Bus, Bahn, Füße

Seit so vielen, vielen Jahren bin ich nun schon in Rom. Und bin noch nie mit dem Bus in die Stadt gefahren. Warum? Weil sich manche Gewohnheiten festigen und dann nie mehr hinterfragt werden. Gewohnheitsrecht nennt man das beim Weihnachtsgeld, zumindest habe ich das in der Uni gelernt und man muss höllisch aufpassen, dass sich das nicht auch in der Ehe irgendwann einschleicht und dann einer empört sagt: He, sag mal, Du hast mir doch immer Frühstück gemacht und die Schuhe geputzt, das ist mein gutes Recht!!! Ich weiß, ich kann Sachen so schreiben, dass man sie glaubt. Wer mich kennt, weiß, dass es Frühstück bei mir nicht gibt. Einen Kaffee ja, aber Frühstück nein. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück auf Los. Um Weihnachtsgeld gehts auch nicht, aber um Bus und Bahn. Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass ich öffentliche Verkehrsmittel liebe. Ich fühle mich mit ihnen so frei.

Das mag widersinnig klingen, aber man hat einfach viel weniger Sorgen, muss nie zum Ausgangspunkt zurück und kann sich völlig frei in einer Stadt bewegen. Sicher, es ist prima, wenn man über ein Back-up wie Taxigeld verfügt und ja, das habe ich sowohl im Hinterkopf als auch in der Handtasche. Und weil ich so abenteuerlustig drauf bin und ganz viele neue Dinge mache zur Zeit, habe ich auch diese Woche gleich zweimal das Abenteuer Bus und Bahn in Rom gewagt. Was soll ich sagen? Perfekt. Nun ist Rom eh keine besonders autofreundliche Stadt. Als es das ZTL, Zone Traffico Limitato noch nicht gab, konnte ich zwar mit meinem Smart und einer gehörigen Portion unerschütterlicher Skrupellosigkeit prima in die Stadt hineinfahren und mit meiner Mutter hinter dem Pantheon parken oder mit meinem Papa auf die Spanische Treppe zurasen, weil ich anders nicht wusste, wie ich zu dem einzigen Tabacchi kommen soll, der am Sonntag Zigarillos verkauft, aber seit vielen Jahren werden leider auch deutsche Autos unerbittlich gejagt und so geht das alles nicht mehr und man muss fürchterlich lange Umfahrungen zu Parkhäusern in Kauf nehmen, die unter all den Amphoren in einen der sieben Hügel gebuddelt worden sind. Die Wege dort hinaus sind länger und ermüdender als so mancher Stadtbummel.

Mit dem Bus hingegen: Supereasy. Man kann damit nämlich sogar zu dieser Wahnsinnsstraßenbahn fahren, die quasi auf den Campo dei Fiori fährt. Und während wir früher mühsam Parkplätze an der Endhaltestellen gesucht haben, dann doch aus Versehen im Parkverbot gelandet sind und einen Strafzettel in Höhe von zwei Taxifahrten bekommen haben, fahre ich heute für 1,50 gemütlich dorthin und lese oder lausche den Unterhaltungen. Halt nein, das geht heute nicht mehr. Seit Steve Jobs die Welt verändert hat (und nicht zu ihrem Guten, wie ich anmerken möchte), sitzen zwei von drei Bus- und Bahnfahrern über ihren Smartphones und tippen und tippen und tippen. Selten gibt es noch menschliche Dramen zu beobachten. Dafür sind die dann umso wertvoller. Zum Beispiel war vorgestern einer mit so einem saublöden Strohhütchen wie der, der neulich gestorben ist, sie immer getragen hat, neben seiner Freundin gesessen und hat in einem fort auf sie eingeredet. Sie hat zum Fenster rausgeschaut und ihn weitgehend ignoriert. Bis er, ja, bis er sie so weit hatte, dass sie geweint hat. Dann kam seine große Stunde: er hat sie an seine Brust gerissen und getröstet. Natürlich war es für das Mädchen nicht nett, aber für alle Drumherum dafür sehr unterhaltend. Wird man grausam durchs Busfahren? Nein, man nimmt nur wieder mehr am Leben teil. Bin sehr begeistert!