International national

Die Gedanken kommen dieses Mal nicht aus dem Zug, sondern vom Flughafen und genau gesehen, geht man vom Ausgangsort aus, fliegen sie gar nicht ins Ausland. Sie bleiben sozusagen im Inland, für mich ist das aber immer noch Ausland. Wir fliegen nach Toulouse und von dort aus geht’s ins kühle Biarritz, weil ich vor einigen Wochen mit dem Wort auf den Lippen aufgewacht bin und man solchen Eingebungen immer Folge leisten sollte. Gut, es könnte sein, dass das von einem der zahlreichen, täglichen und sehr eindringlichen Werbe-Emails eines Einrichtungsanbieters kommt, dem beim Vermarkten seiner schwer erhältlichen, dafür um 14 oder 15,7% günstigeren Waren, auch Orte zu Hilfe kommen müssen. Jedenfalls Biarritz. Finden Sie nicht auch, dass das so geheimnisvoll und mondän nachschwingt? Vielleicht liegt’s an der Endung? Ritz? Unser Ritz in Paris wird ja nun schon seit gefühlten zehn Jahren umgebaut. „A Legend in Progress“, auch ein cooler Werbespruch. Dieses Ritz hat schon was. Das haben die von den Salzcrackern sich vielleicht auch gedacht (oder sie waren schon vorher da), aber auf die hat es nicht sehr glamourös abgefärbt.
Auf Flughäfen kann man ja fast noch viel bessere Feldstudien betreiben als im Zug, der mit dem Makel behaftet ist, dass die Leute sitzen und auch nur alle paar Stunden (außer im Regionalexpress) neue hinzukommen. Die Art der Studien ist anders, eingägnglicher, aber man muss auch viel vorsichtiger vorgehen, denn durch intensives Anstarren kann man so manchen Mitreisenden hinter der Zeitung hervorholen und dann hat man ihn im Zweifel noch recht lange an der Backe. Am Flughafen hingegen müssen die Observationen schneller, schärfer und passgenauer sein. Mist, jetzt hab ich verpasst, wie mein Koffer eingeladen wurde. Dafür hab mich mich im Restaurant ans Fenster gesetzt und zwei dieser französischen Teilchen gegessen, die den energetischen Tagesbedarf eines Hafenarbeiters decken. Tant pis. Die Dame am Check-in war eh ausgesprochen missmutig, dass wir zwar nicht für den Koffer bezahlt haben  (hat die eine Ahnung, was so ein silberner Hartschalenkoffer mit Reissverschluss kostet? Wo lebt sie denn? Werden die in Frankreich verschenkt?) und damit dennoch durchkommen! Einen Vorteil muss es ja haben, dass ich meinen Mann so selten sehe. Der darf am Flughafen fast alles.
Doppelmist: wir hätten auch in die Lounge gehen können! Ich liebe Lounges und stopfe mich dort mit allem voll, was nicht bei drei auf dem Baum ist. So gesehen ist es eigentlich doch besser so.

Jetzt werden wir aufgerufen und das ist auch besser so, denn dem Mann, der vor mir albern kichernd und telefonierend auf und ab läuft, sieht man schon aus der Ferne an, dass er NICHT mit seiner Frau telefoniert. Würden wir noch länger bleiben, müsste ich zu ihm hingehen, auf seinen nicht mehr blanken Ehering zeigen und ihn fragen, was das bitteschön werden soll? Da mich überhaupt nichts angeht, wie die Franzosen ihre Frauen betrügen, weder im Zug noch am Flughafen, widme ich mich weiter meinem Ipad und starre immer wieder aufmerksam hoch, um mir einen Reim drauf zu machen, was um Himmels Willen man morgens um kurz vor acht in Abendrobe am nationalen Terminal von Orly plant zu tun. So groß ist Frankreich ja nun schließlich auch nicht, dass man 12 Stunden unterwegs sein kann, um irgendwo rechtzeitig zum Galadiner anzukommen. Und so gehen mir die Themen hier nicht aus. Jetzt sind wir dran. À bientôt à Biarritz!

Ein Gedanke zu „International national“

  1. Ich finde auch, Biarritz klingt nach dem Luxus längst vergangener Zeiten, flanierenden Damen mit großen Hüten – meine Freundin H. aus W. und ich hätten die Hüte – aber sonst halt nichts. Wir könnten uns aber elegant und edel zeigen, und verschämten Blickes leise Konversation machen, diskrete Verabredungen zu einem erquickenden Glas Wasser samt Meerebrise vereinbaren und dann gediegen in unsere Vierspänner steigen. Ha, das wär’s !

    Ich ging immer davon aus, dass die verehrte Blogschreiberin mit dem Zug gen Südwesten eilt. Offensichtlich Fehlinformation. Das Anstarren in Flugzeugen kann aber auch dazu führen, dass man holterdipolter in Handschellen auf den Mittelgang geworfen wird, nur weil der zur Prüfung angestarrte Angst hat, dass es sich um einen Flugzeugentführer handelt.

    Auch beim Fliegen schätze ich das, was die Amerikaner (haha, gegen die haben wir gerade 1:0 gewonnen) splendid isolation nennen. Diese Menschenmassen mag ich gar nicht! Werde mich deshalb zurückziehen in meine Oase der Einsamkeit, guter Kleidung, Düfte, Erziehung, feiner Konversation (vom Fußball abgesehen) und ruhen. In Gedanken wandelnd an den Gestaden von Biarritz.

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