Heißkalt

Aus persönlicher und vor allem langjähriger Erfahrung kann ich sagen, dass es wenige Dinge gibt, über die sich ein Paar nachhaltiger und substanzieller streiten kann als über die richtige Temperatur. Meistens, keinesfalls immer, wie ich von einer Freundin weiß, hat der Mann zu heiß, die Frau zu kalt. Unsensible Naturen erklären das mit Fettanteilen, was die Fronten nicht gerade entspannt. Wir sind jetzt seit drei Tagen unterwegs und ich darf die Zustände als durchaus schwankend bezeichnen. Mein Mann ist bei zwanzig Grad, leichtem Wind im Paradies, ich im Eisschrank. Er schwitzt besorgniserregend, wenn wir ein Geschäft betreten, bei Feiern kann er nach fünf Minuten sein Sakko nicht mehr ausziehen, nicht mal, um es mir um die Schultern zu legen, weil gerade dabei bin, zu erfrieren.
Und so war es auch gestern. Theoretisch hätten wir den besten Tisch gehabt, er lag an der Außenseite eines massiven Steinbaus mit einer Säulenveranda. Wer kann ahnen, dass es im Sommer im Midi, dem Südwesten Frankreichs einen Temperatursturz von 25 Grad innerhalb einer Stunde geben würde. Während ich in meinem weiten sommerlichen Fähnchen Wachträume von Daunenmänteln hatte und jetzt mit dickem Schal und Kaschmirpulli hier sitze, war mein Mann überglücklich und sicher, dass der Wettergott es gut mit ihm meint. Mich fand er nörgelig und allgemein unzufrieden, womit er sicher Recht hat, denn es ist mir nicht gegeben, über körperliche Bedürfnisse hinwegzublicken, da hilft kein Yoga, keine Erziehung. Eine Wolldecke hätte geholfen.
Diese Temperaturstreitigkeiten, die andere Paare auch im Schlafzimmer haben, sind deshalb so fruchtlos, weil man das Empfinden des Anderen ja nicht ändern kann und sich unten drunter ja eigentlich sorgt, weil man möchte, dass es dem Liebsten gut geht, man es aber nicht bewerkstelligen kann. Das ist auch wieder schön so.

Ein Gedanke zu „Heißkalt“

  1. Vor ca. 25 Jahren, also zu einer Zeit in der ich noch jung war, war es tatsächlich so, dass ich immer zu heiß hatte und mein Mann zu kalt. Wenn wir ausritten im Frühjahr, war ich kurzärmlig mit kleiner Steppweste, mein Mann mit Daunenanorak, Schal und Mütze. Ich möchte hier an dieser Stelle unbedingt einmal erwähnen, dass ich es lieber zu kalt als zu warm habe. Das ging soweit daß im Herbst und Frühjahr, wenn der Kamin brannte, immer die Terrassentüre offen stand, da ich Angst hatte zu kollabieren.
    Ein klein wenig hat sich das geändert, ich fröstl auch hin und wieder, aber durch altersbedingte Schlauheit führe ich immer ausreichend Kleidung mit mir um Wärme zu erzeugen.

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