Typveränderung

Ich war heute beim Friseur und habe für meine Verhältnisse fast schon eine Typveränderung vornehmen lassen. Nun ändern sich Menschen ja normalerweise nicht wirklich, sondern wechseln höchstens die Moden, Haare oder eben die Angewohnheiten, wie wir jüngst besprochen hatten. Aber ich fühle mich verändert und wenn das schon bei ein paar Zentimetern einsetzt, was erleben Menschen dann, die bei Germanys Next Topmodell mitmachen und sich dort die Haare um ca. einen halben Meter abschneiden lassen? Ja, ja, Sie haben richtig gelesen. Ich schaue mir sporadisch die Folgen dieser GNTM-Folge an. Ich finde sie nicht mehr so blöd und auch, dass die Moderatorin sich tatsächlich in ihrem Verhalten gewandelt hat. Geht halt nicht, wenn man immer nur garstig und schadenfroh ist. Da zum Beispiel ist eine Verhaltensänderung notwendig und möglich, ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass sie sich insgesamt gewandelt hat.

In der gestrigen Folge war der zweite Teil des Paares dabei, über das ich schon im Rahmen hirnloser Fotografierwut im intimen Rahmen philosophiert hatte. „Honey“ heißt er, was ab dem dritten Ruf ein klitzekleines Bisschen artifiziell und nicht mehr ganz so authentisch klingt wie in einem dieser netten 70er Jahre Songs. Honey hatte es von Anfang an nicht einfach, weil er sich im entscheidenden Moment, der Bewährungsprobe einer jeden Beziehung und dem Höhepunkt der ganzen Staffel, dem Umstyling, ausgesprochen unsensibel zur neuen Kurzhaarfrisur seiner Freundin geäußert hat. Nun steht die Frage, ob man in einer Beziehung immer bedingungslos ehrlich sein sollte und ob die Beziehung und der Partner das auch wirklich wollen oder aushalten. Mein Mann zum Beispiel darf es bei abwendbaren Entscheidungen durchaus sein und er ist weltweit der Einzige, dem ich blind vertraue, wenn es um Outfits geht. Er ist da ein intuitiver Checker. Muss mal gesagt sein. Aber wenn die Haare mal ab sind? Dann Prost, Mahlzeit bei zuviel Ehrlichkeit, die nicht in Euphorie gipfelt.

Also jedenfalls hat der Honey ganz schnell die Rolle des eitlen Bachelor-Anwärters bekommen und wenn Sie jetzt um mein intellektuelles Niveau besorgt sind: Keine Sorge: ich weiß auch, dass es Mauretanien gibt und Riesenspinnen und manche Menschen Schafsaugen essen, deshalb muss ich es nicht selbst getan haben. Honey konnte einfach gar nichts richtig machen und wurde nicht nur in der Modelvilla, sondern auch im Rahmen des Rohmaterials geschnitten. Und zwar so, dass es auf die bereits vorhandene Meinung gepasst hat. Nicht nett. Nicht, dass der Honey besonders nett scheint, aber das war eben auch nicht nett. Tatsache ist: es gibt bestimmte Typen, die ändern sich einfach nicht, die gehen immer genau dahin, wo sie gesucht werden, aus welchen Gründen auch immer. Und ich gehe mit meinen kurzen Haaren auch genau da hin, wo ich gebraucht und gesucht werde, nämlich in den SOMMER!!!

Rüstungen

Gestern war ich auf der Geburtstagsfeier einer Boutique. Ich habe meine Mutter begleitet und obzwar ich ohne sie meiner Einladung gar nicht gefolgt wäre, war ich doch selten in meinem langen Leben so froh, sie dabei gehabt zu haben. Als wir ankamen, wäre ich am liebsten auf ihren Schoß gekrabbelt und weiß gar nicht mal, warum eigentlich. Es ist ja nicht so, dass ich nicht herum käme und auch zu durchaus furchteinflößenden Events an Orten, deren Sprache ich weder in Wort noch Schrift beherrsche, eingeladen wäre. Präsentationen vor Vorständen lassen mich zwar nicht kalt, aber ich hatte noch nie den Impuls, einfach wegzulaufen. Gestern war das so. Ich frage mich, warum?

Augsburg ist nämlich auch nicht gerade ein Pflaster, in dem es hochmodisch zugeht und auch unter diesem Aspekt hätte ich mich keineswegs verstecken müssen, aber irgendwas war es, was einen ausgesprochenen Fluchtinstinkt aktiviert hatte. Die anwesenden Damen waren durchweg recht scheußlich und – wie ich finde – völlig falsch angezogen. Sie trugen Turnschühchen und Daunenjacken und dazu Glitzertaschen, grade so, als hätten sie einfach alles, was mal ein Must-have (in Augsburg) war, übergeworfen. Wie Rüstungen sahen die Kombinationen aus. Das war letzte Woche bei unserem lokalen Kosmetikproduzenten (ja, ja, ich komm rum, ich weiß) zwar ähnlich, aber dann eben doch völlig anders. Da waren auch recht schrille Vögel, aber es gab ein gemeinsames Abendessen und währenddessen haben wir herzlich über Dieses und Jenes lachen können und schieden als nahezu beste Freundinnen (für diesen Abend).

Woran liegt es also, dass es hier so anders war? Ich glaube, das Geheimnis ist ebenso simpel wie bekannt: wir haben uns nicht unterhalten. Und nicht gemeinsam gegessen. Denn in fast jeder Unterhaltung oder bei einem gemeinsamen Essen stellt sich heraus, dass die Andere oder der Andere auch nur mit Wasser kocht und vielleicht nicht wusste, was anziehen oder sich kurz vor dem ins Auto steigen noch Orangensaft über das eigentliche Outfit geschüttet hat. Es läuft also immer wieder aufs Selbe hinaus: Menschen müssen miteinander essen und sprechen, um sich zu mögen oder zumindest zu verstehen. Denn kurz bevor wir fluchtartig den Ort des Grauens verlassen wollten, setzte sich eine Dame neben mich und fragte: „Wollen wir ein bisschen miteinander reden? Was halten Sie von den anwesenden Damen? Es sah so nett aus, wie sie mit ihrer Mutter geplaudert haben.“ Also bitte, Reden macht aus fast allen Rüstungsträgern Menschen.

Contouring, Profilierung, wenig Stil

Nach so viel Lob hatte ich beinahe Ladehemmungen für den nächsten Blogbeitrag. Zum Glück habe ich mit Mare telefoniert, die mir von ihrem Friseurbesuch berichtet hat, bei dem sie vom Friseur über das superangesagte Contouring informiert worden ist. Das wird offenbar gerne von ansonsten eher konturlosen Frauen praktiziert, respektive solchen, die alleine auf ihrem Po eine recht konturierte Kraterlandschaft vorfinden könnten. Wir sprechen natürlich von dieser amerikanischen Familie, die neben Promiskuität und Fettleibigkeit auch mit Geschlechtsumwandlungen und Drogenproblematik von sich reden macht. Auch schmächtige, blassgesichtige Moderatoren, die vermutlich auf dem Schulhof nicht mitspielen durften, geben ihrer Rachsucht an der Menschheit den Namen Sartire und mäandern beleidigend durch die Welt. Sie sagen all die Worte, die sich vorher nicht trauten zu sagen und profilieren sich auf Kosten anderer damit. Das wiederum ist Contouring in der Medienbranche.

Überhaupt ist beim Schminken Vieles ähnlich wie in Mode oder Werbung, jeden Tag wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben und das Allerbeste ist es meist, man hört und sieht nicht hin und bleibt seinem Stil treu. Ich würde mich selbst nicht direkt als modischen Typ bezeichnen – sicher, es entgeht mir nicht, wenn Hosen von schmal zu weit gehen, aber so richtig mitgehen tu ich nicht, es steht mir einfach nicht. Zumindest nicht in der Freizeit. Bei Terminen ist es was völlig Anderes. Am Wochenende war ich auf einem herrlichen Fest eingeladen, bei dem ich viele Bekannte von früher wiedergesehen habe. Den Meisten geht es sehr gut und sie sind in der glücklichen Lage, nicht direkt sparen zu müssen. Aber fast keine der Frauen käme auf die Idee, ihr Geld für supermodische Kleidung zu irre teuren Markenartikelrn zu tragen. Wir waren uns alle einig: Basics dürfen sündhaft teuer sein, mäßig eingesetzter modischer Schnickschnack kann saisonal bei H&M oder Zara zugekauft werden (ja, ich weiheiß, es wird unter grauenvollen Bedingungen produziert, aber bei Prada ist das ähnlich, da wird auch nicht alles von der Nonna in einem hübschen Steinhaus in der Toskana zusammengestichelt, obwohl man das bei den Knöpfen durchaus manchmal meinen möchte).

Mit dem Contouring ist es nicht viel anders. Eine Frau, die ihr Leben lang blutroten Lippenstift getragen hat, ist immer auf der sicheren Seite, sie muss nicht hier und dort einen Schatten aufmalen, damit ihr Gesicht mehr Tiefe und höhere Wangenknochen bekommt. Ein Mensch, der etwas zu sagen hat und bei sich ist, hat keine persönlichen Angriffe unter der Gürtellinie nötig.

Bewährtes und Neues

Heute feiert unser Blog den zweiten Geburtstag. Nicht direkt den der Geburtsstunde, aber vor zwei Jahren war der Tag, an dem ich in den Tuilerien beschlossen habe, aus ganz besonderem Anlass möglichst regelmäßig etwas zu schreiben. Ich habe das nur einer einzigen Person mitgeteilt, aber weil Menschen zum Glück neugierig sind, haben es inzwischen Einige herausgefunden und lesen mit. Fein. Wie notwendig Neugier ist und wie schön es ist, dass sie heutzutage recht einfach zu befriedigen ist, haben wir auf einem Fest am Wochenende herausfinden können. Wir waren auf einem Geburtstag eingeladen, der wunderschön und liebevoll organisiert und vorbereitet worden ist und das Motto „60er Jahre“ hatte. Was man trägt, konnten uns weitgehend unsere Mütter sagen, wie man sich schminkt mussten wir im Internet herausfinden. Wahnsinnig praktisch.

Was nicht so praktisch war (zum Glück hat sie auch sonst kaum praktische Aspekte) ist meine neue Handtasche. Sie ist ein kapriziöses kleines französisches Ding, recht steif, dafür farbenfroh und mit einigen Überraschungen. Wunderbar. Ich hatte sie bislang erst zu ein paar Gelegenheiten mitgenommen, aber eine Reise zu so einem schönen, fröhlichen Anlass war natürlich ein perfektes Coming out für sie. Sie hat sich blendend gefühlt und auch so verhalten. Einzig ich habe einen entscheidenden Fehler gemacht und nicht bedacht, dass wir uns noch nicht so lange kennen und sie meine Bedürfnisse noch nicht so gut kennen kann, ihnen vielleicht in diesem Umfang gar nicht gewachsen ist. Das muss noch herausgefunden werden.

Im Allgemeinen verhält es sich so, dass ich das Packen lange vor mir herschiebe, grantig werde, mich dann grause und anfange. Dann packe ich in fünf bis zehn Minuten und höre wieder auf, werfe dann noch recht wahllos Dinge in die oder den Koffer und vertraue auf, tja, auf meine Handtasche. In ihr sammelt sich – trotz bester Vorsätze – in kürzester Zeit ein halber Hausstand an. Und zwar in jeder von ihnen. Vom Desinfektionsgel, über kleine Parfüms, Lippenstifte (logo), Taschentücher, Haarbürsten, Fusselbürsten, Espresso-Schokoladen- oder Keksbeigaben (die übrigens immer sofort zu Krümeln werden und die ich deshalb gar nicht erst einstecken müsste), Notizbücher, Haargummis, etc. Nur das Notwendigste eben. Darauf habe ich mich verlassen, aber das konnte die Neue ja noch nicht wissen. Auch das Internet konnte hier nicht helfen, aber gerade zu Beginn einer Beziehung ist man ja langmütig und so ist natürlich alles ohne Krise oder gar Streit verlaufen. Ganz wie bei unserem Blog.

Das spar ich mir

Heute Morgen – Montagmorgen bin ich meist sehr früh aktiv – habe ich etwas Faszinierendes gelesen und zwar in der Art, dass ich einfach noch gar nie davon gehört habe und es sich nicht um Kernphysik oder Astronomie oder sonstwas Schreckliches handelt, sondern um etwas, das mir als Schwaben doch eigentlich im Blut liegen müsste. Ich habe über Sparklubs und Sparkneipen gelesen. Tatsächlich gab es Anfang letzten Jahrhunderts bis weit in die Mitte ebendieses hinein Sparklubs in Kneipen. Der Wirt hatte dazu einen Sparschrank für seine Kunden, in den sie wöchentlich einbezahlen sollten oder mussten. Taten sie es nicht, wurden sie teils auch mit einem Strafzins belegt. Der Wirt hat das Geld dann eingesammelt und zur Bank getragen, wo es verwaltet und verzinst und so weiter wurde. Für Seeleute wurden diese Kneipensparclubs einst in Hafenstädten angelegt, damit die ihren Sold beim ersten Landgang nicht komplett hirnlos versoffen. Man hat sie quasi dort abgeholt, wo ihre Schritte sie als Erstes hingeführt haben.

Nun hat jede Münze bekanntlich zwei Seiten und so birgt auch der Kneipensparclub mit den besten Absichten Gefahren, die auf der Hand liegen. Wenn nämlich beim Gang zum Sparschwein dreimal so viel ausgegeben wird als ohne Sparabsicht. In Kneipen ist die Gefahr natürlich besonders groß. In Outlets oder beim Schlussverkauf aber auch. Das ist durchaus kontraproduktiv. Zumindest für den Sparwilligen. Unerschütterliche Optimisten würden nun argumentieren: Saufen tut er eh und so spart er wenigstens ein bisschen was, aber Schnäppchenjäger aus unseren Tagen wissen, dass das nicht so ist. Die Spar-und Schnäppchenkultur unserer Tage kann einen da nämlich auch ziemlich ins Trudeln bringen. Schon mein Vater fragte mich mit hochgezogener Augenbraue, wenn ich ihm meine sagenhaften Einsparungen bei Schuhen und Mänteln vorgerechnet habe, ob ich nun Waren oder Reduzierungen gekauft hätte. Hm. Ein bisschen beides.

Das Sparen, das Schlauersein als andere liegt Frauen oft im Blut. Sie kaufen sich nicht nur ein Paar mördercoole Schuhe, sondern auch noch ein blütenreines Gewissen, das sie ja nicht hätten, würden sie die Schuhe nicht kaufen. Denn die Theorie, wer gar nichts kaufe, spare am meisten, hinkt ja gewaltig. Dann wäre ja Derjenige der beste Mensch, der nicht aufsteht und nie was tut, weil er dann auch nicht Falsches oder Böses tut und gut und richtig handeln kann man ja nur, wenn man überhaupt erst in die Situation kommt und vor der Entscheidung steht. Sonst könnte ich mich bereits jetzt zurücklegen und erleichtert sagen, ich war gerade auf einer Seite für Luxusyachten und habe 1,25 Mio gespart, weil ich keine gekauft habe. Schwachsinn. Nur für Feiglinge. Sparen ist und bleibt eine hohe Kunst und man muss sich bei jeder Spargelegenheit ehrlich und ernsthaft fragen: würde ich es auch für den Normalpreis kaufen? Bei mir eindeutig: nein. Es gibt fast gar nichts, das ich so gerne möchte und nicht darauf warten kann. Wird es nicht reduziert, spar ich es mir. Außer bei Handtaschen. Oder Schuhen. Das ist was Anderes.

Handtaschen

Wie versprochen und durchaus auch aus gegebenem Anlass folgt der Beitrag über Handtaschen und an dieser Stelle muss ich mich wundern und auch entschuldigen, dass es so wahnsinnig lange gedauert hat, bis dieses lebenswichtige Thema behandelt wurde. Handtaschen. Sie sind offenbar so selbstverständlich wie Atmen, Essen, Schlafen. Vielleicht habe ich deshalb noch nicht darüber geschrieben. Es ist mir unerklärlich. Mein erster Chef hatte seinen Lieblingsspruch, der durchaus auch auf unsere liebsten Begleiter zu übertragen ist: Umsatz ist nicht alles, aber ohne Umsatz ist alles nichts. Dem ist wenig hinzuzufügen.

Eine meiner ersten schärferen Diskussionen mit meinem damals brandneuen Ehemann hatte ich wegen meiner Handtasche. Fröhlich und glücklich darüber, nicht mehr alleine die Last des Lebens tragen zu müssen, warf er mir in munterer Folge seine Habseligkeiten und Dinge, von denen er der Meinung war, sie seien es wert, aufgehoben zu, aber nicht von ihm getragen zu werden, in die Tasche. Damals, vor vielen, vielen Jahren war die Mode noch keineswegs dieselbe wie heute und Handtaschen waren eher klein. Mich hätte das im Hormonrausch noch nicht mal so sehr gestört, wäre nicht alle paar Minuten die Aufforderung gekommen, bitte mal das Handy, das Geld, die Autoschlüssel etc. zu reichen. Das ist ähnlich wie mit Bananenschalen oder Bonbonpapier: Passt man da nicht frühzeitig auf, bekommt man es wie die Mutter eines Dreijährigen in die Hand gedrückt. Wehret den Anfängen! sage ich da nur!

Diese an sich ja entzückende Unsitte, die voller Urvertrauen und Bequemlichkeit steckt, haben wir recht zügig abgeschafft und auf Sondersituationen reduziert. Bei Reisen, wenn mein Mann alle Koffer zum Auto schleppt, wir einen Stadtbummel in einer großen fremden Stadt machen….und so weiter. Ansonsten kann ich zu Handtaschen nach diesem speziellen Wochenende nur Folgendes sagen: es mag ja sein, dass es It-Bags gibt und es mag auch sein, dass man nicht sehr hipp ist, wenn man sie nicht hat, aber wenn auf einer urigen Berghütte auf einmal drei identische Taschen auf jahrhundertealten Bänken stehen, kommt man schon ins Grübeln, wie weit es mit der Individualität und dem Selbstbewusstsein her ist.

Alles ändert sich. Auch der Stil.

Ich bin immer noch nicht viel weiter mit dem Fotobuch. Ärgerlich. Das Programm stürzt laufend ab und außerdem hat es sich verändert. Ich hasse diese zwanghaften Veränderungen. Meist sind sie zum Schlechten. Das kann man übrigens auch beim Kleidungsstil betrachten. Leider. Schaut man sich Fotos oder Filme von vor fünfzig, sechzig Jahren an, findet man fast durchgängig gut gekleidete Menschen. Im Büro, aber auch in der Freizeit. Heute tu ich mir bei meinen Projekten schwer zu unterscheiden, wer in der Werkstatt, als Praktikant oder Geschäftsführer arbeitet. Nicht, weil die meisten wie früher üblich einen Anzug oder Kostüm tragen, sondern weil sie eben fast ausschließlich Jeans, Leggins und wahlweise Holzfällerkaros oder Kapuzenpullis tragen.

Klar, sind alles Mords-Talente, die in ihrem Beruf glänzen und vielleicht gehen sie ja auch nicht gerne ins Büro und möchten das somit zum Ausdruck bringen. Aber erstaunlicherweise erscheinen sie auch so, wenn sie zu einem Fest eingeladen sind, für das sich der Gastgeber viel Mühe gegeben hat. Stiefel am Abend sind dann ebenso vertreten wie sehr erwachsene Männer mit Schlabberpulli und Jeans. Erstaunlich. Einen großen Vorteil hat das allerdings: nie war es einfacher, als gut gekleidet gebrandmarkt zu werden. Seit Zara, H&M und Mango ist es keine Frage des Geldes mehr, sich der Situation und anderen gegenüber angemessen zu kleiden. Es ist ausschließlich eine Frage der Bequemlichkeit geworden. Leider.

Für mich ist es völlig unverständlich, wieso einem so wichtig ist, anderen zu demonstrieren, dass man keinen Wert auf Formen oder den jeweiligen Anlass legt und sich selbst damit vermeintlich über die Dinge stellt. Die wenigsten schnoddrig gekleideten Kapuzen- und T-Shirtträger glänzen mit Esprit und lassen einen die Erscheinung vergessen. Im Gegenteil, sie präsentieren ihre Worte und Ansichten, so sie welche haben, genauso unengagiert wie sich selbst. Warum gehen sie dann aus dem Haus? Warum unter Menschen? Kleidung reduzieren sie damit wieder auf Neandertalniveau, denn sie dient offenbar ausschließlich dem Nichtfrieren und der Bequemlichkeit. Wie Nahrungsaufnahme übrigens. Sehr schade.

Eiszeit ist Eiszeit

Wenn eine Italienerin beschließt, dass es Winter ist und genau der richtige Zeitpunkt für die neue Mütze und die warme Daunenjacke, dann ist ihr das Wetter dabei herzlich egal. Während schlichtere Zeitgenossen bei knapp zwanzig Grad immer noch im T-Shirt herumstromern, setzt sie sich an der Supermarktkasse, bevor sie rausgeht – die Mütze auf, zieht die Jacke ganz zu und stülpt die Sonnenbrille über. Ganz so als wäre sie im mondänen Madonna di Campiglio. Bloß, was zieht sie dann dort an? Ganz einfach, sie sagt jedem, dass es so widernatürlich kalt war, dass sie trotz bester Vorsätze einfach nicht raus gehen konnte. Keiner könne das.

Damit versaut sie ihrem Mann und allen anderen den (Ski)Urlaub, aber das ist nicht schlimm für sie, denn sie empfindet das keineswegs so. „Die Italienerin“ und ich sind – man kann es herauslesen – keine großen Freunde und werden es auch vermutlich nicht mehr. „Die Italienerin“ gibts aber grenzenübergreifend überall und an sich ist es garstig, ihr ein Land zuzuordnen. Bei mir ist das passiert, weil ich in Deutschland natürlich eine viel größere Auswahl an Freundinnen habe und nicht so sehr auf Zufallsbekanntschaften angewiesen bin wie in Italien. Meine erste „Italienerin“ habe ich folglich in Italien kennengelernt. Später kam noch „die Amerikanerin“ hinzu.

Fast jede Frau kennt sie, sei es vom Wochenendausflug mit Freunden oder gar vom gemeinsamen Urlaub. Die Frau, die immer zu spät kommt, immer was Wichtiges vergessen hat und nochmal zurück muss, während alle anderen bei vierzig Grad im Auto warten, die immer Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch bestellt und dann nur rumstochert. Die stundenlang braucht, um einen Nagellack auszusuchen und grundsätzlich Hummer oder Austern bestellt, während die anderen eine Pizza nehmen. Steht Arbeit an, etwa Abspülen oder Einkaufen, tut sie so lange, als wäre sie beschäftigt, bis alles erledigt ist oder sie fragt so lange, was sie tun soll, bis man genervt sagt, ach lass, ich mach das schon. Mit der etwas unterkühlten Stimmung kann sie prima umgehen, das muss man ihr lassen. Sie ja ihre Mütze.

Sie sind zurück

Karl und Gertrud sind zurück. Und sie haben Freunde mitgebracht. Wer hier regelmäßig mitliest, weiß, dass ich in letzter Zeit viel unterwegs war. Diese Zeit haben die geflügelten Monster genutzt und sich – zumindest lassen die Spuren das vermuten – Freunde in Form von Schwänen eingeladen. Anders ist das, was auf meinem Balkon stattgefunden hat, nicht zu erklären. Keine Taube der Welt kann so große Haufen (Häufen?) produzieren! Und wenn ich von meiner Warte, dem Schreibtisch aus, nach draußen sehe, erblicken meine geschulten Augen inzwischen auch eine Meise, die sich an meine Markise hängt und am Wasserablauf rumturnt.

War das wirklich ich, die noch vor Monaten geschrieben hat, dass sie weg sind? Verschwunden? Habe ich vielleicht sogar einen wehmütigen Unterton gehabt? Ich glaube kaum! Jedenfalls sind sie genauso wieder aufgetaucht wie meine vorletzte verbleibende Jeans. Ich habe dieses Kleidungsstück irgendwann mal unterbewusst aussortiert aus meinem hängenden Kleiderschrank, weil ich irgendwie finde, dass die Zeit dafür rum ist (habe mir allerdings eine neue Jeans bestellt, soviel dazu). Nun, heute Morgen habe ich jedenfalls auf der Suche nach einer Strickjacke (wir haben hier in Augsburg morgens minus 1 Grad und weil ich einen Münchner Radiosender eingestellt habe, muss ich mir bei Nebelsuppe den ganzen Tag die Lobhudeleien auf den strahlenden Sonnenschein in München und die prima 18 Grad anhören, zumindest wenn ich Auto fahre, sonst höre ich niemals Radio), die vom Bügel gerutscht war, eben jene Jeans gefunden und sie arglos angezogen.

Die Zeit lässt alles vergessen, Geburten, Kater, Tauben alles. Auch Jeans. DESHALB habe ich sie in die Liegendabteilung verbannt, ganz klar! Sie haben keinen Stretch! Kein klitzekleines Bisschen. Wie lange ist das her, dass ich so etwas nicht mehr getragen habe? Sicherlich wesentlich länger als Karls und Gertruds letzter Auftritt. Aber sicher genauso unangenehm! Ich habe nun also die Spuren dieser Dreckstauben so weit als möglich beseitigt und mich dabei so schmutzig gemacht, dass ich leider, leider auch die Jeans ausziehen musste. Ein Gutes hatten sie ja dann.

Wie kann man nur?

In meinem piepsigen kleinen Augsburg kann ich mich häufig und ausgiebig darüber auslassen, dass es offenbar nur Kapuzenpullis, Schlabberjeans und scheußliche Schuhe, für die Mädchen noch Hot Pants und Leggins zu kaufen gibt. Hier in der Welt- und Modestadt Paris hingegen kann ich mich so richtig echauffieren über aktuelle Modetrends auf der Rue St. Honoré. Heute, auf dem Weg zu meiner Lieblingsboulangerie, die ich nur ab und zu aufsuche, weil ich nicht so gefestigt bin, sie nicht zwanghaft leerzukaufen, kam ich natürlich an zahlreichen Schaufenstern vorbei. Die meisten haben so absurde Dinge ausgestellt, dass es schon etwas besonders Monströses sein muss, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Dass es geschehen ist, nachdem ich an einem Pelzgeschäft mit bunten Pelz-Sweatshirts vorbeigekommen bin, zeigt, wie unfassbar das Folgende war.

Ein Männerparka, der aussieht als hätte man einfach ein ganz dicht befelltes Tier umgestülpt und zusammengenäht. In seiner Brutalität und Monstrosität kaum an Scheußlichkeit und purer Ekelhaftigkeit zu überbieten. Ein Parka, so nutzlos wie ein Kropf in einer Zeit, in der Menschen, die das Geld dafür haben, vielleicht Langeweile, Dummheit und ihren eigenen Stumpfsinn erleiden müssen, sicherlich aber niemals ungeschützte sibirische Kälte oder andere klimatische Widrigkeiten. Während ich das schreibe, frage ich mich, warum mich ein Parka so dermaßen erbosen kann? Ich denke, es ist die völlige Sorglosigkeit der Produzenten. Ähnlich wie bei den Plastikeinkaufswagen. Sie tun es, weil sie es können und ich fühle mich dann immer wie die kleine blonde Annika aus Pippi Langstrumpf, weil ich versuche, zumindest bei ein paar Dingen, an die Wirkung meines Handelns zu denken.

WIE KANN MAN SO ETWAS PRODUZIEREN??? WIE KANN MAN NUR? Wie kann man Pelze bunt färben und sie so zu einem saisonalen Wegwerfartikel machen? Wie kann man Hunde als Accessoire herumtragen? WIE KANN MAN NUR? Wie kann man seinen Kindern einen Hund für die Sommerferien kaufen und ihn dann im Ferienhaus zurücklassen, wenn der Sommer zu Ende geht? WIE KANN MAN NUR? Es macht mich fassungslos und verzweifelt. Und all das weil ich ein Baguette kaufen wollte. Hatte nicht mal mehr Lust auf ein Törtchen.