Tatort: Tatort

Eine einst schwurbelige Mittelklassesendung ist zum neuen Star am TV-Horizont aufgestiegen. Der Tatort. Die allerlängste Zeit meines Lebens habe ich mich keinen Deut darum geschert, ob es ihn gibt oder nicht. Und ich muss nun feststellen: fernsehtechnisch war es sicherlich die bessere Zeit meines Lebens. Dann begann der Hype auch mich zu umgarnen und letztlich zu fesseln. Begleitmedien wie Twitter und Facebookgruppen, auf denen das Geschehen, die Glaubwürdigkeit oder die Realitätsnähe der Polizeiarbeit kommentierten, wurden ganz im Sinne des nicht-linearen Fernsehkonsums ins Leben gerufen und ich frage mich, wie einer die komplexen Handlungsstränge noch verstehen kann, wenn er nebenbei auch noch seine Meinung zum Aussehen der Leiche auf dem Telefon oder Computer abgibt. Was ich mich auch frage ist, ob diese nun schon recht lange andauernde neue Berühmtheit dann letztlich auch dazu geführt hat, dass der Großteil der deutschen Bevölkerung mit einem mulmigen Gefühl in die neue Woche startet.

Sowieso werden Familienverbünde am Sonntagabend regelmäßig auf eine harte Harmonieprobe gestellt: auf der einen Seite die Männer, die natürlich niemals zugeben können und möchten, dass sie seit einigen Jahren nicht mehr unbeschwert mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können, seit im Sonntagabend-Tatort gezeigt wurde, was passieren kann, wenn man dort mal schief schaut, weil eine ältere Dame von Jugendlichen angepöbelt wird (man kann von diesen Jugendlichen nach dem Aussteigen verfolgt und niedergeschlagen und in der Folge totgetrampelt werden – just for fun, versteht sich) oder ob es wirklich so eine gute Idee ist, sich auf einer Fremdgehplattform anzumelden (NEIN! Natürlich nicht. Tatortunabhängig. Logisch!). Auf der anderen Seite die Frauen, die längst erkannt haben, dass sie die Woche mit einem solchen Übermaß an selektiver Realität kaum bewältigen können und sich noch einmal eine Portion heile Welt aus Cornwall, Schweden oder den USA auf dem Gegenprogramm holen möchten.

Wie so oft kann ich mich da nur auf die Seite der Frauen werfen. Es mag witzige Tatort-Folgen geben, aber grundsätzlich kann mir keiner erzählen, dass es ihm am Sonntag um 21.45 Uhr besser als vorher geht und er mit Schwung und Optimismus sein Wochenende beendet und in die neue Woche startet. Das mit Sicherheit nicht. Gerade die letzte Folge hat mich nachgerade empört. Mein Mann, der nicht immer über das Programm bestimmen möchte, weil er ein aufgeklärter und friedliebender Gatte ist, teilte mir mit, dass dieser spezielle Tatort ganz besonders skurril und toll sein soll, zumindest wenn man den Medien glauben dürfe. Und was war? Depressionen, Selbstmord, alles anschaulich dargestellt und fast schon zum Nachmachen einladend nachvollziehbar. Gut gespielt, realistischer Plot, aber warum das alles vor dem Start in eine neue Woche? Ich verstehe sowas nicht und werde mich wieder den ausländischen Romantikerinnen zuwenden. Ich bin dann montags einfach ein netterer Mensch. Und davon können auch wiederum viele profitieren.