Ja, Sizilien ist einfach traumhaft schön. Eine Mischung aus Kargheit und Überfluss, Süße und Herbheit, Egoismus und schier grenzenloser Hilfsbereitschaft. Eine Insel, die wieder einmal beweist, dass die Welt letztlich doch ein Nullsummenspiel ist. Dass Gut und Böse sich ausgleichen. Und dass – um gleich noch eine Binsenweisheit anzubringen – wo viel Schatten ist, auch viel Licht ist. Auf Sizilien treffen nicht nur seit Jahrhunderten verschiedne Kulturen aufeinander, es erhält sich gerade in dieser Durchmischung der eigentliche Charakter. Für Außenstehende, gar Reisende wie mich natürlich nicht mal im Ansatz zu ermessen oder zu ergründen. Jedoch habe ich bei den paar Besuchen in den letzten Jahren immer wieder ein Fitzelchen davon zu fassen bekommen. Tausende Flüchtlinge übrigens auch. Und zwar schon lange, bevor ganz Europa sich der Thematik annehmen musste.
Seit wir hierher fahren und teils in traumhaft schönen Häusern wohnen oder wie dieses Mal auf einem Agriturismo, quälen mich die herrenlose Tiere auf dieser Insel. Ganze Urlaube habe ich damit verbracht, mich um sie zu sorgen, sie zu füttern, zu weinen, kurzum den Urlaub dazu zu nutzen, ihn möglichst stark von diesen Emotionen trüben zu lassen. Ich habe Futtersäcke gekauft und da gelassen, weil ich nicht sicher war, dass Bargeld im Sommer nicht an Enkel oder Neffen wandert, ich habe Haushälterinnen beschworen, mir Fotos von dreibeinigen Katzen zu schicken, am besten mit aktueller Tageszeitung daneben nach bester Erpressermanier. Und dann habe ich dieses Mal beschlossen, meinen Aufenthalt als persönliche Übung und Training zu betrachten und mich nicht davon beeinflussen zu lassen. Das ging genau drei Minuten gut und dann stand der weiß-schwarze Welpe vor unserer Türe. Auch durch ihn habe ich durchgeblickt, ihn nicht gestreichelt, gar nichts getan. Aber ich habe mich an der Rezeption nach ihm erkundigt. Ja, vor drei Tagen sei er ausgesetzt worden. Ja, das geschehe immer wieder und die Hotelleitung möge das gar nicht. Und ja, die magere Katze gehöre auch hierher, die habe gerade Babies bekommen. Prima, das konnte ja eine umfangreiche Prüfung werden.
Mir ist es gelungen, den Hund nicht anzusehen, die Katze zu ignorieren und dennoch teilte mir Emanuela von der Rezeption mit, dass der kleine Hund abgeholt worden sei. Ich war erst mal sehr froh. Aber als dann am nächsten Abend eines der noch blinden neugeborenen Katzenbabies den gesamten Innenhof jämmerlich zusammenmiaut hat, während ich vor einem Fisch gesessen habe, war es zuviel des Persönlichhkeitstrainings und ich bin ins Bett geflüchtet. Am nächsten Tag war der Plan da. Ich habe Emanuela gefragt, wen sie anrufen, wenn solche Tiere in Not seien und dass das ja wohl häufiger passiere. Sie hat mir alles herausgesucht, ich bin heute Morgen mit einem Umschlag zur Arbeitsstelle der Frau, die für die Organisation auf Sizilien verantwortlich ist, habe ihr den Umschlag gegeben, ihr gesagt, dass ich vom Hotel komme und ihre Arbeit wunderbar und großartig finde, sie hat sich wahnsinnig gefreut, behält das Hotel in Erinnerung, sieht ihre Arbeit gewertschätzt und alles in allem ist mit ein bisschen Geld und Aufwand ein Perpetuum Mobile an „Wahrnehmen und Wahrgenommen werden“ in Bewegung gesetzt worden, das unendlich wichtig ist, damit das Gute nicht den Mut verliert und weiter macht, obwohl es niemals am Ziel oder Ende sein wird.
O Gott ! Ich bin froh, dass hier nur Enten am See sitzen, die wild sind und keine Fürsorge benötigen. Die ganzen Hunde allerdings, die hier Urlaub machen, find ich saublöd und mein süßer Lenny auch. Die haben keinerlei Anstand und Lenny meint in seinem Alter dies auch jedem dieser Rotzlöffel sagen zu müssen. Da nimmt der auch keine Rücksicht, wenn es sich um einen Schäferhund handelt. Habe ihm nun geraten, sich da etwas zusammen zu reißen denn wenn der will zerrreisst er ihn in der Luft. Scheint ihm relativ egal zu sein. Nun wie gesagt, es sind hier keine hilfsbedürftigen Tiere weit und breit zu sehen und das ist auch gut so. Morgen werden wir weiter reisen, auch zu einem Agriturismo dort sollen 1000 Schafe, ein Hund, ein Esel, ein Pferd und was weiß ich noch leben. Mal schauen, wie es denen geht und was Lenny meint denen sagen zu müssen.
Einmal habe ich es bereits erwähnt, der Hauptgrund und einzige Grund, nie mehr nach Ostasien zu reisen, ist der Umgang mit den Tieren. Fast hätten wir einen Hund aus Thailand mitgebracht, gescheitert ist es dann letztlich am Flugkapitän der Lufthansa. Ich will das alles nicht mehr sehen, das verdirbt mir die ganze Reise. Hinter jedem Busch vermutete ich gequälte Tiere. Wenn ich wieder auf die Welt komme, studiere ich Tiermedizin und reise dann in solche Länder und kastriere alle wild rumlaufenden Hund und Katzen. Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, dem Thema Herr zu werden. Was die Menschen miteinander machen, ist mir egal, denn nach den Vorfällen der vergangenen Tage habe ich sowieso den Eindruck, dass in diesen Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen, nur die jungen Männer gefährdet sind, die völlig unterprivilegierten Frauen können das Elend ja aussitzen und diese aggressiven, ungebildeten Männer haben wir mit ihren sexuellen Nöten am Bein. Das Thema ist unendlich und nicht zu bewältigen. Ich mach mir jetzt meine Gummibärle auf und dann können mich alle……
Mare, ich erwarte von Dir, dass Du Rücksicht auf die Schafe nimmst! Gütig und freundlich sein! Und nicht jagen!