Vorhang auf, Bühne frei!

Manchmal, nein oft sogar, bringt die Recherche für Artikel tatsächlich nicht nur Lesern, sondern auch mir einen Mehrwert. So zum Beispiel bereits in unseren römischen Sommerferien, in denen wir das Sommerkino und die Notte Romane entdeckt hatten. Warum nicht auch in Paris? Nach einem denkwürdigen Bummel zu Kenzo, Pardon, H&M, den ich alleine gemacht habe, weil selbst mein Mann nur begrenzt belastbar ist, haben wir einen herrlich sonnigen Mittag beim Essen vor dem Louvre verbracht. Allerdings, so fällt mir nun ein, ist es beleibe nicht mit einer solch lapidaren Beschreibung meines Ausflugs zu den Champs-Elysées getan. Dort angekommen nämlich – im Schweinsgalopp, weil die Luft so schön war, die Straßen so leer und Paris an sich auch ganz nett sein kann – hatte ich mich schon gewundert, warum Menschentrauben auf der Straßen stehen. Sie standen da, weil sie nicht auf die Heiligen Felder konnten, ohne vorher eine Taschenkontrolle und Leibesvisitation zu durchlaufen. Paris rechnet mit dem Schlimmsten und tut gut daran. An sich beruhigend in Zeiten wie diesen, zumindest für mich. Man fragt sich dann automatisch, was tun im Ernstfall? In ein Geschäft rennen? Nein. Wahrscheinlich nicht. In eine Metrostation? Auch nicht. Einfach stehen bleiben? Kommt drauf an. Aber Tatsache ist, Paris hat seine Unschuld verloren und mitten im schönsten Moment, das kann beim Essen in einem Restaurant sein oder beim Bummel auf dem Trocadero, schießt der Gedanke durch den Kopf: Was wäre wenn? Wäre jetzt nicht der perfekte Moment für einen Anschlag?

Den Parisern merkt man solche Gedanken natürlich ebenso wenig an wie alle anderen Gefühle. Außer Genervtsein. Das sieht man ihnen 24/7 an. Es ist ihnen ins Gesicht gemeißelt. Und warum das so ist und wie man selbst auch möglichst so wird, haben wir abends in einem Theaterstück gelernt, das ich – wie gesagt – durch Zufall bei einer Recherche entdeckt hatte. In einem wahrlich sehr effizienten Theatersaal, was die Sitzanordnung angeht, steht für eine Stunde ein Pariser, der schon auf den ersten Blick und das erste Wort außergewöhnlich genannt werden kann. Warum? Er hat ein Bäuchlein und er spricht fließend Englisch. Und das Wichtigste an seinem Sprachtalent: er ist auch bereit, es im Umgang mit Nichtfranzosen zu nutzen. Andererseits bekommt er Geld dafür und vielleicht ist er im Privatleben auch einer von denen, die einen mit gerunzelter Stirn anschauen und stereotyp fragen „Comment??“. Egal. Seine gesamte One-hour-Show ist auf Englisch und erklärt, wie man in ebendieser Stunde zum Franzosen wird. Egal ob im Restaurant, in der Metro oder in Zwischenmenschlichen: Pariser sind genervt und zeigen keinerlei positive Gefühle. Das war die Quintessenz dieser lehrreichen Stunde. Um Gegensätze zu verdeutlichen, arbeitete der Entertainer mit dem Publikum. Da war zunächst Sonja aus Saarbrücken, die parisierisch tanzen sollte, aber der Star und Glücksgriff des Abends war Mr. George aus Prescott, USA.

Ganz im Gegensatz zum Pariser Entertainer, der vier Jahre seines Lebens in den USA verbracht hatte, war dieser fröhlich, wohlwollend und bereit, über jeden noch so kleinen Witz zu lachen und sich rundum prächtig zu amüsieren. Er war eine Offenbarung und durfte zum Schluss auf die Bühne, wo er eine Abschlussprüfung bestehen sollte: Grimmig schauen, Taxifahrer schlecht behandeln und französisch tanzen. Es gelang ihm mit Bravour, er hat ein Zertifikat dafür bekommen und sich mords gefreut. Wie er bei der Rückkehr in die Heimat auf die dortigen Entwicklungen reagiert hat, werden wir nie erfahren, aber vielleicht hat er mit genau demselben pragmatischen Optimismus ja auch „Le Trump“ gewählt und amüsiert sich nun auch darüber prächtig. So oder so, Laune scheint ein Grundhaltung zu sein. Hier wie dort. Mal braucht man sie mehr, mal weniger.