Finalmente Venezia

Traditionen müssen gelebt werden. Erstens, um überhaupt entstehen zu können und zweitens um nicht zu sterben. Und so plagen wir uns Jahr für Jahr im Winter nach Venedig. Und seit wir vor Jahren mal durch Zufall und beinahe völlig zerstritten (um diese Zeit des Jahres gibt es bei uns entsetzlich viele Missverständnisse, weil halt an Weihnachten einer anschaffen muss und das meistens ich bin, weil ich zuhause bin und weiß, was für Fondue zu tun ist, etc.) ein wunderbares neapolitanisches Restaurant entdeckt haben, das ich sehr liebe, weil ich dort mein Zutrauen zu Krustentieren wiedergefunden habe, möchte ich dort jedes Jahr wieder hin gehen. ACHTUNG: Aufgrund großer Müdigkeit musste dieser Blogeintrag unterbrochen werden und das ist gut so! Wir waren inzwischen in diesem legendären Restaurant und nun kann ich die schalen Worte meiner Freundin verstehen, die auch dort war und auf meine begeisterte Nachfrage nur lasch sagte, ach, naja, da haben wir aber auch besser gegessen. Ich dachte mir noch, wie ist sie doch verzogen. Aber von wegen. Das Restaurant hat aufgrund meiner furiosen und kostspieligen Krustentierliebe umbauen können und zwar nicht zu seinem Vorteil. Alles ist neonhell und sieht aus wie der Konferenzraum eines Hotels. Greulich. Das Essen war versalzen und es gab auch gar nicht mehr die vielen kleine neapolitanischen Schweinerein auf Kosten des Hauses vorweg (mir ist natürlich klar, dass die nie auf Kosten des Hauses, sondern immer nur auf meine, bzw. die Kosten meines Mannes waren! Bin ja nicht doof!). Alles in allem war es eine Enttäuschung, unterhaltungstechnisch jedoch nicht, weil wir gegen Ende des Jahres immer viel zu besprechen haben, was zunächst vor sich hinbroddelt und dann rausblubbert wie der Vesuv oder wie dieses neapolitanische Dings eben heißt. Hinter uns saß ein zauberhaftes älteres Paar, die sich dauernd geneckt haben und sehr verliebt waren. Aber vielleicht haben sie sich auch gerade erst über Parship gefunden. Kann ja heute alles sein. Ich bin immer so leichtgläubig. Das letzte Mal, als ich seufzend dachte, oh mei, so alte Kinder und noch so verliebt, waren die erst seit acht Wochen beinander und noch völlig im Hormonrausch. Also bitte.

Auf dem Weg dorthin war jedenfalls Grund genug für Unstimmigkeiten, weil ich an jeder Ecke sehnsüchtig gekräht habe, wie gemütlich und schön dieses und jenes Restaurant doch aussähe, denn eigentlich hatte ich nicht mehr viel Hunger nach all den Aperitivi, die wir am Nachmittag schon genommen hatten. Und wenn ich keinen Hunger habe, bin ich auch nicht unbedingt willens, weit zu laufen. Wenn ich Hunger habe, allerdings auch nicht. Ach, es ist sicher auch nicht einfach mit mir. Das denke ich mir sogar beim Schreiben. Was jedoch für mich spricht, ist die unbedingte Zuverlässigkeit und Planungsgenauigkeit. Dass ich mich manchmal selbst fast zu Tränen rühre, wenn ich zum Beispiel in Paris feststelle, dass ich einen Ersatzsüßstoff im Schrank habe oder einen Zettel vorfinde, wo ich das Geld versteckt habe (das mach ich manchmal, man weiß ja nie, wer in die Wohnung kommt und dann kenne ich mich doch auch zu genau, um zu wissen, dass ich es sicherlich selber auch vergesse und in Panik verfalle, weil ich vergessen habe, dass ich es versteckt habe und davon überzeugt bin, dass es gestohlen worden ist), hab ich schon geschrieben. Aber was eben als Erinnerungsfunktion in meinem Computer aufgepoppt ist, hat mir dann doch die Sprache verschlagen: „Morgen 20.00 Uhr Essen im Rosa Rossa“.

Dazu muss ich ausholen: Auf dem langen Weg zu unserem ehemaligen Lieblingsrestaurant kamen wir an einer Pizzeria vorbei, die mir bekannt vorkam. Ich habe lange in meinem Gedächtnis gekramt und mir gedacht, da wollte ich sicher mal essen gehen. Kaum daheim hüpft also die Erinnerung an eben dieses Restaurant hoch. Ich bin sowas von entzückt von mir selbst, weil ich mir eben nicht denke: ach, das merk ich mir, sondern vorausblickend und mich selbst kennend denke, schreib es Dir auf, dann freust Du Dich! Zum Ende eines langen Jahres kann man ruhig auch mal wegen solcher Kleinigkeiten zufrieden und stolz mit und auf sich sein. Vielleicht gehen wir da morgen hin. Vielleicht wird es mein neues Lieblingsrestaurant. Ich werde berichten.

Evakuierung

Zurück auf meinem Sofa, in meiner nicht gesprengten und geplünderten Wohnung kehrt nun auch bei mir der Weihnachtsfrieden ein. War das eine Aufregung. Aber wie die liebe Mare schon geschrieben hat: wir haben versucht, das Beste draus zu machen und ich darf sagen: gut ist’s gegangen. Wir waren supervorbereitet und haben uns zu jedem Zeitpunkt sicher und gut gefühlt. In ein Hotel zu gehen, war die beste Entscheidung überhaupt und weil ich auch meine Liebsten dort verwahrt hatte, musste ich mich darum schon mal nicht sorgen. Und gerade, als ich für meinen Vater nach einem Zimmer gefragt hatte, kam die Nachricht: die Bombe ist entschärft. Wie beim Zigarettenanzünden an der Bushaltestelle. Nun schreibt mir meine Mutter, die weltgewandt die weitere gebuchte und bezahlte Nacht im Hotel verbracht hat, dass sie gerade mit den Entschärfern frühstückt und so dürften wir uns heute bei der verschobenen Acht-Kilo-Monstergans auch noch auf gänsehautige Anekdoten freuen und können uns wohlig gruseln.

Die Mischung der Menschen im Hotel war einzigartig. Da saß ein britisches Pärchen, sie mit dunkler Sonnenbrille und ansonsten alles in Glitzer mit ihrem kordhosengewandeten Gatten, der ihr ratlos und zunehmend verzweifelt immer wieder eine Limo gebracht hat, weil sie sich so gefürchtet hat. Vermutlich war es ein Verwandter von ihr, der das Biest in unserer Stadt abgeworfen hat und sie hatte deshalb so viel Angst. Oder die scheue Nachbarin von meiner Mama, die mit keinem Menschen spricht und – so sagte sie – lieber wieder in die Wohnung umkehrt, als jemandem auf dem Weg zum Briefkasten zu begegnen. Mit uns musste sie sprechen, als wir die zweite Flasche Prosecco bestellt hatte und meine Mama zum ersten Mal in ihrem Leben ein Clubsandwich gegessen hatte. Etwas, das sie – auch unter Evakuierungsumständen – nicht wieder zu essen gedenkt. Kurzum, wir haben es uns wirklich nett gemacht, zumindest ich hätte auch kleidungstechnisch noch etwas verweilen können, weil ich meine Lieblingskleider mitgenommen hatte (man weiß ja nie) und ich bin glücklich und dankbar, nicht nur über den guten Ausgang, sondern auch dafür, dass wir das überhaupt so überbrücken konnten.

Wieder einmal muss ich feststellen, dass es schön ist, Hilfe angeboten zu bekommen und wenn man alles getan habe, um sich selbst zu helfen, ist es wunderschön, sie anzunehmen. Andere in ihrer Lebensführung möglichst wenig zu beeinflussen, halte ich jedoch nach wie vor für einen Garant für Glück und wenn man sich möglichst lange den Luxus erhalten kann, Dinge freiwillig zu tun und nicht, weil man sie muss, dann sollte man das genießen. Ich jedenfalls werde heute sehr freiwillig unser Gänselein (hihihi) genießen und ganz viel Champagner auf die Entschärfungshelden und die Organisatoren meiner lieben kleinen Stadt trinken. Denn bei allem Gemaule über alles Provinzielle und manchmal Kleingeistige bleibt als Ergebnis stehen: Die Stadt hat eine Mammutaufgabe unter besonderen Umständen, innerhalb kürzester Zeit und mit unglaublicher Umsicht und Sorgfalt bravourös gemeistert. Ich bin sehr stolz auf mein Augsburg.

Maria und Josef

Heute in der Stadt (wo wir uns vollkommen entspannt, weil wir schon alles erledigt haben, nur noch die Zeit bis zum Mittagessen vertreiben wollten und zufällig noch ein klitzekleines Geschenk für mich gefunden haben!!!) war die Frage der Fragen: „Und? Wo geht ihr hin?“ Sie wurde beim Metzger diskutiert, in der Boutique (wo wir besagtes klitzekleines Geschenk gefunden haben!!), in der Apotheke und einfach so auf der Straße. Allüberall wird natürlich darüber gesprochen, wo man die Zeit ab acht Uhr am Weihnachtsmorgen verbringen wird. Manche gehen zu Verwandten, manche in die leere Wohnung von Freunden und wieder andere fahren „einfach mal in die Berge“. Man staunt, wie viele Menschen dann doch in der Inneninnenstadt wohnen. Natürlich meist supernette Menschen, deren Kinder schon aus dem Gröbsten raus sind. Coole Typen, die unser pulsierendes Augsburger Leben lieben und gerne mitten im Geschehen sind. Wie sintemal bei Maria und Josef wird entschieden, was mitgenommen werden soll und meine Freundin, die quasi auf der Bombe wohnt, nimmt zur Sicherheit auch mal ein paar Fotoalben mit. Sie ist im Schwäbischen und kehrt erst am 2. Weihnachtsfeiertag zurück, wenn hoffentlich alles vorbei ist.

Offenbar sind jetzt alle untergebracht und der weihnachtliche Frieden kann Einzug halten. Zumindest bevor wir ausziehen wie Maria und Josef. Auch bei mir im Haus sind die süßen älteren Herrschaften alle versorgt. Ich wohne in einem Haus, in dem die Menschen zum Teil seit der Erbauung vor vierzig oder mehr Jahren leben. Das ist eine wahrlich eingeschworene Gemeinschaft, in die ich mich in knapp siebzehn Jahren hineingewühlt habe. Durch Grüßen, durch Kümmern und durch viele, viele Pakete, die ich bei ihnen abgeholt habe. Wir mögen einander, plaudern auf der Treppe, trauern miteinander, wenn vereinzelt welche für immer gehen müssen und helfen uns aus (meist sie mir mit Eiern, Mehr und sonstigem Kram, den man offenbar immer zuhause haben sollte, ich aber nicht. Ich habe dafür immer an die zehn Kilo Nudeln oder Feigenmarmelade, aber die will sich selten jemand ausleihen, was ich nicht verstehe). Ansonsten sehen wir uns fast nie, was sehr angenehm ist und behelligen einander auch nicht groß. Aber wenn zum Beispiel eine Evakuierung ansteht, dann halten wir auch zusammen. Und so habe ich auch heute Morgen erneut bei meinen direkten Nachbarn angerufen und sie gefragt, welche Pläne sie haben. Ein bisschen lapidar sagte mir Erich, er wolle ins Hotel, würde dann „irgendwann morgen buchen“.

Das mag er sich so gedacht haben, gebucht hat er allerdings zwei Minuten nach unserem Telefonat. Und zwar ebenfalls beim Herrn Eberle wie wir alle. Und so sehe ich nach dem Schock nunmehr wahrhaft fröhlichen Weihnachten entgegen. Bei einem großen Brunch, in einer Herberge ohne Stroh, sondern mit Federbetten, ohne Kleinkind in Windeln, was zur Abwechslung ja auch mal ganz schön sein kann, dafür aber sicherlich mit einigen Ochsen und Eseln, darauf würd ich Haus und Hof verwetten. Ich bin mir sicher, wir werden eine Bombenstimmung haben und ganz ehrlich kann ich mir schon jetzt kaum mehr vorstellen, was wir ohne unsere HC 4000 getan hätten. Zumindest nicht, worüber wir gesprochen hätten. Daumen drücken da draußen, dass alles gut geht! Bisschen mulmig ist mir ja doch….Sollten wir uns nicht mehr hören, lesen, sehen (ich meine jetzt vor Weihnachten, soooooo pessimistisch bin ich nicht): Frohe Weihnachten für euch lieben, treuen Leser da draußen! Wenn es euch nicht gäbe, hätte ich am Ende gar keine Gedanken. Zumindest nicht so viele. Oder nicht so häufig. Oder sie kämen nicht aus mir heraus. Am Ende würde ich gar explodieren….oh mei….

Liebe Einzellebkuchenversender!

So begann mein Artikel gestern Morgen nachdem ich eine Benachrichtigungskarte zur schlimmsten Postfiliale Augsburgs bekommen hatte und dann tatsächlich mit einem einzelnen aufwändig verpackten Lebkuchen in einer Pappschachtel wieder abgezogen bin. Ich musste dafür auf einen kostenpflichtigen Parkplatz fahren und alles in allem hat mich der Dreckslebkuchen eine halbe Stunde Zeit gekostet. Zwar wird mir die Firma, die ihn mir übrigens auch in einem Luftposterumschlag hätte schicken können, zeitlebens in Erinnerung bleiben, aber nicht zwingend in guter!!! Dann bin ich nach kurzer körperlicher und geistiger Ertüchtigung wieder an den Schreibtisch geeilt und war dann unglaublich produktiv bis ich eine befremdliche WhatsApp von meiner Mutter erhielt. „Was tun wir jetzt am 25.??“ lautete der erstaunliche Text, denn wenn eines sicher ist an Weihnachten, dann ist es die Gans am 1. Feiertag. Was hatte das zu bedeuten?

Drei Fragezeichen später konnte meine Mutter es nicht mehr aushalten und rief mich an, um mir mitzuteilen, dass wir sozusagen im Herzen des Evakuierungsgebietes lägen und zwar jedes einzelne Familienmitglied. Tatsache. In Augsburg, das ja immer saugerne schrecklich absurde Schlagzeilen schreibt, muss natürlich die größte Fliegerbombe, ein Wohnblockknacker, gefunden werden. Zwar sinnigerweise auf dem Grundstück eines von uns oftmals verteufelten Autohändlers und -reparateurs und direkt neben dem Rewe, der nur durch Glück nicht schon vor Jahren von meiner Mutter höchstselbst in Schutt und Asche gelegt worden ist, aber eben doch auch schrecklich nahe an unseren Wohnungen. In der Retrospektive kann ich jetzt genau sagen, wie ein Schockzustand abläuft: einfach weitermachen, langsam immer wieder dran denken, ungläubig sein, fassungslos, Schuldige suchen, jammern, dass es einen trifft, sich vorstellen, wie schön es wäre, wenn es nicht so wäre, handeln. Erst panisch, dann planmäßig.

Dann eine Flasche Prosecco trinken, allerdings mit inzwischen heimgekehrten Mann, der recht ratlos ist angesichts des inzwischen angehäuften Wissens der Ehefrau. Vor allem wegen der damit verbundenen Sorgen, an die er so vielleicht noch gar nicht gedacht hätte und dann völlig k.o. ins Bett sinken. All das ist schon sehr aufregend und wie das im Krieg gewesen sein muss, mag sich kein Mensch ausmalen. Wenn ich, die ich die Woche über alleine bin, mir vorstelle, diese Krisenzeiten immer, unvorhersehbar und alleine – vielleicht noch mit Geldsorgen und Verantwortung für Kinder – bewältigen zu müssen, dann kann ich nur sagen: Hut ab vor den Frauen der Kriegsjahre. Das hab ich mir natürlich schon vorher gedacht, aber denken und fühlen sind eben zweierlei. Mir tun momentan vor allem die ganzen älteren Menschen bei uns im Haus leid. Viele von ihnen haben den Krieg überstanden und werden nun zu Weihnachten wieder davon heimgesucht. Da sieht man mal wieder, dass es sich nicht lohnt, sich über Kleinigkeiten aufzuregen. Zum Beispiel über einzelne Lebkuchen. Lieber warten. Es kommen schon noch größere Dinge, die eine Aufregung noch viel mehr wert sind!

Gestatten: Unsere zauberhafte Weihnachtsknutschkugel!!!

Wir straffen das Weihnachtsprogramm dieses Jahr ein wenig. Montag Advent. Heute Weihnachten. Und obwohl es so dicht beinander liegt, konnte ich mich nicht dran gewöhnen, wie wahnsinnig gut alles im letzten Jahr organisiert und beschriftet wurde. Auf jedem Karton steht vermerkt, was drin ist, Drohungen ebenfalls, was passieren würde, sollte man sie über die sorglosen Sommermonate rumschubsen und so weiter. Heute Morgen beim Sichten der zahlreichen Kartons habe ich Hasenherz wieder alle drei (Umzugs) Kartons gepackt, geschimpft wie ein Bierkutscher und habe die ganze Heimfahrt vor mich hingemault, dass man sie dieses Jahr aber wirklich endgültig mal beschriften müsste, damit diese hirnlose und unstrukturierte Schlepperei mal ein Ende hätte. Kaum zuhause und hochgetragen, sind wir wieder los, um den Baum zu kaufen. Wie vermutlich alle Menschen ohne Kinder es heute tun oder schon vorher getan haben. Aber dann sieht man sich auch ein bisschen ab, finde ich. Wir waren noch vor zehn, gut, vor halb zehn. Das war unser Glück.

Beim Baumhändler unseres Vertrauens, direkt am Kirchvorplatz, habe ich meine Erfolgsstrategie der letzten Jahre verfolgt und kühn noch ein bisschen verfeinert. Und ich muss vorausgreifend sagen: es war genau richtig!!! Kühnheit zahlt sich aus. Sie stellen nämlich völlig zu Recht im Eingangsbereich diverse Protzbäumchen in verschiedenen Höhen aus. Angelockt von diesen und mit dem Erfolgswind der vergangenen Jahre, bin ich mutig vorangeschritten und habe mich fast in die zweite Reihe vorgewagt. Dort stand ein Bäumchen, über das bestenfalls zu sagen war: er ist eine Weihnachtskugel. Man ist schneller drüber als drumrum. Er hat Charakter. Man kann in ihm verschwinden. Vieles kann in ihm verschwinden, wie wir Stunden später feststellen sollten. Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Widerstand meines Mannes und die leichte Skepsis der Verkäuferin haben mich nur noch in meiner Wahl bekräftigt. Innerhalb von geschätzten zwei Minuten waren wir wieder draußen und zugegebenermaßen mussten eineinhalb dieser Minuten darauf verwendet werden, die Kugel durch den Trichter der Netzumwickelmaschine zu stopfen. Mein Mann musste sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Sockel auf der Gegenseite stemmen, damit er nicht umkippt. Und mein Mann ist keineswegs ein Hänfling. Das möchte ich hier mal anmerken.

Zum Glück wohnen wir den Berg runter und auch nicht lange. Dennoch stiegen zu meiner Linken leichte Dampfwölkchen auf…..Zuhause hat er sich sofort heimisch gefühlt, gut, sein Stamm ist noch ein bisschen zu lange und so sieht er eigentlich aus wie einer der köstlich glasierten Liebesäpfel am Spieß. Das Dekorieren sollte sich dann als umso größere Herausforderung erweisen. Der Baum schluckt, so der Vorwurf meines Mannes, Lichterketten! Die drei Hunderter oder noch mehr wurden förmlich aufgesaugt und es hat einige Stunden eifriger Planung gebraucht, sie so zu drapieren, dass das kleine Kügelchen nicht alles gierig verschluckt und nichts mehr nach außen dringen lässt. Dafür konnte ich mich danach mit dem Schmuck so richtig austoben! Und das habe ich nach allen Regeln der Kunst! Ich kann den Baum jetzt noch nicht zeigen, denn es soll erstens in der Weihnachtszeit keinen Neid geben und den gäbe es zwangsläufig und zweitens gibt es Mitleser, die das noch nicht wissen sollen. Alles in allem hat uns die Schmückerei unter den wachsamen Augen von erfahrenen Familienmitgliedern fast in den Alkoholismus getrieben und dafür gesorgt, dass 70% meines heutigen Weihnachtsprogramms unter den Tisch gefallen sind und das ist doch letztlich auch schön. In der staden Zeit.

Banale Gedanken zu Weihnachten

Man hat ja gerne einzigartige Gedanken, ob aus dem Aus- oder Inland. Sie sind aber nicht immer möglich. Zumindest nicht um diese Jahreszeit, die doch alle gleichermaßen mit ähnlichen Themen beschäftigt, was ich nebenbei bemerkt wunderbar finde, weil sie für ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl in einer Gesellschaft sorgen und als vereinendes Fundament unserer Kultur gelten können. Aus welchen Motiven ist da fast egal. Auch die folgenden Gedanken zählen bei mindestens 80% der erwachsenen Bevölkerung zum verbindenden Faktor: Das ungläubige Staunen, dass schon wieder Weihnachten ist. Gestern habe ich hektisch, weil alle um mich herum schon voll weihnachtlich dekoriert haben, meinen Adventskarton im Keller gesucht. Adventskränze mag ich nicht, mochte ich noch nie und hab ich auch noch nie gehabt. Sie auch nie vermisst, die nadeligen Biester, die überall, wo sie stehen Wachsflecken und Verwüstung hinterlassen. Nein, ich mag sie nicht. Aber den Rest von Weihnachten schon.

Gestern also, nachdem ich eine vorweihnachtliche Einladung ausgesprochen hatte, bin ich pflichtbewusst und vorfreudig in den Keller geeilt, denn seit mein superordentlicher Mann mit meiner und der Hilfe eines weiteren Ikeaschranks dort für Struktur und System gesorgt hat, sind die alten Schrecken verschwunden und nicht ganz genauso viele nachgekommen. Vorteil der Restrukturierung ist definitiv, dass nur er sich noch auskennt und ich erkenne inzwischen ein gewisses System darin, dass er sich nie in die Küche oder den Haushalt mischt….ich kann einfach ohne ihn nichts mehr im Keller finden, weil ich sofort ertappt und in der Folge übel ausgeschimpft werde, wenn ich eigenmächtig, sagen wir mal, ein Paar Winterstiefel herausfische oder ein kleines Tütchen mit Sommerkleidung für den Secondhandladen in einen freien Regalplatz stelle. Ich hab den Keller noch nicht ganz abgesperrt, folgt die Rüge auf dem Fuße. Man könne nicht einfach alles reinschmeißen, es gibt ein System und weitere Wahrheiten prasseln dann auf mich ein. Und so sind wir gestern gemeinsam in den Keller und haben dort überrascht festgestellt, dass zum Beispiel der Osterschmuck in einem Karton mit dem Weihnachtsmann drauf verstaut ist. Wie äußerst perfide!!!! Und die Drecksküken und Hasen waren auch noch so gut eingewickelt wie es a) Holzkram gar nicht erfordert und b) dass man auch ja lange mit einer Hand, den Karton auf dem Knie balancieren musste. Natürlich war das vollumfänglich meine Schuld.

Nach kürzester Zeit und dem Gesetz, dass es immer der letzte Schlüssel am Bund ist, der passt, hatten wir auch schon den Adventskarton und wie groß war die Freude, nachdem ich ihn mühsam mit Händen und Schlüssel von seiner wirklich sorgfältigen Verschnürung befreit hatte, dass die Beschriftung eins zu eins mit dem Inhalt übereingestimmt hat. Das war eindeutig auch das Werk meines Mannes und ich ungläubiger Thomas bin selbst Schuld, wenn ich den Karton nicht einfach ohne jegliche Kontrolle dankbar schultere und hochtrage. Das soll mir eine Lehre fürs nächste Jahr sein. Aber so viel Ordnung und System macht doch misstrauisch oder nicht?! Während wir also versucht haben, keinesfalls zu streiten oder dem anderen die Schuld für die Verzögerung in die Schuhe zu schieben, hatten wir wahrlich genügend Gelegenheit in Déjà-vus zu schwelgen, dass es doch wirklich erst vor vier Wochen war, dass wir all das so sorgfältig verpackt haben. Und im Stillen hab ich mich erinnert, wie verwundert ich als Kind war, wenn meine Mama oder meine Oma etwas Ähnliches gesagt haben. Ich fand Weihnachten immer ewig weit weg und habe ihm sehr, sehr entgegen gefiebert. Woran liegt das? Haben Kinder ein anderes Zeitempfinden? Weiß das jemand?

Eichhörnchen

Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich Eichhörnchen liebe? Nicht nur, weil ich sie von meinem Fenster aus sehen kann, wenn ich wahlweise nachdenklich oder um mich zu sammeln und niemanden zu ermorden, auf die Bäume vor meinem Fenster schaue. Ich tue das gerne und regelmäßig. Im Sommer rauschen die grünen Blätter beruhigend und im Winter sind die Äste und Zweige weit verzweigte Autobahnen für Eichhörnchen. Sie rasen an und auf ihnen auf und ab, schwingen sich von Ast zu Ast und sind wirklich andauernd in Bewegung. Angeblich – mir werden seit ich meine Liebe zu diesen possierlichen Nagern eingestanden habe lauter Horrorgeschichten über die possierlichen Tiere zugetragen – sind sie Massenmörder und verbreiten rasend schnell und unerbittlich, wo sie nur gehen und stehen, die Tollwut. Das mag ja alles sein, aber sie haben ein Fell und sehen nett aus. Und hinterlassen nichts auf meinem Balkon. Das genügt.

Außerdem liegen sie mir schon deshalb, weil sie meinem weiblichen und schwäbischen Wesen so verwandt scheinen. Sie sammeln Nüsse, tragen sie in ihre Bauten oder Höhlen oder wo sie halt wohnen, sie sind possierlich und vorausschauend und sportlich und irgendwo doch auch sehr elegant mit ihrem wunderhübsch buschigen Schwanz. Auch Frauen können beispielsweise wunderbar auf etwas sparen und das ganze für die Urlaubskasse gesammelte Geld dann für ein Paar traumhafter Riemchensandalen ausgeben, denen sie im Schaufenster nicht widerstehen können oder ganz, ganz lange abnehmen, weil auf einem Fest in weiter Ferne der Drecksack von Exfreund erwartet wird, der einen vor Jahren schmachvoll verlassen hat. Sie sind also gleichermaßen vorausblickend wie leichtfüßig. Und Pelzkragen mögen sie auch. Und nichts sieht anmutiger aus als ein Eichhörnchen, das eine Nuss zwischen den kleinen zarten Vorderpfoten hält. Außer vielleicht einer Frau, die nachdenklich eine Cappuccinotasse mit beiden Händen hält. Also bitte: mehr Gemeinsamkeiten haben nur eineiige Zwillinge. Und die Ähnlichkeit mit Schwaben muss ich ja wohl nicht erklären. Nüsse? Vorrat? Für schlechte Zeiten? Na bitte. Ist also nur logisch, dass ich sie so putzig finde.

Ich habe nur einen ganz großen Kritikpunkt an diesen kleinen Biestern: Sie lassen sich einfach nicht fotografieren. Seit Tagen liegt meine Kamera mit dem größten Teleobjektiv, das man außerhalb der Paparazzofotografie verwenden kann, auf meinem Schreibtisch und ich krieg einfach keines scharf. Immer verstecken sie sich in den Ästen und wenn ich sie dann doch mit viel List und Tücke scharf fokussiert habe, dann erschrecken die Viecher und ich kann wieder von vorne anfangen. Sehr ärgerlich. Und während ich ihnen noch so versonnen nachschaue, gehe ich selbst meiner Eichhörnchentätigkeit nach und sammle im Rahmen eines Projekts Redaktion um Redaktion und muss mich wundern, wie Menschen, die immer, aber wirklich immer auf die Unterstützung und Zuverlässigkeit anderer angewiesen sind, selbst teilweise so entsetzlich ignorant sein können und gar nicht hilfsbereit und vorausschauend sind. Denn kein Mensch und kein Eichhörnchen kann wissen, wohin ihn seine Zukunft führt und ob es sich nicht eines Tages vielleicht als idiotisch blöd erweisen wird, dass man damals auch auf das sechste E-Mail nicht reagiert hat. Und dann krieg ich wieder die Kurve und konzentriere mich auf die andere Eichhörnchenseite: das Sammeln und Ablegen von schönen Momenten. Dazu eignet sich die Adventszeit ganz besonders und ganz sicher kommen auch wieder Tage, in denen man ganz unerwartet auf so eine gemachte schöne Erfahrung stößt. Wie ein vergessliches Eichhörnchen. Denn wie meine Mutter stets zu sagen pflegt: warum wachsen so viele Nussbäume? Weil Eichhörnchen so vergesslich sind.

Rauchende Colts

Samstag oder Sonntag, je nachdem, wann es Nachbarn noch zuzumuten ist, über oder unter ihnen zu waschen, ist Bügelmorgen. Ich bügle gerne. In einer schnelllebigen Zeit mit oftmals eher unabsehbaren Projekterfolgen bietet Bügeln eine ideale Befriedigung: Hemd aufs Brett, erst Kragen, dann rechts vorne, dann seitlich, dann Rücken, dann links vorne, dann Ärmel, dann fertig. Wunderbar. Nach fünf Hemden und ein paar Hosen ist sichtbarer Erfolg geschaffen und ein gutes Gewissen. Und manchnmal kann die Zeit auch noch prima genutzt werden um sich über die Woche zu aktualisieren oder – huijuijuijuijui – um tagsüber den Fernseher anzuschalten. Ich bin mit dem strikten Grundsatz (nicht kommuniziert, aber vorgelebt) groß geworden, dass Fernsehen und Alkoholkonsum etwas sind, das nach Sonnenuntergang stattzufinden haben und ich bin nicht schlecht damit gefahren. Daytime-TV gab es in unserer Familie nicht und war bei mir immer ganz nahe bei Hartz IV, wobei es natürlich Lebenssituationen gibt, in denen eine gewisse Geschmeidigkeit in Bezug auf solch rigide Vorstellungen nicht schadet.

Egal. Jedenfalls beim Bügeln kann man prima fernsehen. Auch tagsüber, vor allem weil abends ja wohl kein Mensch bügeln möchte. Als ich heute Morgen mein Bügelbrett aufgebaut habe und nach einer Weile bemerkt habe, dass heute eher ein Tag für Fernsehen als für Austausch mit meinem Mann zu sein scheint, lief ein Western. Was hab ich früher Western geliebt!!! Mit meiner Oma hab ich quasi immer Western angeschaut und – jetzt fällts mir auf – früher gab es auch noch viel mehr davon. Bonanza und all das, vor allem mein All-time-Favourit „unsere kleine Farm“ finden sich nur noch zu ganz abartigen Zeiten, zu denen nicht mal ich bügeln würde. Heute Morgen jedenfalls lief „Rauchende Colts“ und ich war hingerissen. Sogar eine Doppel- oder Dreifachfolge. Ich vermute, die Ausstrahlungsrechte sind supergünstig und man kann kleine Kinder und ältere Menschen mit seniler oder juvenlier Bettflucht wunderbar am Sonntagmorgen damit beschäftigen. Mich auch. Ich war so entzückt, dass ich mir an sich eine doppelte Hemdenladung gewünscht hätte. Denn weiterschauen ohne dabei was zu tun ist nicht in meiner DNA. Leider.

Und als diese Nostalgie nicht schon genug gewesen wäre, kamen in der Werbung (die wir früher nicht kannten, nur aus amerikanischen Filmen und wenn dann so eine Lücke an der spannendsten Stelle war, haben wir uns wissend zugenickt, weil wir wussten, sowas müssen nur die Amerikaner erdulden – o tempora o mores!!!) auch noch die aktuellen Weihnachtswerbungen der großen Lebensmitteldiscounter. Und vielleicht ist es nicht nur mir, sondern auch meinen lieben Lesern aufgefallen, diese Spots entwickeln in den letzten Jahren wahren Kultstatus. Warum? Weil es ihnen tatsächlich gelingt, das hochemotionale Thema „Weihnachten“ in seinen vielen Facetten aufzugreifen und zu spiegeln. Sie regt zum Nachdenken an und schafft es, dass Menschen sich in ihr wiederfinden und vielleicht sogar den Geist der Weihnacht erhaschen können. Ob es der Vater und Opa ist, der seine Familie mit einer Todesanzeige zu sich lockt oder die Frau, die furchtbar Angst vor ihrer Schwiegermutter hat – das ein oder andere Gefühl kennt jeder und weiß, dass er damit nicht alleine ist. Und irgendwie ist das wie „Rauchende Colts“ schauen. Die kennt auch fast jeder und das gibt – wie alles Vertraute – ein wohliges Gefühl. Auch beim Bügeln.