Akzeptanz

Nun hat also ein „Sänger“ den Literaturnobelpreis gewonnen. Aufgeschlossene Geister, deren vordergründigste Eigenschaft darin besteht, ihre Aufgeschlossenheit dadurch zu demonstrieren, dass sie alles Ungewöhnliche, Paradoxe toll finden, finden natürlich auch das tippitoppi. Weil es so ein großartiges „Um-die-Ecke-Denken“ zeigt, beweist, dass die Jurymitglieder nicht auf das, für das sie eingesetzt worden sind, festgelegt sind, sondern auch Querdenker und furchtbar unabhängig und mutig sind. Das ist doch schön. So wie es uns auch freut und erheitert, wenn jemand ein Gänseblümchen statt einer Nelke im Knopfloch hat oder fransig geschnittene Haare oder eine eckige Brille. Das zeugt von Individualität und Flippigkeit. Der weiß, wo er steht, der traut sich was, denken dann die Leute. Hoffentlich. Sagen wir mal: im besten Fall! Sonst denken sie sich eher: wird’s schon nötig haben…..Bob Dylan hat es offenbar nicht nötig. Er reagiert einfach gar nicht auf die herablassenden oder speichelleckenden (je nachdem, wie man diese Preisverleihung betrachtet) Kontaktversuche der ehrwürdigen Akademie.

Gestern habe ich eine liebe Freundin von der Uni getroffen. Sie sieht sich Zeit ihres Lebens immer wieder mit dem Vorwurf der Dominanz konfrontiert. Egal, was sie tut, sie wird als einschüchternd und dominant erlebt. Auch wenn sie schweigt. Oder Angst hat. Oder weint. Immer. Jahrelang hat sie versucht, allen Menschen zu erklären, dass sie es nicht ist, hat erklärt, beschwichtigt und sich durchaus auch mal kleiner gemacht als sie ist. Das ist verständlich, aber ist es auch notwendig? Der richtige Weg? Nur, um in der Masse bestehen zu können und von der Masse akzeptiert zu werden? Der Wunsch, akzeptiert und gemocht zu werden, ist den meisten Menschen inne und das ist auch ein schöner und nachvollziehbarer Wunsch. Aber darf er soweit gehen, dass grundsätzliche Charaktereigenschaften deshalb verleugnet werden? Eigenschaften, die ein Mensch vielleicht gerade deswegen hat, um etwas anderes als die ganzen Anderen zu leisten?

Das sind philosophische Fragen, mit denen sich Pubertierende, Künstler und Genies aller Art rumschlagen müssen. Oder eben Menschen, die eine Eigenschaft mehr haben, als man sie von ihnen erwartet. Nicht alle, aber zumindest Einige von ihnen kommen zu der Art von Selbstliebe und Selbstbewusstsein, zwischen Charakter und Überanpassung unterscheiden zu können. Sie leben dann wie wunderschöne große Bäume unter von Büschen oder harmonisch inmitten eines Waldes von ebenfalls wunderschönen anderen Bäumen. Hervorzuheben, dass Bob Dylan, nur weil er singen kann, auch noch gute Texte schreibt, bedeutet, dass man es ihm schlichtweg nicht zugetraut hätte. Und das ist eine Unverschämtheit, auf die ich auch nicht reagiert hätte.