagen, die früher aus Metall waren und heute aus Plastik, bei Pappbechern, die früher aus Pappe waren und heute aus Plastik – egal, wohin man den umweltbesorgten Blick wendet: es wird mehr Plastik denn je verwendet. Es wird von Firmen produziert, von Firmen verkauft und von anderen Firmen gekauft. Das sind dann dieselben Geschäfte, die für Plastiktüten aus Umweltgründen 10 Cent verlangen. Ich meine die, die jetzt Plastikeinkaufswagen haben.

Halten die uns alle für doof?

So ein Käse

Als ob es nicht schon genug Skandale und Aufreger gäbe, wenn man die Nachrichten liest, was kaum ein Mensch mehr ohne Extrasistolen tun kann, kommt nun auch noch der Käseskandal hinzu. Das wackere Italien schreit angesichts der neuen Verordnungen aus Brüssel entsetzt und empört auf, weil ab bald für die Käseproduktion auch Milchpulver verwendet werden darf. Nicht genug damit, dass etliche kleine Käsereien schließen mussten als die Verordnung kam, dass die Produktionsräume gekachelt und die Tische und Gefäße aus Metall sein müssten, nun auch noch das. Der Geschmack wird leiden und viele Kleinbetriebe auch. Aber das ist denen, die längst aus dem Hintergrund unsere Welt lenken, schnurzegal.

Nestlé und Danone möchten ihre Waren in Supermärkten platzieren. Am liebsten irgendwie vorbehandelt, damit man sie schön verpacken und bewerben kann. Kartoffeln, die gewaschen und vorgekocht sind, Kartoffeln, die geschnitzt sind, Gemüse in einer Mischung, Salat in einer Mischung, alles so, dass der Ignorant den Eindruck hat, frisch zu kochen, obwohl er mit diesen Waren bestenfalls einen Schritt weiter als mit Mikrowellenessen ist. Alles, um Zeit zu sparen. Wofür? Um sich aus Sofalandschaften mit integrierten Tabletts und Safthaltern Fotos zu schicken, was man gerade isst? Oder um Spiele an so einem Ding zu spielen und das alles dann mit der Realität zu verwechseln? Oder vielleicht gar um Kochshows zu sehen?

Denn die nehmen trotz gegenteiliger Verkündung immer mehr zu. Für alles gibt es inzwischen eine Show. Für Tattooentfernung, minderjährige Mütter, Haus- und Wohnungseinrichtung und das Kuchenbacken sowieso. Mich erinnert das alles an dieses Spiel, das es vor Jahren im Internet gab, „second life“ oder so hieß es. Darin konnte man alles tun, was man auch im echten Leben tut – plus Schicksal spielen. Und offenbar ist es das, was die Menschen wünschen. Scripted Reality für ihr eigenes Leben. Sich von jedem sagen lassen, was sie tun sollen. Nichts mehr selbst tun oder entscheiden, alles keim- und allergiefrei und künstlich. Huch, wie bin ich jetzt in so einen Beitrag hineingeschlittert? Keine Ahnung! Vermutlich unterzuckert, Zeit für ein Stück Parmesan.

Ich will jetzt Herbst

Um mich herum tirilieren die Menschen, die gerade erst aus ihrem schulferienmotivierten Urlaub zurück gekommen sind, wie schön warm es noch ist und wie nahezu wunderbar diese Tage mit der nicht enden wollenden Hitze sind. Ich möchte an dieser Stelle mal sagen: Es ist jetzt Herbst, wir hatten einen ewig langen Sommer mit irrsinnig vielen Sonnentagen und jetzt ist auch mal gut. Es muss einfach mal gut sein. Graue Wolken alleine reichen mir nicht, ich möchte es auch kalt haben. Zumindest kühl und windig. Ich finde diese Hitze unerträglich und total doof. Ich möchte Herbstsachen anziehen, Jacken, andere Schuhe, denn Sandalen und Sommerfähnchen gehen jetzt eh nicht mehr, derweil ist es für alles andere einfach zu heiß.

Da kann und muss man doch einfach zornig werden. Ist doch alles völlig widernatürlich so eine idiotische Hitze im Herbst. Ja, ich weiß, ich habe letztes Jahr noch sehr entzückt über den Altweibersommer geschrieben, aber da hatten wir auch nicht diesen andauernden Sommer, der einige von uns schon ganz wuschig gemacht hat. Jetzt geht man morgens für die grauen, bleiernen Wolken gekleidet aus dem Haus, die dann zuverlässig gegen Mittag den blauen Kuhflecken weichen und eine stechende ungesunde Sonne durchlassen. Da ist man aber schon angezogen für die vierzehn Grad am Morgen, die ich persönlich auch gerne halten würde über den Tag. Und ab dann wird es einem immer heißer und heißer und heißer. Und das Mitte September.

Um mich herum heißt es, es gäbe sicher einen ganz, ganz kalten Winter, aber das glaube ich nicht. Wird bestimmt voll warm. Bin verärgert. Habe die Terrassentüre auf und mir ist heiß. Ich will aber nicht mehr draußen sitzen. Nicht mehr jetzt. Nächstes Jahr wieder. Ich weiß, ich bin alleine mit dem Wunsch. Das macht es noch viel schlimmer.