Tauben auf Tisch und Gauner in der Buchhandlung

In diesem Blogbeitrag werden die Empörungen nur so aus mir heraussprudeln. Wem das zu viel ist, der möge bitte auf den nächsten warten oder in den alten Beiträgen stöbern. Wobei es durchaus sein könnte, dass er in einem der älteren Beiträge auf eben den stößt, der mit meiner aktuellen Empörung zu tun hat! Angefangen hat alles am Samstag, dem meist doch allerschönsten Tag der Woche. Zumindest für mich. Dann beginnt gerade erst das Wochenende, mein Mann ist da und meistens ist Samstag Abend auch noch irgendwas Nettes in der Planung. Dieser Samstag begann damit, dass ich zwecks Temperaturtest (mein Mann und ich können über die Fliege an der Wand streiten, wenn uns nur der Sinn danach steht. Worüber wir uns immer trefflich die Köpfe einrennen können, ist die Temperatur. Ich kann es einfach nicht begreifen, wieso er so stur auf seiner Überzeugung beharrt, es sei warm. Seine unerschütterliche Uneinsichtigkeit macht mich ärgerlich und wenn ich ihm dann doch einen Pullover einpacke, weil er sonst kränkelt, dann zieht er ihn in der Stadt „nur an, damit Du Ruhe gibst“, was ich eine bodenlose Frechheit finde, denn er hat dann meist schon blaue Finger. Ich könnte mich – so bemerke ich gerade – durchaus in einem ganzen eigenen Blogbeitrag darüber auslassen!!!) auf den Balkon getreten bin.

Nun wissen treue Leser, dass mein Balkon schon oft Schauplatz wahrer Tragödien war. Bereits verhüllt, verflucht, verwünscht und vor allem verdreckt von meinen unseligen Haustauben Karl und Gertrud. Ich bin ja dran gewöhnt, dass sie sich unter der Markise verstecken und inzwischen sogar schon mal einen Freund eingeladen haben, was ich zum Glück noch rechttzeitig bemerkt hatte und ich glaube auch nicht, dass der wiederkommt, er befindet sich vermutlich in einer Rehaklinik für Tauben-Herzinfarkte. Was ich aber an diesem verheißungsvollen Samstagmorgen auf meinem eben frisch herbstlich dekorierten Tisch entdeckt hatte, hat mir das Blut in den Adern gefrieren lassen: Fußspuren auf meiner Felldecke. Gehts noch??? Über den Tisch laufen? Wo sind wir denn???? Das kann jedoch bestenfalls als Ouvertüre, als Präludium zum Folgenden gewertet werden.

Um mich möglichst schnell abzulenken und aus der Gefahrenzone zu bugsieren, drängte mein Mann zum Aufbruch. Es sei ihm auch zu heiß mit all dem, was ich kleidungstechnisch angemessen fand. Wir sind Richtung Altstadt gegangen und dort ging der Ärger nahtlos weiter. Eine meiner Lieblingsbuchhandlungen schließt und alle Bücher sind günstiger. Da schnobert man natürlich gerne ein wenig durch auch unbekanntes Terrain. Und auf einmal kräht mein Mann fröhlich: Schau mal, den kennst Du doch! Das sagte er mit Blick auf ein Buchcover, das von einer Reise von Paris nach Berlin ohne Geld berichtet. Und tatsächlich prangte auf dem Cover das Foto von diesem Menschen, der mir in Paris am Bahnhof Geld mit einem miesen Trick abgeluchst hat. Und es gleich vier Tage später mit demselben Trick erneut versucht hat. Ich hatte das damals beschrieben, weil ich es schändlich finde, die Hilfsbereitschaft von Menschen auszunutzen. Weil daraus eine Kettenreaktion wird und wirklich Bedürftige dann auch keine Hilfe mehr erfahren. Das Übelste ist: er war im Sommer in Augsburg, um mit seinem Buch rumzuprahlen. Ich war zu Lesung eingeladen und bin nicht hin. Und Karl und Gertrud hab ich auch nicht erwischt. Wie schön und befreiend müsste es doch sein, wenigstens einem Delinquenten mal die Flügel oder Hammelbeine lang zu ziehen. Ich bin rachsüchtig, ich weiß.

Hach

Ich war im Kino! Eine Freundin und ich haben Anfang des Jahres beschlossen – selbstverständlich anlässlich eines Oscarfilmes – ein Kulturprogramm aufzusetzen und jede Woche ins Kino zu gehen. Sie erzählte, dass sie das früher schon gemacht hatte und ich als Nicht-so-gern-ins-Kinogeher war schwer beeindruckt. Wer heutzutage nicht gerne ins Kino geht, steht auf recht einsamer Flur. Alle Menschen gehen gerne ins Kino. Und weil man mir viel nachsagen kann, aber nicht, dass ich mich drücke, stand ab da wöchentliches Kino auf dem Programm. Bereits beim ersten Film – natürlich auch einem oscarprämierten, what else? – konnte ich die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, die eigene Komfortzone zu verlassen und mal etwas zu wagen. Ging um einen Zeitung, die einen Skandal in der Kirche aufdeckt. Toll gespielt, toller Inhalt, prima. Ab da wurde es schwierig. Warum, das konnten wir bei den Vorschauen, die wir fürchten lernen sollten, bald erfahren.

Offenbar gibt es nur noch Zeichentrickfilme oder welche, in denen die Folgen hemmungslosen Alkoholkonsums thematisiert werden. Fürchterlich. Weiterhin solche, die den todsicheren Untergang unserer Welt detailgetreu aufzeichnen oder solche, die sich vorrangig mit dem Leben von Untoten befassen. Wer möchte das sehen??? Dann, vor einigen Wochen, nachdem wir schon recht lange aussetzen mussten, schien es einen Hoffnungsschimmer am düsteren Cineastenhimmel zu geben. Ein Film über schlechte Mütter. Was konnte man da falsch machen? Ach, so vieles! Und diese Woche, nachdem ich mich bereits gottergeben mit dem französischen Programmkino auseinandergesetzt hatte, denn wir suchen die Filme immer abwechselnd aus und wer jetzt meint, das sei doch prima, weil dann jeder mal das sehen kann, was er am liebsten sehen möchte, der hat immer noch nicht verstanden, dass regelmäßiges Kinogehen heutzutage in erster Linie einer Trüffelsuche und Risikominimierung entspricht, also letzte Woche jedenfalls war mir das Glück hold und ich bin auf die Vorpremiere von Bridget Jones gestoßen. Durch reinen Zufall. Auch noch mit Sektgutschein, weil Ladies Night war.

Der Film war wirklich zauberhaft und selbst ich, die ich von meinem Mann immer ratlos von der Seite angeschaut werde und die ich immer die Frage über ihm wabern sehe, wie er nur an solch eine Spaßbremse geraten konnte (ich kann Sitcoms über Nerds wirklich GAR NICHTS abgewinnen!!!) konnte fast die gesamten 120 Minuten hindurch lachen. Mal lauter, mal ganz laut. Waren ja eh nur Frauen da, die ihre Piccolos ausgesüffelt haben….Die einzigen Pausen hab ich eingelegt, waren, wenn mich das Aussehen der Hauptdarstellerin zu sehr irritiert hat. Die arme, arme Frau!!! Was ist ihr nur geschehen? Sie sagt ja, dass sie nicht operiert worden sei, aber dann kann ich nur sagen: Das Leben war nicht gut zu ihr!!!! Da würde ich lieber eine OP zugeben, da hätte man dann zumindest einen Schuldigen. Der Film hat angeblich eine wahnsinnig lange Planungs- und Umsetzungsphase gehabt, aber ich finde, es hat sich gelohnt. Vor allem die Szenen, die die jüngeren Bieberle ja gar nicht verstehen können. Wenn Marc Darcy Bridget zu den Klängen von „up where we belong“ in seine Arme hebt und davon trägt….Hach. Und dieser andere Schauspieler, der aus einer Krankenhausserie (die werden doch alle mit dem Arztkittel groß und berühmt, siehe George Clooney), der ist auch ganz, ganz reizend. Kino sind doch die ganz großen Gefühle! Ich liebe es!

Akzeptanz

Nun hat also ein „Sänger“ den Literaturnobelpreis gewonnen. Aufgeschlossene Geister, deren vordergründigste Eigenschaft darin besteht, ihre Aufgeschlossenheit dadurch zu demonstrieren, dass sie alles Ungewöhnliche, Paradoxe toll finden, finden natürlich auch das tippitoppi. Weil es so ein großartiges „Um-die-Ecke-Denken“ zeigt, beweist, dass die Jurymitglieder nicht auf das, für das sie eingesetzt worden sind, festgelegt sind, sondern auch Querdenker und furchtbar unabhängig und mutig sind. Das ist doch schön. So wie es uns auch freut und erheitert, wenn jemand ein Gänseblümchen statt einer Nelke im Knopfloch hat oder fransig geschnittene Haare oder eine eckige Brille. Das zeugt von Individualität und Flippigkeit. Der weiß, wo er steht, der traut sich was, denken dann die Leute. Hoffentlich. Sagen wir mal: im besten Fall! Sonst denken sie sich eher: wird’s schon nötig haben…..Bob Dylan hat es offenbar nicht nötig. Er reagiert einfach gar nicht auf die herablassenden oder speichelleckenden (je nachdem, wie man diese Preisverleihung betrachtet) Kontaktversuche der ehrwürdigen Akademie.

Gestern habe ich eine liebe Freundin von der Uni getroffen. Sie sieht sich Zeit ihres Lebens immer wieder mit dem Vorwurf der Dominanz konfrontiert. Egal, was sie tut, sie wird als einschüchternd und dominant erlebt. Auch wenn sie schweigt. Oder Angst hat. Oder weint. Immer. Jahrelang hat sie versucht, allen Menschen zu erklären, dass sie es nicht ist, hat erklärt, beschwichtigt und sich durchaus auch mal kleiner gemacht als sie ist. Das ist verständlich, aber ist es auch notwendig? Der richtige Weg? Nur, um in der Masse bestehen zu können und von der Masse akzeptiert zu werden? Der Wunsch, akzeptiert und gemocht zu werden, ist den meisten Menschen inne und das ist auch ein schöner und nachvollziehbarer Wunsch. Aber darf er soweit gehen, dass grundsätzliche Charaktereigenschaften deshalb verleugnet werden? Eigenschaften, die ein Mensch vielleicht gerade deswegen hat, um etwas anderes als die ganzen Anderen zu leisten?

Das sind philosophische Fragen, mit denen sich Pubertierende, Künstler und Genies aller Art rumschlagen müssen. Oder eben Menschen, die eine Eigenschaft mehr haben, als man sie von ihnen erwartet. Nicht alle, aber zumindest Einige von ihnen kommen zu der Art von Selbstliebe und Selbstbewusstsein, zwischen Charakter und Überanpassung unterscheiden zu können. Sie leben dann wie wunderschöne große Bäume unter von Büschen oder harmonisch inmitten eines Waldes von ebenfalls wunderschönen anderen Bäumen. Hervorzuheben, dass Bob Dylan, nur weil er singen kann, auch noch gute Texte schreibt, bedeutet, dass man es ihm schlichtweg nicht zugetraut hätte. Und das ist eine Unverschämtheit, auf die ich auch nicht reagiert hätte.

Ach, wie die Zeit verfliegt

Kaum lehne ich mich entspannt zurück, weil ich meinen Bloggerfreuden nachgekommen bin, ist schon wieder eine gehörige, fast unzumutbar lange Zeit verstrichen und ich bin schlimm im Verzug. Ich hatte heute einen Termin und habe zufällig auf ein Formular geschaut und festgestellt, dass ich tatsächlich am 13.7. das erste Mal dort war und dass es an diesem Tag irre heiß war. Überhaupt war es doch noch vor zwei Wochen irre heiß? Wie konnte es so schnell dazu kommen, dass ich heute panisch in den Keller gerast bin, um meine dicke Daunenjacke hochzuholen und auch noch sofort anzuziehen? Und ich möchte betonen, dass mir keine einzige Sekunde davon zu heiß war. Unglaublich, wie schnell das gerade alles geht. Braun bin ich auch schon nicht mehr. Dafür gibt es längst braune Lebkuchen. Ich weiß, finden alle doof.

Aber morgen fliege ich nach Spanien und da dürfen Leser und ich gespannt sein, was uns da alles bevorsteht. Auf meinem letzten Flug geschah nämlich zum Beispiel das Unfassbare, nein eigentlich gleich zwei nahezu unfassbare Dinge:
1. Ich, der Oberplaner habe mich durch parallele Buchungen und mein sparsames Gemüt davon ablenken lassen, das Ausgabegepäck sofort zu buchen, was man ja neuerdings tun muss, was dazu führt, dass alle ihre schrankkoffergroßen Koffer mit an Bord nehmen und ich mich regelmäßig über mein spießiges kleines Pilotenköfferchen ärgere…aber dazu gleich.
2. Die Maße des Handgepäcks wurden kontrolliert. Und das war so: die beiden Damen in Fiumicino beim Boarden hatten Zeit und Muse und auch den erforderlichen Biss und Grimm, sich die ausladenden Trolleys der Reisendenden in den ordentlich durch diese Aufsteller mit ausziehbaren Stoffstreifen sortierten Passagiere mal genauer anzusehen und unter die Lupe zu nehmen. Wie Wölfe auf der Suche nach einem angeschlagenen Hirsch sind sie durch die Reihen gepflügt und ich, die normalerweise schon in vorauseilende Schockstarre gehe, wenn ich an einem Polizeiauto vorbeifahre, konnte ganz entspannt sein. Meine Strafgebühr für nicht angemeldetes Ausgabegepäck hatte ich ja schon bezahlt, der Rest steckte in nämlichem kleinen Köfferchen und eine bleischwere Handtasche darf mir bei der Fluggesellschaft keiner verwehren. Konnte ich also entspannt zusehen, wie Passagier um Passagier nach vorne zitiert wurde, und seinen Moppel in den dafür vorgesehenen Aufsteller pressen musste. Bei manchen ging es nur, weil sie sich mit vollem Körpereinsatz drauf geworfen haben oder ganze Teile des Koffers in die Handtasche gesteckt haben.

Es gab ein paar, die sich sehr aufgeregt haben, aber ich muss zugeben, dass ich es ab und zu ganz schön finde, wenn ich nicht immer die Einzige bin, die sich an Regeln hält. Ich würde mich zum Beispiel auch mal freuen, wenn es Leuchtpfeile auf Mitpassagiere gäbe, die während Start und Landung telefonieren und sagen „wir starten gerade“ oder Dinge ähnlicher Relevanz von sich geben. Da kommt die Einserschülerin in mir hoch, die meist davon überzeugt ist, dass Regeln das Miteinander eher erleichtern und nur im Ausnahmefall gebrochen werden sollten, weil sonst alles im Chaos versinkt und sie auch was mit Respekt vor anderen zu tun haben. Aber, und das ist mir natürlich vollkommen klar, das ist hasenfüßig und kleinbürgerlich. Andererseits lautet der Anspruch an einen Gentleman zum Beispiel, seinen Mitmenschen das Zusammensein mit ihm besonders einfach und angenehm zu machen. Aber ach, sie sterben ja aus.

Bus, Bahn, Füße

Seit so vielen, vielen Jahren bin ich nun schon in Rom. Und bin noch nie mit dem Bus in die Stadt gefahren. Warum? Weil sich manche Gewohnheiten festigen und dann nie mehr hinterfragt werden. Gewohnheitsrecht nennt man das beim Weihnachtsgeld, zumindest habe ich das in der Uni gelernt und man muss höllisch aufpassen, dass sich das nicht auch in der Ehe irgendwann einschleicht und dann einer empört sagt: He, sag mal, Du hast mir doch immer Frühstück gemacht und die Schuhe geputzt, das ist mein gutes Recht!!! Ich weiß, ich kann Sachen so schreiben, dass man sie glaubt. Wer mich kennt, weiß, dass es Frühstück bei mir nicht gibt. Einen Kaffee ja, aber Frühstück nein. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück auf Los. Um Weihnachtsgeld gehts auch nicht, aber um Bus und Bahn. Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass ich öffentliche Verkehrsmittel liebe. Ich fühle mich mit ihnen so frei.

Das mag widersinnig klingen, aber man hat einfach viel weniger Sorgen, muss nie zum Ausgangspunkt zurück und kann sich völlig frei in einer Stadt bewegen. Sicher, es ist prima, wenn man über ein Back-up wie Taxigeld verfügt und ja, das habe ich sowohl im Hinterkopf als auch in der Handtasche. Und weil ich so abenteuerlustig drauf bin und ganz viele neue Dinge mache zur Zeit, habe ich auch diese Woche gleich zweimal das Abenteuer Bus und Bahn in Rom gewagt. Was soll ich sagen? Perfekt. Nun ist Rom eh keine besonders autofreundliche Stadt. Als es das ZTL, Zone Traffico Limitato noch nicht gab, konnte ich zwar mit meinem Smart und einer gehörigen Portion unerschütterlicher Skrupellosigkeit prima in die Stadt hineinfahren und mit meiner Mutter hinter dem Pantheon parken oder mit meinem Papa auf die Spanische Treppe zurasen, weil ich anders nicht wusste, wie ich zu dem einzigen Tabacchi kommen soll, der am Sonntag Zigarillos verkauft, aber seit vielen Jahren werden leider auch deutsche Autos unerbittlich gejagt und so geht das alles nicht mehr und man muss fürchterlich lange Umfahrungen zu Parkhäusern in Kauf nehmen, die unter all den Amphoren in einen der sieben Hügel gebuddelt worden sind. Die Wege dort hinaus sind länger und ermüdender als so mancher Stadtbummel.

Mit dem Bus hingegen: Supereasy. Man kann damit nämlich sogar zu dieser Wahnsinnsstraßenbahn fahren, die quasi auf den Campo dei Fiori fährt. Und während wir früher mühsam Parkplätze an der Endhaltestellen gesucht haben, dann doch aus Versehen im Parkverbot gelandet sind und einen Strafzettel in Höhe von zwei Taxifahrten bekommen haben, fahre ich heute für 1,50 gemütlich dorthin und lese oder lausche den Unterhaltungen. Halt nein, das geht heute nicht mehr. Seit Steve Jobs die Welt verändert hat (und nicht zu ihrem Guten, wie ich anmerken möchte), sitzen zwei von drei Bus- und Bahnfahrern über ihren Smartphones und tippen und tippen und tippen. Selten gibt es noch menschliche Dramen zu beobachten. Dafür sind die dann umso wertvoller. Zum Beispiel war vorgestern einer mit so einem saublöden Strohhütchen wie der, der neulich gestorben ist, sie immer getragen hat, neben seiner Freundin gesessen und hat in einem fort auf sie eingeredet. Sie hat zum Fenster rausgeschaut und ihn weitgehend ignoriert. Bis er, ja, bis er sie so weit hatte, dass sie geweint hat. Dann kam seine große Stunde: er hat sie an seine Brust gerissen und getröstet. Natürlich war es für das Mädchen nicht nett, aber für alle Drumherum dafür sehr unterhaltend. Wird man grausam durchs Busfahren? Nein, man nimmt nur wieder mehr am Leben teil. Bin sehr begeistert!

Schicksal

Et kütt, wie et kütt, es kommt, wie es kommt. So sagt der gepflegte Kölner angesichts des Unabwendbaren, des Schicksals. Hab ich heute auch erfahren dürfen. Ursprünglich wollten wir – sozusagen traditionsgemäß – zu Mittag ans Meer fahren, denn es ist der September vorbei und das war ja der potenzielle Wendepunkt im Pasquale-Krimi in Ostia. Aber vielleicht wollten wir es unterschwellig nicht wissen und weiterhin in seliger Ungewissheit bleiben oder hatten keine Lust auf die längere Autofahrt (die uns im Sommer gar nichts ausmacht, wenn wir sie Tag für Tag machen). An sich – so waren wir uns einig – wollten wir einfach nicht so viel essen. Und schon gar nicht trinken. Vernünftig sein. Wir kennen uns nach so vielen Jahren nämlich recht gut und wissen, dass es niemals bei ein paar Gamberi mit Salat bleibt….Oder gar bei einer halben Flasche Wein. Also: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

Hochzufrieden mit unserer Selbstdisziplin haben wir den weiteren Tagesverlauf geplant. Und sind schließlich in unseren Lieblingspark gefahren, um dort auch nach Kastanien zu schauen und vor allem, um uns die Beine zu vertreten, denn das coole Vespafahren von Geschäft zu Geschäft so wie gestern hat den Nachteil, dass überhaupt keine Schritte zustande kommen und das macht mich dann wiederum fuchsig. Rom schneidet eh am schlechtesten ab in der Schrittebilanz. In der Villa war es furchtbar schwül und dampfig und fast war ich auf dem Weg, etwas grantig zu werden….Bis wir an meinem Lieblingsbrunnen vorbei gelaufen sind und auf einmal „o sole mio“ durch’s Grün geschmettert wurde. Auf einer Bank, vor einem Baum saß ein Herr und lauschte – wie mein listiger Mann sofort entdeckte – der Musik aus den Lautsprechern aus dem Baum vor ihm. Herrlich war das. Vorbei war aller Grant. Auf dem weiteren Weg haben wir noch unfassbar kräftige Gänse und Enten getroffen, an St. Martin und Weihnachten gedacht und sind – angesichts dieser künftigen Gelage – weiterhin kräftig ausgeschritten. Mit dem Erfolg, dass ich wahnsinnig Hunger bekommen habe. Mein Vorschlag, in Trastevere einen kleinen Mittagshappen zu uns zu nehmen, wurde gerne und sofort aufgenommen. Da nahm das Schicksal dann seinen Lauf.

Gesagt, getan. Heim, umgezogen, auf die Vespa gestiegen, losgefahren. Claudio, der nette Kellner hat sich gefreut, wir uns auch. Und dann sind die Dinge ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Erstaunt und sichtlich verblüfft hat er versucht, unsere Bestellungen in sein neumodisches Gerät zu tippen. Ist ihm fast nicht gelungen. Das Ende vom Lied war, dass wir mindestens genauso viel gegessen haben wie am Meer, nur halt in anderer Umgebung und näher. Manche Dinge sind einfach nicht aufzuhalten. Sie sind Schicksal. Man kann sich ihnen einfach nicht in den Weg stellen. Sollte man auch nicht. Wäre nutzlos.

Notizen

Dass das Leben in und zwischen drei Wohnorten nicht nur aus Café au Lait, Cappuccino und Kaffeetrinken besteht, sondern auch zu einem Gutteil aus Organisieren und logistischer Planung, ist vermutlich jedem klar. Manchmal gleicht es eher einem Transportunternehmen, das internationale Güter hin- und herfährt. Nun habe ich Artikel des täglichen Bedarfs natürlich an allen Standorten und fahre nur Lieblingssachen hin und her. Seit die Airlines sich sogar den Transport von Gepäck bezahlen lassen und die Flughäfen trotz aller Bemühungen kaum in der Lage sind, die Herausgabezeit des Ausgabegepäcks unter der Flugzeit zu halten, wäre es auch kaum möglich, Schuhe, Jeans und weiße T-Shirts mitzunehmen. Und Kaschmirpullis kann man ja eh nicht genug haben, oder? Auch bieten verschiedene Standorte die klimatische Möglichkeit, diverse Schwerpunkte zu setzen. Durchaus gibt es Kleidungsstücke, für die Augsburg noch nicht reif ist oder ich mich zu Tode frieren würde. Aber wusch, gleiten wir schon wieder in die pseudoglamourösen Aspekte ab. Derweil wollte ich doch über was ganz anderes schreiben.

Über Briefe an einen selbst. Abenteurer und Vielreisende aus früheren Zeiten machten es vor. Sensible Geister sowieso. Zu Zeiten von Briefen und Postkarten schrieben sie sich selbst. Je nach Land waren sie weit vor den eigenen Zeilen wieder zu hause, aber wie groß war die Freude, zwischen ärgerlichen Rechnungen und immergleichen Werbesendungen die eigene Schrift zu erkennen und sich selbst an die schöne Urlaubszeit zu erinnern. Wieder andere hinterlegen gleich ganze Prophezeiungen über innenfamiliäre Entwicklungen beim Notar. Oder sie schreiben sich profane Notizen. Menschen wie ich, die Listen aller Art lieben und an Tagen mit hohem Frustpotenzial am liebsten noch „Atmen“ drauf schreiben würden, nur damit es abgestrichen werden kann, lieben es natürlich, Zettel zu schreiben, was am nächsten Standort beispielsweise zu kaufen ist: Gesichtscreme, Finishsalz oder besonderen Pfeffer zum Beispiel. Müllbeutel und Geschirrreinigertabs, die es in der Heimat besser und günstiger gibt, für den anderen. Und weil einen das Hirn trotz aller bester Vorsätze über die Wochen im Stich lässt, macht es Sinn, sich nicht nur zu schreiben, was man noch tun muss, sondern auch wie der Status-Quo ist.

So vergesse ich immer wieder, wann ich das Bett in Rom das zuletzt überzogen habe. Ich nehme mir vor, einen Rhythmus zu halten, aber wer weiß, wann man fliegt, wer kann sich erinnern, wie oft darin geschlafen? Warum wir auf der Welt sind? Und so weiter und so weiter. Seit ich mir diese netten kleinen Zettel schreibe und selbst die wieder vergesse, freue ich mich wie ein Eichhörnchen, wenn es unversehens im hintersten Winkel eines Astlochs einen Vorrat köstlicher Haselnüsse findet. Noch mehr freue ich mich, wenn da steht: Einmal geschlafen. Dann ist es zwar nicht mehr superfrisch, aber erspart mir, gleich nach der Ankunft zentnerschwere Matratzen zu beziehen. Auch bei der saisonalen Wiederinbetriebnahme von Ski- oder Badesachen kann ich mich fürchterlich freuen, wenn ich auf einen Zettel stoße, der mich daran erinnert, die Badetasche zum Schuster zu bringen oder dass die Ski frisch gewachst waren. Man sollte generell viel mehr mit sich selbst kommunizieren. Man ist ja nie derselbe Mensch und so bleibt es auch immer spannend. Echt.