Rüstungen

Gestern war ich auf der Geburtstagsfeier einer Boutique. Ich habe meine Mutter begleitet und obzwar ich ohne sie meiner Einladung gar nicht gefolgt wäre, war ich doch selten in meinem langen Leben so froh, sie dabei gehabt zu haben. Als wir ankamen, wäre ich am liebsten auf ihren Schoß gekrabbelt und weiß gar nicht mal, warum eigentlich. Es ist ja nicht so, dass ich nicht herum käme und auch zu durchaus furchteinflößenden Events an Orten, deren Sprache ich weder in Wort noch Schrift beherrsche, eingeladen wäre. Präsentationen vor Vorständen lassen mich zwar nicht kalt, aber ich hatte noch nie den Impuls, einfach wegzulaufen. Gestern war das so. Ich frage mich, warum?

Augsburg ist nämlich auch nicht gerade ein Pflaster, in dem es hochmodisch zugeht und auch unter diesem Aspekt hätte ich mich keineswegs verstecken müssen, aber irgendwas war es, was einen ausgesprochenen Fluchtinstinkt aktiviert hatte. Die anwesenden Damen waren durchweg recht scheußlich und – wie ich finde – völlig falsch angezogen. Sie trugen Turnschühchen und Daunenjacken und dazu Glitzertaschen, grade so, als hätten sie einfach alles, was mal ein Must-have (in Augsburg) war, übergeworfen. Wie Rüstungen sahen die Kombinationen aus. Das war letzte Woche bei unserem lokalen Kosmetikproduzenten (ja, ja, ich komm rum, ich weiß) zwar ähnlich, aber dann eben doch völlig anders. Da waren auch recht schrille Vögel, aber es gab ein gemeinsames Abendessen und währenddessen haben wir herzlich über Dieses und Jenes lachen können und schieden als nahezu beste Freundinnen (für diesen Abend).

Woran liegt es also, dass es hier so anders war? Ich glaube, das Geheimnis ist ebenso simpel wie bekannt: wir haben uns nicht unterhalten. Und nicht gemeinsam gegessen. Denn in fast jeder Unterhaltung oder bei einem gemeinsamen Essen stellt sich heraus, dass die Andere oder der Andere auch nur mit Wasser kocht und vielleicht nicht wusste, was anziehen oder sich kurz vor dem ins Auto steigen noch Orangensaft über das eigentliche Outfit geschüttet hat. Es läuft also immer wieder aufs Selbe hinaus: Menschen müssen miteinander essen und sprechen, um sich zu mögen oder zumindest zu verstehen. Denn kurz bevor wir fluchtartig den Ort des Grauens verlassen wollten, setzte sich eine Dame neben mich und fragte: „Wollen wir ein bisschen miteinander reden? Was halten Sie von den anwesenden Damen? Es sah so nett aus, wie sie mit ihrer Mutter geplaudert haben.“ Also bitte, Reden macht aus fast allen Rüstungsträgern Menschen.

2 Gedanken zu „Rüstungen“

  1. Das ist schon was ganz Spezielles, die Damen im römischen Feldlager. Man wäre halt schon arg gern in München zu einem derartigen Event. Da das nicht möglich ist, geht man stolz und sehr aufgebrezelt im römischen Feldlager aus. Es war wieder ein Lehrstück. Jede hatte Angst, nicht die Schönste zu sein, was ja dann auch den Tatsachen entsprach, als die sehr verehrte Bloggerin an der Hand ihrer Mutter, hihihi… den Ort des Geschehens betrat. Es ist immer ungeschickt, modische Highlights zu kaufen und zu tragen, wenn diese nicht ein Selbstverständnis sind. Man kann doch nicht Riemchenstilettos, die soviel kosten wie meine neue Waschmaschine, mit blickdichten Strümpfen tragen. Oder ultraflache Ballerinas mit Spitzenfüsslingen gegen Blasen. Da werd ich wahnsinnig. Einige der reifen Damen hatten auch ihre hilflosen, stummen Männer als Eskorte dabei. Auch nett. Alles in Allem, der Champagner war gut, ich habe die sehr verehrte Bloggerin wieder heil aus der Veranstaltung genommen und bin jetzt wieder froh mit Euch, mit Dir Mare zu plaudern.

  2. Ja um Gottes Willen ! Sitze hier auf dem Sofa schmunzelnd und freue mich über diesen Beitrag! Ich kenne diese Boutique ja und sehe dieses Szenario förmlich vor mir und habe das Gefühl, dabei gewesen zu sein. So, jetzt erst mal die Weisheit des Tages „Neid und Missgunst“ sage ich nur, ist die größte Herausforderung unserer Gesellschaft! Von wegen, die wussten nicht, was sie anziehen sollen. Die haben alles Teure, zuletzt gekaufte angezogen, damit alle anderen neidisch werden. Wir sind uns doch einig, dass man sich Stil nicht kaufen kann. Und ohne Schleimen zu wollen, die beiden mir bekannten Damen haben den und dann dazu noch das gute Aussehen! Mei, da bebt Augsburg halt mal kurz. Schön ist es, wenn man ins Gespräch kommt und diese Fassade aufbröckelt und wenn die ein paar Häppchen gereicht hätten, wäre es bestimmt lockerer geworden. Gebe der lieben Bloggerin Recht, essen verbindet, Alkohol sowieso und Augsburgerinnen auch. Sorry für die Fehler, tippe den Kommentar mit meinen Handy da mein iPad spinnt !

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