Benehmen muss man sich überall

Neben vielen tiefschürfenden Gedanken und Überlegungen, die sich wellen-, witterungs- und zeitbedingt eingestellt haben in diesen Sommerwochen, hat sich auch eine Erkenntnis – gerade gestern am letzten Ferienabend – verfestigt: Man muss sich wirklich überall und immer benehmen als säße die Queen am Nebentisch. Oder halt jemand, von dem man nicht möchte, dass er sagt: Da schau her, daheim macht sie immer einen auf Dame und im Urlaub benimmt sie sich wie ein Wildschwein. Was selbstredend bei mir der Fall wäre. Weder das Eine noch das Andere. Auch aus dieser relativen Sicherheit heraus rüttelt es doch am Urlaubsgefühl oder sollen wir besser sagen am Gefühl, einfach mal woanders zu sein und sich ganz neu zu erfinden oder einfach ganz frei zu bewegen, was ja nicht zwangsläufig heißen muss, dass man sich schlecht benehmen möchte, nur eben ohne Zuschauer, wenn man dort dann Bekannte trifft.

Menschen, die unter dem Jahr vielleicht niemals Zeit für ihre Freunde haben, verreisen gerne mit ihnen oder auch solche, die unter dem sogenannten „Horror Vacui“, der Angst vor der Leere leiden oder ihren Partner generell entsetzlich langweilig finden, verreisen gerne in Gruppen oder an Orte, an denen sie auch ihre Freunde wähnen. Aber solche, die sich freuen, mal Zeit zu zweit zu verbringen an einem fremden Ort mit fremdem Menschen und fremdem Essen, trifft der Schlag, wenn sie unvermutet auf einen Bekannten aus dem Berufs- oder Freundeskreis stoßen. Uns ist das in der letzten Woche in mehrfacher Variation passiert. Ein Freund von uns, den wir gemeinsam zum Geburtstag überrascht hatten, durfte gleich bei seiner Ankunft im Hotel als wir hinter dem Vorhang zugeschaut hatten, wie er sein Gepäck aus dem Auto geräumt hat, diese Erfahrung machen. Wer wähnt sich in solchen Momenten schon beobachtet?

Gleiches geschah uns vor ein paar Jahren am Ocean Drive in Miami. Wer muss damit rechnen, dort auf einen Kommilitonen zu stoßen? Morgens um halb neun? Da stellt sich dann die Frage: Wie können Menschen Verhältnisse haben? Wie ihre Partner betrügen? Das ist doch absurd, dass das klappt. Gestern am Strand wurde also eine Freundin von mir offenbar von einer Bekannten beobachtet und gleich zweimal am Sonnenschirm aufgesucht, wie sie am Abend per Nachricht mitteilte und als wir dann abends gemeinsam beim Essen saßen in einem recht kleinen und durchaus auch nicht sehr gastlichen Restaurant am Meer, steht mein Mann plötzlich auf und klopft einem anderen Mann auf die Schulter und schon hatten sich zwei getroffen, die seit langem zusammen an einem Projekt arbeiten und sich gerade in einer der vielen „heißen“ Phasen befinden. Ich kann hochzufrieden sein, ich hatte ein hübsches Kleid an und war zauberhaft wie meistens. Alles gut. Lesson learned. Vielleicht mal ein Eiland mit nur einer Palme? Zumindest werde ich auf dem Rückflug nicht randalieren. Soviel ist sicher.

Ein langer Sommer…

….geht langsam zur Neige. Meteorologisch stimmt das natürlich nicht, denn gerade in Bayern ist ja auch der Sommer eigensinnig und beginnt und endet wann er möchte. Vorschreiben lässt er sich schon mal gar nichts. Und schon gar nicht vom Kalender. Ja wo samma denn? Da sind die mediterranen Sommer schon leichter einschätzen. Sie können einfach nicht anders als warm sein. Es sprudelt so aus ihnen heraus und das maximale Aufbäumen ist, dass es an einem Tag mal keine 35, sondern nur maue 29 Grad hat. Meine Sommerwochen habe ich zum Glück inmitten dieser mediterranen, berechenbaren Zügellosigkeit verbracht und wie es so ist in langen, trägen Sonnenstunden schleicht sich auch immer auch ein wenig Muse und Gedankennachhängen ein. Das bleibt nicht aus beim Blick auf die Unendlichkeit der Wellen und Wolken. Schon Sänger und Dichter wurden von der Sommermagie zu melancholischen Texten und Stücken verleitet, denn eines ist fast jedem klar, der die Sonnenstunden genießt: Sie haben irgendwann ein Ende. Egal, wie lange oder heiß sie sind. Lana del Rey hat der „Summertime Sadness“ sogar ein Lied gewidmet.

Aber sicherlich sind solche und andere Überlegungen wie so Vieles andere Typsache. Wer zum Nachdenken neigt, denkt eben auch darüber nach. Und wem am Meer das ununterbrochene Lesen schwer fällt, der denkt über das Leben und seine vielen Menschen und Wechselfälle nach. Darüber, dass Vieles in Wellen kommt, sich wiederholt, im Fluss ist, schäumt, spritzt und in steter Bewegung ist, auch wenn wir uns so manches Mal einen Stillstand in der Perfektion wünschen würden. Andere Male sind wir sehr dankbar, dass sich stürmische Wellen und Brecher wieder beruhigen und kurze Zeit später zum Baden und Tummeln in glasklarem, warmen Wasser einladen. All dies sind Weisheiten, die in jedem Brigitte-Ratgeber zu finden sind und doch werden sie erst richtig greifbar, wenn sie erlebt werden. Ein bisschen wie das Baden in eben so einer glasklaren Bucht und dem langsamen Trocken auf weichen, klebenden Seegrasstreifen. Wer das im Reiseführer liest, denkt sich, oh prima, da fahr ich hin. Wer es aber nach einem langen Tag auf dem Motorrad erlebt, landet nicht im Wasser, sondern im Paradies.

Kommt das Leben also in einem so langen Sommer, den ich übrigens unendlich geschätzt habe, zur Ruhe wie eben zitiertes Meer, heißt das noch lange nicht, dass das Unterwasserleben auch komplett zum Stillstand gekommen ist. Das geht weiter, egal, ob oben Wellen und Stürme toben oder schönster Sonnenschein herrscht. Unten drunter oder innen drin geht alles seinen gewohnten Gang. Allerdings nehmen sie vielleicht eine andere Richtung. Sie halten sich weniger am Alltag fest, sondern wandern auch mal tiefer in Regionen, in denen sie schon lange nicht mehr waren. Zwar kamen die Gedanken aus dem Ausland zeitweise ein wenig unregelmäßig, aber liebe Leser, auch hier gilt das Wellenprinzip, wir hatten eine kleine Ebbe. Ab nächster Woche hoffe ich, dass sie wieder so regelmäßig und unendlich fließen wie die herrlich glasklaren, scheinbar türkisblauen Wogen, auf die ich heute und morgen noch blicke.

Sternschnuppen

Momentan sind die Nächte der Sternschnuppen, in denen Wünsche in Erfüllung gehen, Liebesschwüre besonders haltbar sind und so mancher Sternengucker zu wenig Schlaf bekommt. Ich selbst habe bewusst, glaube ich, noch keine einzige „Stella cadente“ gesehen, zumindest kann ich mich nicht dran erinnern und das hat bestimmt auch einen guten Grund. Nur einmal in meinem Leben kann ich Sternen und ihrer Konstellation einen Anteil an der Erfüllung eines Herzenswunsches zuschreiben und das war vor ungefähr zwanzig Jahren als meine Stiefmutter mir sagte: Heute Nacht stehen die Sterne besonders, da geht in Erfüllung, was man sich wünscht. Und was soll ich sagen, ein wenig später hat es geklappt und wir sind nach Rom gezogen. Diese Wünsche ans Universum, von denen so viele sprechen, scheinen doch ihre Berechtigung zu haben.

Aber es müssen ja auch nicht immer große Dinge sein, für die man dankbar ist. Ich war gestern den ganzen Tag auf einem Boot, wir sind durch herrlich türkisklare Buchten in einer der schönsten Ecken Italiens geschippert, baden konnte man, Pizza essen und was noch alles mehr. Aber was ist? Man muss solche langen Tage auf dem Meer gewohnt sein, vor allem bei starkem Wind. Irgendwann ist es einfach – trotz Sonnensegel etc. – zu viel Sonne und zu viel frische Luft und dann gibt es nur noch einen Wunsch: geschlossener Raum und Schatten. Geschichten über Menschen, die wochenlang auf einem Schiffsteils übers Meer treiben, bekommen eine ganz andere Bedeutung. Ich weiß nun, für mich wäre das nichts, ich würde mich ins Wasser gleiten lassen und von einem Hai aufessen lassen.

Jedenfalls habe ich – trotzdem es ein wirklich schöner Tag war – abends eine so tiefe Dankbarkeit gespürt für Dinge, die als völlig normal und natürlich betrachtet werden. Für mein Bett, meine Hautcreme, meine Dusche, meinen frischen Schlafanzug, meine kuschelige Decke – einfach alles. Und habe kurz vor dem Einschlafen vor mich hin sinniert, dass es schon schön ist, wenn einem Universen und Sterne Wünsche erfüllen, aber man schon für viel weniger sehr, sehr froh und dankbar sein kann.

Sparsame Frauen

Dies ist ein Beitrag an alle vorurteilsgetriebenen Männer da draußen. Darin geht es – wie könnte es anders sein – auch um Handtaschen und Schuhe, die beiden Accessoires mit dem allerhöchsten Spar- aber auch Fehlerpotenzial! Es gibt ja solche Männer, die sich einen Sport daraus machen, Frauen mit der Unterstellung zu quälen, sie hätten nichts als Schuhe oder Handtaschen im Kopf. Ein für allemal müssen hierzu ein paar Fakten klar gestellt werden:
1. Kaum ein Accessoire gibt es, das mehr Geld spart als eine Handtasche. Mit einer anständigen Tasche können fast alle anderen Teile von H&M sein. Gut, ein kapitaler Brillantring würde auch seinen Teil dazu beitragen, aber mit der falschen Handtasche hielte man sogar den für falsch.
2. Männer packen mehr Zeugs in eine Handtasche hinein als Frauen (und wollen die verstauten Teile unsagbar oft wieder haben „Schatz, Hasi, Liebling – whatever, gibst Du mir mal meine Kreditkarten, mein Handy, mein Geld, die Tickets (beliebig erweiterbar)?!“
3. Handtaschen verbinden, sie schaffen Nähe zu anderen Frauen, können als ultimative Bestätigung für vermutete Charaktereigenschaften dienen, denn bei den verschiedenen Marken und „It-Bags“ (die ich persönlich sehr schwierig finde, weil ich viel zu großen Respekt vor der klassischen Aura richtig schöner Handtaschen habe, um sie nur saisonal schön zu finden oder gar mit schlimmen Frauen in einen Topf geworfen zu werden, indem ich sie trage), zeigt sich zuverlässig, welcher Kategorie die Trägerin wirklich angehört.
4. Investiert man also in eine gscheite Handtasche, begleitet sie einen fast ein ganzes Leben lang. Und wird irgendwann eine richtig wertvolle Vintage-Tasche (von wegen Oldtimer und Garagengold!!! Schrankgold!)
Und nun zu Schuhen:
5. Schuhe können (und tun dies auch zuverlässig) ein noch so nettes Outfit nachhaltig ruinieren. Und auch für sie gilt in jedem Fall Punkt 1, allerdings nicht so sehr, weil sie doch sehr stark der Mode unterliegen und wirklich klassische Schuhe vielleicht zu einem Tweedrock immer prima aussehen, aber wer geht schon täglich im trüben Moor auf die Jagd?
6. Und nun kommen wir zum Ausgangspunkt für diesen Blogeintrag, nämlich dass ich eine besonders sparsame Frau bin, was Schuhe angeht: für unseren kleinen Ausflug an die gegenüberliegende Küste habe ich mit flinker Hand ein paar Sandalen (Wedges) eingepackt, die ich schon sehr, sehr lange habe (bestimmt 12 Jahre, wenn nicht 15). Und was soll ich sagen? Ich sitze beim Aperitif und frage mich, was das für Krümel auf dem Boden sind und es sind meine Schuhe. Teile meiner Schuhe. Sie lösen sich auf, gehen einfach kaputt. Dasselbe hatte ich dieses Jahr schon einmal mit ebenso alten Schuhen, weil ich ja geradezu zwanghaft sparsam bin bei Schuhen wie fast ein jeder weiß. Leider habe ich nur diese Schuhe als Absatzschuhe dabei und mein Mann – und meine Mutter, also die beiden Hauptreferenzstellen, wenn es um Mode und Einkäufe geht – haben mich inständig gebeten, mir doch endlich ein neues Paar zu kaufen. Und was soll ich sagen? Ich konnte diesen Punkt bereits auf dem Weg in die Oper (die übrigens fantastisch war) abhaken. Leider habe ich damit den Navigator außer Kraft gesetzt, aber angesichts der Vorkommnisse hat auch mein Mann verstanden, dass es im Moment wirklich andere Prioritäten als den Weg zur Oper gibt.
Und das war die Geschichte von den sparsamen Frauen.
P.S. Diese Schuhe waren günstig. Sieht man ja, was man davon hat.

Perpetuum Mobile

Ja, Sizilien ist einfach traumhaft schön. Eine Mischung aus Kargheit und Überfluss, Süße und Herbheit, Egoismus und schier grenzenloser Hilfsbereitschaft. Eine Insel, die wieder einmal beweist, dass die Welt letztlich doch ein Nullsummenspiel ist. Dass Gut und Böse sich ausgleichen. Und dass – um gleich noch eine Binsenweisheit anzubringen – wo viel Schatten ist, auch viel Licht ist. Auf Sizilien treffen nicht nur seit Jahrhunderten verschiedne Kulturen aufeinander, es erhält sich gerade in dieser Durchmischung der eigentliche Charakter. Für Außenstehende, gar Reisende wie mich natürlich nicht mal im Ansatz zu ermessen oder zu ergründen. Jedoch habe ich bei den paar Besuchen in den letzten Jahren immer wieder ein Fitzelchen davon zu fassen bekommen. Tausende Flüchtlinge übrigens auch. Und zwar schon lange, bevor ganz Europa sich der Thematik annehmen musste.

Seit wir hierher fahren und teils in traumhaft schönen Häusern wohnen oder wie dieses Mal auf einem Agriturismo, quälen mich die herrenlose Tiere auf dieser Insel. Ganze Urlaube habe ich damit verbracht, mich um sie zu sorgen, sie zu füttern, zu weinen, kurzum den Urlaub dazu zu nutzen, ihn möglichst stark von diesen Emotionen trüben zu lassen. Ich habe Futtersäcke gekauft und da gelassen, weil ich nicht sicher war, dass Bargeld im Sommer nicht an Enkel oder Neffen wandert, ich habe Haushälterinnen beschworen, mir Fotos von dreibeinigen Katzen zu schicken, am besten mit aktueller Tageszeitung daneben nach bester Erpressermanier. Und dann habe ich dieses Mal beschlossen, meinen Aufenthalt als persönliche Übung und Training zu betrachten und mich nicht davon beeinflussen zu lassen. Das ging genau drei Minuten gut und dann stand der weiß-schwarze Welpe vor unserer Türe. Auch durch ihn habe ich durchgeblickt, ihn nicht gestreichelt, gar nichts getan. Aber ich habe mich an der Rezeption nach ihm erkundigt. Ja, vor drei Tagen sei er ausgesetzt worden. Ja, das geschehe immer wieder und die Hotelleitung möge das gar nicht. Und ja, die magere Katze gehöre auch hierher, die habe gerade Babies bekommen. Prima, das konnte ja eine umfangreiche Prüfung werden.

Mir ist es gelungen, den Hund nicht anzusehen, die Katze zu ignorieren und dennoch teilte mir Emanuela von der Rezeption mit, dass der kleine Hund abgeholt worden sei. Ich war erst mal sehr froh. Aber als dann am nächsten Abend eines der noch blinden neugeborenen Katzenbabies den gesamten Innenhof jämmerlich zusammenmiaut hat, während ich vor einem Fisch gesessen habe, war es zuviel des Persönlichhkeitstrainings und ich bin ins Bett geflüchtet. Am nächsten Tag war der Plan da. Ich habe Emanuela gefragt, wen sie anrufen, wenn solche Tiere in Not seien und dass das ja wohl häufiger passiere. Sie hat mir alles herausgesucht, ich bin heute Morgen mit einem Umschlag zur Arbeitsstelle der Frau, die für die Organisation auf Sizilien verantwortlich ist, habe ihr den Umschlag gegeben, ihr gesagt, dass ich vom Hotel komme und ihre Arbeit wunderbar und großartig finde, sie hat sich wahnsinnig gefreut, behält das Hotel in Erinnerung, sieht ihre Arbeit gewertschätzt und alles in allem ist mit ein bisschen Geld und Aufwand ein Perpetuum Mobile an „Wahrnehmen und Wahrgenommen werden“ in Bewegung gesetzt worden, das unendlich wichtig ist, damit das Gute nicht den Mut verliert und weiter macht, obwohl es niemals am Ziel oder Ende sein wird.

Meine erste Kreuzfahrt

Heute habe ich meine allererste Kreuzfahrt gemacht. Klar, ich bin schon mal mit einem kleinen Dampfer in der Schweiz rumgerast, aber es war August und damit bitterkalt in diesem blöden Luzern und alles war grau und windig. Zwar war meine Mutter dabei, aber das hat nur bewirkt, dass wir beide jämmerliche gefroren haben. Heute hingegen…..100 shades of blue, Sonne, leichter Wind und auf zu zwei der ägadischen Inseln. Es war natürlich eine richtige Touristengeschichte, aber eben ganz wunderbar. Toll organisiert, liebevoll umgesetzt, einfach herrlich. Morgens um halb zehn pünktlich ging’s los mit einem Caffè an Bord. Ich saß ganz vorne und mir war klar, dass das ein kurzes Vergnügen sein wird, da die Sonne schon um diese Zeit sehr stechend war. Der Fahrtwind hat mich alten Seehasen natürlich nicht darüber hinweggetäuscht und so habe ich in kürzester Zeit wie eine der etwas verschrobenen reisenden Engländerinnen ausgesehen, die vor ca. hundert Jahren Europa und die gesamte Reisebranche unsicher gemacht haben. Mit Strohhut und langärmligen Kleid und allem, was dazu gehört. Natürlich auch Fotoapparat vor dem Bauch.

Schon nach kürzester Zeit gab es einen Badestopp und Duzende unerschrockener Menschen haben sich tollkühn in das scheinbar türkise Wasser gestürzt. Silvana und ich sind an Bord geblieben. Wer Silvana ist? Silvana ist die Mutter von Deborah und die beiden sind ganz zügig meine Reisefreundinnen geworden. Wir haben zwar nicht viel gesprochen, aber ich weiß dennoch so ziemlich alles, was man bei Wellengang, Motorgeräuschen und mehreren Land- oder Badegängen so wissen kann. Leider habe ich sie zum Schluss aus den Augen verloren. Aber der Reihe nach: Gegen Mittag waren wir in Favignagna und wurden an Land gescheucht, nicht ohne die Ermahnung, dass wer um halb zwei nicht zurück an Bord sei, eben dort bleiben müsste. Favignana ist ein leidgeprüfter kleiner niedlicher Ort mit zwei hübschen Plätzen, die durch zwei Fußgängerzonen miteinander verbunden sind, wo es alles zu kaufen gibt, was es auch am Strand gibt, nur eben etwas teurer.

Überhaupt hätte ich gleich zu Beginn des Landgangs einen verheerenden Fehler begangen, weil ich im Schaufenster des ersten Ladens gedacht habe „Sieh an, machen die hier auf dieser kleinen Insel auch so süße bunte Taschen, wie sie gerade überall Mode sind, da nehme ich doch lieber hier eine als dort, wo sie 1900,- kosten! Man muss eben nur warten können!“ Und kurz bevor ich siegessicher so ein perlenbesetztes, buntes Dingelchen auf den Tresen wuchten konnte, habe ich kurz innegehalten und mich umgesehen und das puristische Interieur betrachtet, instinktiv auf den Preis geschaut und was soll ich sagen: 1900,-. Muss man auf einer so kleinen Insel mit sowas rechnen? Eben. Das war aber auch wirklich die einzige Enttäuschung des ganzen Tages und nicht mal eine schlimme. Dafür habe ich nun ein Glücksband mit bunten Glücks-Schildkröten und ganz viel wunderschönen Erinnerungen an Schiffe, die im türkisblauen Wasser Schatten werfen und zu schweben scheinen und Buben, die von der Kaimauer ins Wasser springen und sich an einem Tau wieder hochziehen. Es gibt schon auch wirklich schöne Erlebnisse auf der Welt. Auch in diesen Tagen. Nur Mut!

Kindisch im Flugzeug

Zum Glück fliege ich nicht so oft wie andere Menschen in meinem Umfeld, aber schon die paar Male genügen, um mich zu wundern. Nämlich über manche Mitflieger. Die schauen zwar bei den Sicherheitsmaßnahmen gelangweilt weg, benehmen sich aber beim Ein- und Aussteigen so als wären sie zum ersten Mal auf einer Flugreise. Oder sie sind schlichtweg unverschämt. Es beginnt im Zubringerbus, wenn alle nur reinhüpfen und dann in der Türe stehenbleiben. Regelmäßig muss dann der Busfahrer kommen, die Leute in die Gänge scheuchen, damit mehr als die zwölf Hanseln reinpassen, die bislang drinnen stehen. Unter Gebrummel und Gemaule weichen sie dann widerwillig in die Gänge zurück und schauen mit bösen Augen auf die Eindringlinge von außen.

Im Flugzeug selber wird es dann nicht besser. Koffer, die Überseeformat haben, werden in die Gepäckfächer gestopft und weil es ja noch Platz gibt, werden sie kreuz und quer postiert, hier noch ein Hütchen drauf, dort eine Louis Vuitton Tasche oder ein kleines Laptoptäschchen. Dann gemütlich hinsetzen und feststellen „boah, wir sind ganz schon voll heute!“ Wer danach kommt, hat halt Pech. Natürlich hat das zugenommen, seit es bei allen Fluggesellschaften verschiedene Tarife mit oder ohne Gepäck gibt. Dass man bei den sogenannten Billigfliegern, wo einem die Knie an der Sitzlehne anstoßen nicht gerne große Taschen unter dem Vordersitz hat, kann ich ja noch verstehen, aber bei unserer guten Lufthansa ist das für die meisten Menschen größenmäßig wirklich kein Problem. Sie quieken dann aber lieber, weil ihr Strohhut verdäumelt wird oder die Handtasche umkippt.

Ganz besonders drollig finde ich Menschen, die sich nicht mal für eine Stunde voneinander trennen können und unglaubliche Sitzplatz-Tauschmanöver mit Mitreisenden anstrengen, um nur ja nicht getrennt fliegen zu müssen. Es ist an sich nicht viel anders als im Schulbus früher. Und das zeigt wieder einmal, dass die meisten Menschen zwar älter und vielleicht noch wohlhabender, keinesfalls aber reifer werden.

Meinungsaustausch

In den letzten Tagen hatte ich das große Glück, mit Menschen zusammenzukommen, die in Positionen sind, von denen man gemeinhin annimmt, dass sie einen größeren Einfluss auf den Lauf der Welt haben, als man selbst. Natürlich habe ich die ganz besonders beobachtet und ihnen zugehört. Und was soll ich sagen? Mein Schluss aus diesen sehr, sehr interessanten Tagen ist, dass das, was ich schon immer vermute und als Handlungsgrundlage unterstelle, auch hier zutrifft: es kommt auf den Charakter und die Persönlichkeit an und wenn einer ein grundsätzlich optimistischer und positiver Mensch ist, dann unterstellt er das auch bei anderen und handelt dementsprechend und schwupps, schon handeln auch die anderen so. Ist natürlich praktisch, wenn Derjenige dann in einer Position ist, dass gleich ganz viele Menschen so handeln können.

Ungleich schwieriger ist es vermutlich, diese wohlwollende Position auch gegen die Realität zu halten. Gegen all die schlauen Einflüsterer, deren Rolle und Position maßgeblich davon abhängt, welche Schwierigkeiten in der Zukunft sie bedacht haben und darauf hingewiesen haben. Das Leben, so wird oft weise gesagt, lehrt einen, vorsichtig zu sein. Das ist wahr, aber es könnte einen auch lehren, dass man offenbar mit Vielem fertig wird, sonst könnte man das ja gar nicht mehr sagen, oder? Im Rahmen dieser Begegnungen durften wir auch eine besonders schöne Führung in den Uffizien erleben und relativ ungestört einige der größten Meisterwerke der Malerei betrachten. Da diese Werke entstanden, ja gewachsen sind und nicht in einer Millisekunde durch einen Fingerklick produziert werden konnten, sondern Zeit und Talent und auch Geld erfordert haben, war es wichtig, möglichst viele Informationen hinein zu packen. So sind in einem Bild von Botticelli 190 verschiedene Blumenarten, von denen es 140 heute noch gibt. Das muss man sich mal vorstellen, so eine Detailtreue und dann noch bedenken, wer welche Handhaltung hat und warum!

Egal, ich schweife ab. Was ich zum Ausdruck bringen möchte, ist lediglich Folgendes: Einflussreiche Menschen, ob Politiker oder Künstler, werden als solche bezeichnet, weil sie Einfluss auf andere Menschen und – so scheint’s – den Lauf der Dinge haben. Sie werden von denselben Impulsen gesteuert wie „normale“ Menschen und somit sind wir alle auf unsere Art einflussreich und sollten uns unserer Motive und Handlungen sehr wohl bewusst sein. Vielleicht überdauern sie wie diese herrlichen Gemälde auch unsere Lebenszeit und beeinflussen noch weit nach unserer Lebenszeit andere Menschen.

Reisestatistik

Reisen unterliegen der Statistik genauso wie alles andere. Mal gehts gut, mal weniger gut. Meine Statistik der letzten 17 Jahre sah bislang sehr gut aus. Kaum Verspätungen, kaum Ärger und seit es die Billigairlines gibt viel Freiheit und mehr Pünktlichkeit als bei den großen Gesellschaften. Aber wie es mit Statistiken so ist, braucht es auch Ausreißer und so einer war gestern. Zwar war ich trotz Staus pünktlich am Flughafen, aber schon bei der Kontrolle hätte mir auffallen müssen, dass es anders werden würde. Die Kontrollen in D waren alle geschlossen, bitte zu E weitergehen. Dort war eine sehr nervöse Frau zugange, bei der ich sofort in eine Schockstarre verfallen bin, denn alles andere hat sie noch mehr aus dem Konzept gebracht. Natürlich eine Gateänderung, große Überfüllung am Terminal 1, keine Sitzplätze und an der einzigen Gastronomie eine Schlange wie beim Abflug nach Mallorca.

Dann Verspätung. Dann, weit nach der Verspätung, die Ansage, es ginge in zehn Minuten los. Während der Durchsage wurde wieder das Gate geändert, was der Durchsager nicht kommentiert hat, weil er es nicht gesehen hat (es stand über seinem Kopf), aber die Passagiere tatkräftig umgesetzt haben und so ist uns der Herr quasi mit dem Mikro in der Hand nachgehoppelt. Dann eine ausgesprochen selbstgerechte italienische Kleinfamilie, die sich ausführlich über die Missstände in Deutschland, respektive München und darüber beschwert hat, dass sie ihren kleinlastergroßen Kinderwagen nicht mit ins Flugzeug nehmen dürfen, obwohl doch das Bambino schon beim Check-in drin gesessen hätte und man da doch nun wirklich hätte eins und eins zusammenzählen können. In schlechtem Englisch wurde der sichtlich überforderte Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass es „your work, not mine“ sei. Mei!!! Das sage ich auch mal, wenn in Italien was nicht klappt!!!

Im Bus ca. 45 Grad, dann große Rundfahrt, dann wieder zu einem Glasturm und von diesen aus ins Flugzeug. Dann über eine halbe Stunde auf den zweiten Bus warten. Und dann eine echt grantige Sitznachbarin, die sich mit missbilligenden Blicken über alles und jeden aufgeregt hat. Irgendwann bin auch ich wohl in Ungnade gefallen und als sie auch noch gegen das ungeschriebene Gesetz verstoßen hat, den Fensterplatz beim Aussteigen aus der Reihe treten zu lassen, so dass er nicht gebückt am Gangplatz stehen muss (deshalb buche ich nie Fenster!!!), war sie mir ziemlich unsympathisch. Im Gang zum Terminal wollte sie sich dann an mir vorbeirammeln, aber da war dann ich bockig und auf einmal ziemlich breit. Sie lief dann erstaunlich flink schräg hinter mir und musste Zeugin werden, wie ich – zum ersten Mal übrigens – mit Namensschild und allem Vor und Zurück von einem zauberhaften Fahrer abgeholt wurde, während sie, auf dem Weg zu ihrem Sammeltransport neben uns hertapperte. Bin dann doch ganz zufrieden heim gefahren. Kann manchmal sehr kindisch sein.

Richard Gere und andere Enttäuschungen

Gestern Abend kam der Film, bei dem ich nachts um drei problemlos als Synchronsprecherin einspringen könnte. Bei dem man lernt, dass Erdbeeren den feinen Geschmack des Champagners unterstützen, ein Fuß so lang wie die Elle ist und ein Lamborghini mit einer H-Schaltung ausgestattet ist. Der Film mit einem strahlend schönen, jungen Richard Gere. Der neben der ebenso strahlend hübschen Julia Roberts auf Mörderhighheels noch stattlich und groß wirkt. Hach, was hab ich mir für Berufsalternativen ausgemalt, als ich diesen Film während meines strohtrockenen BWL-Studiums gesehen habe. Geht doch auch anders, wenn man das Herz am rechten Fleck hat. Wozu all das Studium? Warum Deckungsbeitragsrechnung? Wozu Buchhaltung? All you need is love. And luck.

Ich war natürlich wie die meisten anderen Mädels zu dieser Zeit heillos in Richard Gere verliebt. Wie gerne hätte ich ihn getroffen. Aber wie groß sind die Chancen, dass er mal zufällig durch die Maximiliansstraße in Augsburg läuft? Eben. Als ich dann Jahre später mit meinem Mann in New York war und wir von einer langen Sightseeingtour ins Hotel zurückgekommen waren, bemerkten wir einen großen Wirbel bereits in der Eingangshalle. Wir waren damals noch recht jung und – man möchte nicht protzen – gutaussehend und so sind wir trotz Turnschuhen und Daunenjacken in ein veritables Blitzlichtgewitter geraten. Aber wer will das schon in Turnschuhen, wo die Ausgehroben nur elf Stockwerke entfernt im begehbaren Kleiderschrank hängen? Eben. Also nichts wie hoch, umziehen. Schließlich war unten irgendeine jährlich stattfindende Preisverleihung im Gange. Mein Mann wollte nicht, also bin ich alleine runtergesaust. Das war ein Risiko, weil ich nur so wenig Menschen erkennen kann, mit oder ohne Brille. Sie müssten schon genauso aussehen wie das letzte Mal als ich sie gesehen habe. Und am besten genau neben mir sitzen. Und sich vorstellen.

Als ich gedankenversunken aus dem Aufzug gestürmt bin, hätte ich aus Versehen fast einen zarten kleinen Mann umgerannt. Und weil mir die Frau, die kurz hinter ihm lief, bekannt vorkam, habe ich mich umgedreht und was soll ich sagen? Das war Richard Gere. Mein Eduard Louis. So winzigklein und zart. Ein Elend. Ich glaube, ich habe auf dem Absatz kehrt gemacht und bin wieder hoch zu meinem eigenen stattlichen Mann. Das bringt doch alles nichts. Träumen soll man nicht nachjagen, sondern sie genau so lassen, wie sie sind. Führt nur zu Verdruss. Und deshalb möchte ich mir – obwohl man sie mir von allen Seiten aufzudrängen versucht – keine aktuellen Bilder von Colin Firth ansehen. Noch so einen Schock vertrage ich nicht. Jetzt eh nicht mehr, habe mein Studium abgeschlossen. Lohnt sich nicht mehr. Brauche keine Alternativen mehr.