Reisen bildet,

bildet man sich gemeinhin ein. Bei mir bildet sich beim Reisen inzwischen eine Art von Panik. Was mag dieses Mal geschehen? Was verboten sein? Welche neue Regel gibt es, die ich nicht kenne und dadurch übertrete? Siegessicher habe ich meinen kabinentauglichen Koffer heute gepackt, recht voll, muss ich zugeben und den Rest in meine freundlicherweise Shopper genannte Tasche gestopft. Am Flughafen ist mir dann noch ein Geschenk in die Hände gefallen und weil es ein Geschenk ist, hab ich es mir in einer stabilen, recht voluminösen Schachtel verpacken lassen. Hochzufrieden und bar jeglicher Zweifel habe ich mich in die lange Schlange vor dem lange geheim gehaltenen Gate eingereiht.
Die kräftige Dame vor mir hat immer wieder meinen Blick gesucht und weil ich im Zweifel mit Mitreisenden immer eher freundlich bin, man weiß nie, an wen man sich beim Wassern klammern kann, habe ich natürlich zurück gelächelt. Daraufhin hat sie mir den Grund für das lange Warten erklärt: man darf nur ein Gepäckstück haben. Huch!!! Ich war mir ganz sicher, dass gerade bei dieser Airline zwei möglich sind. Selige Ignoranz. Ich dachte mir, ach, das klappt schon. Hat es auch bei der Kontrolle, aber nicht mehr danach. Da war dann ein Mann, der ausgesprochen ungut verlangte, ich solle sofort und zwar im Sinne von SUBITO aus drei Gepäckstücken eines machen. Dann hat er sich einer weiteren Sünderin zugewandt und ich dachte, schleichst Du Dich mal wie bei Tom und Jerry auf Zehenspitzen davon. Um nicht durch Gerenne auffälllig zu werden, bin ich normal zügig diese saublöden langen Schleifen hinab zum Flugzeug gegangen und kurz bevor ich unter das schützende Dach gelangen konnte, hat er mir recht harsch „SIGNORA!!!!“ nachgerufen.
Jetzt lebe ich lange genug hier, um zu wissen, wann ich unschuldig, gar doof tun muss, aber leider lebt auch dieser Angestellte schon lange und vermutlich leidvoll mit schwindelnden Italienerinnen mit Unschuldsmine zusammen. Ich habe also auf dem Gang, sichtbar für ihn und alle anderen, meinen Koffer aufgemacht, der eh schon fast explodiert ist und eine Daunenjacke rausgezogen, einen dicken Schal und den Rest der Tasche reingestopft. Die Daunenjacke habe ich mir über meine Lederjacke gezogen, denn das muss man schon noch mir überlassen, wann ich friere. Ich finde 30 Grad NICHT warm. Den Schal hab ich in die Hand genommen, zu allem bereit.
Im Flugzeug ging die Schikane weiter und jetzt sitze ich hier und tippe heimlich, fühle mich wie zuletzt in der Schule, wenn ich keine Hausaufgaben gemacht hatte und fürchte mich, ob es solche Kontrollen auch auf französisch beim Aussteigen gibt. Der Herr zwei Sitze neben mir ist übrigens sehr gescholten worden, weil er sein Sakko an den dafür vorgesehenen Haken der Rückenlehne gehängt hat. Der Haken ist offenbar eine Falle. Hab wieder was gelernt. Reisen bildet wirklich.

Das (re)kultivierte Seidenhuhn

Man geht nie dümmer heim, als man weg ist. Das ist einer meiner Lieblingssprüche. Und auch am Wochenende war es wieder so. Anlässlich einer Familienfeier waren wir in einer herrlichen Buschenschenke und davor und darin und auch in den Weinbergen liefen die eigenartigsten Vögel rum. Plüstrig, weiß, seidig, mit zartem Angoraflaum an Kopf und Schwanz. Das, so sagte Zia Luciana, sei eine alte Hühnersorte, die sie aus ihrer Kindheit kenne und die am Aussterben war. Und jetzt hat man sie rekultiviert. Es ist die Rasse des Seidenhuhns. Schön, solche Rekultivierungen. Sehr putzig anzusehen und wenn man Experten glauben darf, ausgesprochen köstlich im Verzehr – auf den Federn schläft man sicherlich auch ganz weich.
Weniger schön sind all die Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die zurzeit kultiviert werden. Beinahe jeder hat eine. Wer keine hat, steht auf dem Empfindungslevel eines Wildschweins. Ich zum Beispiel. Fast wäre ich geneigt, mir eine zuzulegen. Es ist so glamourös, vor versammelter Mannschaft immer wieder zu fragen, ob da auch wirklich keine einzige Zwiebel oder nicht ein Gramm Brot drin ist oder ob es auch laktosefreies Vanilleeis gibt. Man ist halt gleich ein bisschen besonderer und der, der alles wahllos und nur nach den Maßstäben des Schmeckt oder Schmeckt-nicht in sich hinein mümmelt steht etwas undifferenziert da. Um in jedem Fall politisch korrekt zu bleiben, sind selbstverständlich die armen Menschen ausgenommen, die wirklich unter solchen Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden. Da es sich hierbei um lediglich 3-4 Prozent der Bevölkerung handelt, treffe ich statistisch betrachtet, nicht allzu viele. Höchstens die Nahrungsmittelindustrie mit ihren fabelhaft teuren Nischenprodukten, die wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, könnte mir gram sein.
Das zauberhafte Seidenhuhn übrigens isst auch alles, was ein normales Huhn eben so zu sich nimmt.

All you can find

Das Eingeständnis, noch an keiner einzigen Kreuzfahrt teil genommen zu haben, kommt heutzutage einer Bankrotterklärung gleich. Und nicht mal ein ordentlicher Bankrott gilt mehr als Entschuldigung, weil einem die Mastfahrten ja buchstäblich nachgeworfen werden. Und da kommen wir auch schon zu des Pudels Kern: Ich könnte beim allerbesten Willen keine Kreuzfahrt mitmachen, weil ich bereits auf hoher See gepeinigt wäre von dem Gedanken, wie ich all die Buffets wieder von den Hüften und Rippen bekomme.

Verlockend wäre es natürlich schon, aber ich bin leider nicht ein solches Muster an Disziplin. Wenn Feines vor mir steht, muss ich es konsumieren, ob es nun Essen oder Alkohol ist, es fließt sozusagen in mich hinein. Und da ich seit einiger Zeit weiß, dass ich ein Erd-Typ bin, setzt es sich fest. Hat es schon vorher, aber jetzt ist es amtlich. Vom Stamm bis in die Wurzeln und Äste mit der Absicht zu verweilen. Das tut es dann auch. Für ganz, ganz lange. Das bisschen Paddeln, zu dem ich mich im Bordpool sicherlich aufraffen könnte, hilft da auch nichts mehr.

Und dann die Landgänge. Schlaraffenstunden in lauschigen Hafenrestaurants, die Fische kommen einem auf den Teller gehüpft, begleitet von feinsten Rosmarinkartoffeln und zum Nachtisch irgendwas exzellent Landestypisches. Welche Figur soll das überstehen? Es geht einfach nicht, wenn man nicht mit der Gabe der Überangebotsblindheit geschlagen ist. Mein Vater zum Beispiel würde auf so einer Reise verhungern. Er kommt mit Überangebot überhaupt nicht klar und kehrt von üppigen Hotel-Frühstücksbuffets meist mit leerem Teller und ratlosem Blick an den Tisch zurück. Wo wir das alles gefunden haben, fragt er dann  anklagend auf die Räucherlachse und Crepes auf unseren Tellern schauend und wenn wir ihm sagen, dass sie direkt neben den Semmeln und der Butter waren, schüttelt er verzweifelt den Kopf. Er ist ein Gast der alten Schule und bestellt dafür dann immer diverse Eivarianten. Die stehen auf der kleinen Karte auf den Tischen und werden von netten Damen oder Herren serviert.

Und eigentlich hat er ja auch Recht. Dieses zwanghafte Selbstbedienen hat viele Tücken. Nachdem ich einmal einen Samowar verstanden habe, bin ich in Hotels zum eingefleischten Teetrinker geworden, weil ich nicht willens bin, mich durch sämtliche Kaffee-Vollautomaten-Hersteller zu arbeiten, um an einen normalen Kaffee zu gelangen. Und hier schließt sich der Kreis wieder: als meine Mutter mal sachte darauf hingewiesen wurde, dass sie für ihr Frühstück selbst verantwortlich sei, hat sie mir empört zugeraunt: Das gibt es ja auf keinem Schiff! Und nicht mal das stimmt noch.

Freudige Erwartungen

Ich habe oft Gäste, jetzt etwas weniger als früher, aber immer noch oft, dafür  wie oft wir an einem Ort sind. Das ist herrlich und ich genieße es sehr. Manche hole ich sehr gerne vom Flughafen ab, meinen Mann natürlich eh. Und am Flughafen – ich hab schon drüber geschrieben – geht meine Fantasie regelmäßig mit mir durch. All die Begrüßungstransparente, die unbequemen Schuhe, die etwas engen Kleider, die langstieligen Rosen. Da müsste man schon ein abgestumpfter Tropf sein, um da nicht sofort tausende von Geschichten im Kopf zu haben.

Die Frau im schmalen kurzen Blumenkleid mit den hohen Lacksandaletten wartet vielleicht auf ihre Urlaubsliebe? Sie geht unsicher auf uns ab und fährt sich immer wieder durch die Haare. Sieht sehr nett aus, vor allem, weil sie sich so unsicher ist. Oder vielleicht haben sie sich im Internet kennen gelernt. Denn wieso sollte sie ihn sonst noch nicht gut kennen und trotzdem so aufgeregt abholen? Immer wieder schaut sie auf die Anzeigetafel, was einem in Rom rein gar nichts an Information bringt. Ich habe eine Stunde auf einen Flug gewartet, der eine Stunde als gelandet angezeigt war. Aber das nur nebenbei. Als der Mann dann da war, war er – zumindest für mich – eine Überraschung. Kahl, in Jeans und T-Shirt muss er wohl einen besonders guten und gelassenen Charakter haben, dass sich eine so zauberhafte Frau so hübsch macht für ihn und er überhaupt nicht.

Oder die Familie mit Kindern und Eltern, die immer wieder die Schleife am Kopf des Babys zurecht rücken. Dann kommt ein junger Mann mit Rucksack aus dem Terminal, alle stürmen auf ihn zu, vor allem aber ein junger Mann, der ihm sehr ähnelt, sein Bruder? Der weint und weint (ich übrigens auch, wenn ich mich dran erinnere) und alle anderen weinen auch und ich denke mir, wer weiß, Weltreise? Militäreinsatz? Baby unerwartet in der Zwischenzeit geboren? Was für wunderschöne Stunden jetzt kommen werden, bis der Alltag  wieder einsetzt. Bis er halt wieder da ist und sein Motorino mal wieder schräg in der Einfahrt geparkt und den stinkigen Müll auf der Treppe vergessen hat.

Dann steht da noch eine junge Frau, Deutsche, die auch wartet. Nach langer Zeit kommt ein älteres Ehepaar heraus und sie gehen recht gemessen aufeinander zu. Na, wie ist es also jetzt in Bella Roma? fragt der Papa seine Tochter, ok, sagt sie. Und dann gehen sie in Richtung Ausgang und dann nimmt er ihre Hand, die unten hängt und drückt sie ganz fest und sie drückt sie auch ganz fest und es ist einfach rührend anzusehen. Oben herum gehen sie einfach weiter, aber die Hände unten halten sich ganz fest.

Also wenn ich mal Zweifel habe, ob ich irgendwie abgestumpft bin durch alle möglichen Nachrichten oder Ereignisse, dann setze ich mich einfach an den Flughafen und schaue. Meine eigenen schönen weißen Hosen, die ich beim Abholen anhatte, hab ich übrigens mit einem dunklen Strumpf grau gewaschen. Das sind die Schicksale hinter solch schönen Szenen.

Was so auf der Welt passiert

Mal wieder aus dem Zug, aber das kommt dem lieben Leser durchaus zugute. Denn im Zug bekomme ich Zeitungen angeboten, die ich sonst nicht kaufen würde, weil ich sie nicht durchlesen könnte, weil ich kein Frühstücker bin und danach der Tag schon im vollen Lauf ist und außerdem: wo sollte ich mir wohl so eine Tageszeitung hin liefern lassen? Und so – schweinsgemütlich auf meinem Platz – kann ich mich darüber informieren, was in der Welt so geschieht. Da ich davon ausgehe, dass Sie auch nicht alle Zeitungen jeden Morgen parat haben, soll es mir eine Freude sein, Sie teilhaben zu lassen.
Also (in nicht gewerteter Reihenfolge):
Roberto Blancos Exgattin hat nun offenbar die Nase richtig voll. Nach vielen larmoyanten Einspielern und Interviews bezüglich ihrer wirklich schändlichen Situation, kann sie nun die selbstzufriedene Zweitexistenz Ihres Ex‘ nicht mehr ertragen. Diese Auftritte und Appelle waren ebenso zum Scheitern verurteilt wie der Einsatz der Tochter Patrice (?? – war auch im Dschungel). Meine Meinung hierzu ist: Schändliches Verhalten von Herrn Blanco. Egal, wie viele Seiten eine Geschichte haben mag, der Frau, die sicherlich auch ihren Anteil an seinem Erfolg hat, geht es schlecht und er weiß das. Da kann er seiner Luziferandra weiterhin steuerlich alles Mögliche überschreiben und so tun als sei er arm und vom Management (Luziferandra) ausgebeutet, karmisch gesehen macht das seine Lage keineswegs besser!
Der Spornosexuelle Mann steht an. Nichts mehr metrosexuelle, androgyne Schönheit, jetzt sind Muckis und Tatoos gefragt. Die fast ausschließliche Beschäftigung mit sich selbst ist zum Ideal erhoben. Anlocken soll das keine Menschen, sondern Bewunderung. Im Tausch gibt es keine Gefühle, sondern die Erlaubnis zu bewundern. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass es sehr niedliche und hübsche Kinder eigentlich schwer haben. Aus diversen Gründen: sie haben kaum oder wenige andere Strategien zum Miteinander erlernen können als niedlich zu sein. Irgendwann ist man das leider halt nicht mehr und dann beginnt auch schon der Ärger. Und dann ist es meist auch schon zu spät, um kommunikative und emphatische Sozialkompetenz zu erlernen. Dass Männer was für sich und ihre Körper tun, ist wunderbar und fördernswert, aber wie bei fast allem ist die Unaufgeregtheit der eigentliche Reiz. Wie Klar Lagerfeld mal so schön anmerkte: Man muss Couture so tragen wie eine 200,- – Jeans. Wie Recht der Mann hat.
Das wohl schönste Paar der Welt hat geheiratet. Olivia Palermo und Johannes Huebl. Die Beiden sind dort, wo bestimmt viele Spornosexuelle Adepten noch hinwollen, es aber schwer haben werden, da sowohl Olivia als auch Johannes offenbar keine bildschönen Kinder waren.  Ich habe die Beiden mal zufällig bei Etro in Rom getroffen und wollte mich in die Auslage stürzen, weil ich natürlich nur verzweifeln konnte, wie mein Kleid an mir und ihr Kleid an ihr aussah. Zum Glück habe ich am nächsten Tag in der Bunten gelesen, dass eben dieses weltschönste Paar in Rom urlaubt. Die Beiden strahlen etwas aus, das nicht mit aller Übung zu erreichen ist: Freundlichkeit und Wärme.

Bin fast in Heilbronn, muss leider aussteigen. Keine spornosexuellen Kerle in Sicht. Blöd.

Heißkalt

Aus persönlicher und vor allem langjähriger Erfahrung kann ich sagen, dass es wenige Dinge gibt, über die sich ein Paar nachhaltiger und substanzieller streiten kann als über die richtige Temperatur. Meistens, keinesfalls immer, wie ich von einer Freundin weiß, hat der Mann zu heiß, die Frau zu kalt. Unsensible Naturen erklären das mit Fettanteilen, was die Fronten nicht gerade entspannt. Wir sind jetzt seit drei Tagen unterwegs und ich darf die Zustände als durchaus schwankend bezeichnen. Mein Mann ist bei zwanzig Grad, leichtem Wind im Paradies, ich im Eisschrank. Er schwitzt besorgniserregend, wenn wir ein Geschäft betreten, bei Feiern kann er nach fünf Minuten sein Sakko nicht mehr ausziehen, nicht mal, um es mir um die Schultern zu legen, weil gerade dabei bin, zu erfrieren.
Und so war es auch gestern. Theoretisch hätten wir den besten Tisch gehabt, er lag an der Außenseite eines massiven Steinbaus mit einer Säulenveranda. Wer kann ahnen, dass es im Sommer im Midi, dem Südwesten Frankreichs einen Temperatursturz von 25 Grad innerhalb einer Stunde geben würde. Während ich in meinem weiten sommerlichen Fähnchen Wachträume von Daunenmänteln hatte und jetzt mit dickem Schal und Kaschmirpulli hier sitze, war mein Mann überglücklich und sicher, dass der Wettergott es gut mit ihm meint. Mich fand er nörgelig und allgemein unzufrieden, womit er sicher Recht hat, denn es ist mir nicht gegeben, über körperliche Bedürfnisse hinwegzublicken, da hilft kein Yoga, keine Erziehung. Eine Wolldecke hätte geholfen.
Diese Temperaturstreitigkeiten, die andere Paare auch im Schlafzimmer haben, sind deshalb so fruchtlos, weil man das Empfinden des Anderen ja nicht ändern kann und sich unten drunter ja eigentlich sorgt, weil man möchte, dass es dem Liebsten gut geht, man es aber nicht bewerkstelligen kann. Das ist auch wieder schön so.

International national

Die Gedanken kommen dieses Mal nicht aus dem Zug, sondern vom Flughafen und genau gesehen, geht man vom Ausgangsort aus, fliegen sie gar nicht ins Ausland. Sie bleiben sozusagen im Inland, für mich ist das aber immer noch Ausland. Wir fliegen nach Toulouse und von dort aus geht’s ins kühle Biarritz, weil ich vor einigen Wochen mit dem Wort auf den Lippen aufgewacht bin und man solchen Eingebungen immer Folge leisten sollte. Gut, es könnte sein, dass das von einem der zahlreichen, täglichen und sehr eindringlichen Werbe-Emails eines Einrichtungsanbieters kommt, dem beim Vermarkten seiner schwer erhältlichen, dafür um 14 oder 15,7% günstigeren Waren, auch Orte zu Hilfe kommen müssen. Jedenfalls Biarritz. Finden Sie nicht auch, dass das so geheimnisvoll und mondän nachschwingt? Vielleicht liegt’s an der Endung? Ritz? Unser Ritz in Paris wird ja nun schon seit gefühlten zehn Jahren umgebaut. „A Legend in Progress“, auch ein cooler Werbespruch. Dieses Ritz hat schon was. Das haben die von den Salzcrackern sich vielleicht auch gedacht (oder sie waren schon vorher da), aber auf die hat es nicht sehr glamourös abgefärbt.
Auf Flughäfen kann man ja fast noch viel bessere Feldstudien betreiben als im Zug, der mit dem Makel behaftet ist, dass die Leute sitzen und auch nur alle paar Stunden (außer im Regionalexpress) neue hinzukommen. Die Art der Studien ist anders, eingägnglicher, aber man muss auch viel vorsichtiger vorgehen, denn durch intensives Anstarren kann man so manchen Mitreisenden hinter der Zeitung hervorholen und dann hat man ihn im Zweifel noch recht lange an der Backe. Am Flughafen hingegen müssen die Observationen schneller, schärfer und passgenauer sein. Mist, jetzt hab ich verpasst, wie mein Koffer eingeladen wurde. Dafür hab mich mich im Restaurant ans Fenster gesetzt und zwei dieser französischen Teilchen gegessen, die den energetischen Tagesbedarf eines Hafenarbeiters decken. Tant pis. Die Dame am Check-in war eh ausgesprochen missmutig, dass wir zwar nicht für den Koffer bezahlt haben  (hat die eine Ahnung, was so ein silberner Hartschalenkoffer mit Reissverschluss kostet? Wo lebt sie denn? Werden die in Frankreich verschenkt?) und damit dennoch durchkommen! Einen Vorteil muss es ja haben, dass ich meinen Mann so selten sehe. Der darf am Flughafen fast alles.
Doppelmist: wir hätten auch in die Lounge gehen können! Ich liebe Lounges und stopfe mich dort mit allem voll, was nicht bei drei auf dem Baum ist. So gesehen ist es eigentlich doch besser so.

Jetzt werden wir aufgerufen und das ist auch besser so, denn dem Mann, der vor mir albern kichernd und telefonierend auf und ab läuft, sieht man schon aus der Ferne an, dass er NICHT mit seiner Frau telefoniert. Würden wir noch länger bleiben, müsste ich zu ihm hingehen, auf seinen nicht mehr blanken Ehering zeigen und ihn fragen, was das bitteschön werden soll? Da mich überhaupt nichts angeht, wie die Franzosen ihre Frauen betrügen, weder im Zug noch am Flughafen, widme ich mich weiter meinem Ipad und starre immer wieder aufmerksam hoch, um mir einen Reim drauf zu machen, was um Himmels Willen man morgens um kurz vor acht in Abendrobe am nationalen Terminal von Orly plant zu tun. So groß ist Frankreich ja nun schließlich auch nicht, dass man 12 Stunden unterwegs sein kann, um irgendwo rechtzeitig zum Galadiner anzukommen. Und so gehen mir die Themen hier nicht aus. Jetzt sind wir dran. À bientôt à Biarritz!

Oh Mann!

Es könnte einen ja oftmals das Mitgefühl packen, wenn man sich überlegt, ein Mann sein zu müssen. Gerade im Sommer wird es schier übermächtig. Abgesehen von dem Leid, wenn die eigene Mannschaft ungerechtfertigt verliert, kann man sich, wenn alle anderen den strahlenden Sonnenschein genießen, als Mann auch hier nicht vorbehaltlos der Hitze hingeben. Frauen können durchaus im Etuikleid ins Büro oder in Rock und Bluse, in anderen Berufen gar im Flatterkleidchen, aber Männer? Von Flatterkleidchen keine Rede, aber auch nicht von Bermudas oder Shorts. Immer Anzug, langärmeliges Hemd (bitte! wir brauchen hier hoffentlich NICHT über Kurzarmhemden sprechen!) und am Ende noch Krawatte. Und das Allerschlimmste kommt erst noch: nicht mal die Mode können echte Kerle mitmachen. Eine Grundgarderobe mit diversen kleinen Variationen (hellblau, blau-weiß gestreift, grau, mausgrau, hellmausgrau, dunkelblau, mittellbau – verwegen, nachtblau…) muss leider genügen.
Bei einem Mann, der sich zu modisch kleidet, liegt der Schluss nahe, dass er zuviel Wert auf die Meinung Anderer legt oder ihm das Outfit im P&C von einem Herrenmodenverkäufer zusammengestellt wurde („das trägt man jetzt so und dann können Sie den unteren Knopf am Sakkoärmel aufknöpfen“ – OMG). Bitte, welcher Mann sucht sich ein quittengelbes Hemd aus, wenn er keine Haare mehr hat? Ich binde mir doch auch keine Schleife ins Haar, wenn meine Ansätze nicht getönt sind (was sie niemals nicht sind).
Gut, der Schnitt des Anzuges, der Chinos kann sich ändern, der Hemdkragen variiert immer mal wieder, die Krawattenbreite auch, aber mal ganz ehrlich: die Klassiker, die mann trägt, sind immer dieselben. Was uns jetzt zu folgenden Schlussfolgerungen führen muss:
1. Es ist von absoluter Wichtigkeit, dass die Kleidung eines Mannes hochwertigst ist.
2. Sie sollte aus klassischen Farben bestehen (gibt es wirklich Frauen, die Männer in fliederfarbenen Hemden cool finden?)
3. Am Strand kann es mal eine bunte Badehose sein
4. Männer sollten von sich aus wirken und lieber Geld in ihre zauberhaften Gattinnen (egal wie erfolgreich die sind) investieren. Das soll ihr schönster Schmuck sein – umgekehrt übrigens genauso. Und das klappt eben nicht in Pastellfarben oder Ringel-Matrosen-Shirts oder Kapuzenpullis.
Wie ich darauf komme? Ich sitze mal wieder im Zug und bin nach einer Station fast blind, farbenblind, musterblind, was auch immer.
Da ich aus meiner höchstsubjektiven Statistik weiß, dass bei 90% der Männer die Frauen das Sagen bei der Kleiderauswahl haben, viele Männer gar nicht mit zum Einkaufen gehen, muss ich mich wundern, ob sie ihre Männer vielleicht hassen? Oder durch das, was sie ihnen in den Kleiderschrank hängen, vermeiden wollen, dass irgendein atmendes Wesen sie anschaut.
Oder die schlimmste Kategorie: Sie wollen ihre Männer auf einem Level wie ihre 12-jährigen Söhne sehen und stecken sie in Shorts, Kapuzenshirts und Sneakers (schlimmes neuzeitliches Wort) und stülpen ihnen zu guter Letzt ein Baseballcap über die fliehende graue Haarpracht. Derart zum Spielkameraden gemacht, fällt es dem Kleinen vielleicht gar nicht auf, dass Papa eigentlich viel lieber die Zeitung lesen würde, als eine Radtour zu machen.
Sie finden, das klingt alles recht krass? Bitte, fahren Sie doch einfach das nächste Mal mit mir nach Paris. Wir könnten uns anlächeln, ich würde Sie vielleicht unter meine neuen coolen Kopfhörer nehmen und wir könnten uns gemeinsam grausen.