Also, Gertrud und ich sind nun schon seit zwei Jahren ein Paar. Sie ist ein wenig scheu, aber gerade das gefällt mir an ihr. Außerdem braucht sie tagsüber (nachts eh) viel Ruhe, feste Gewohnheiten und bloß keine Hektik. Da wir in der Stadt leben, stellt mich das manchmal vor große Herausforderungen, aber ich wäre nicht Karl, der Große (ja, so nennt man mich!), wenn ich dem nicht gewachsen wäre. Ein sonniger Platz mit viel Grün, ein bisschen luftig für den Überblick und nah genug, um nicht schon beim Ankommen kaputt zu sein. So waren Getruds bescheidene Wünsche. Lange, lange habe ich gesucht und dann die scheinbar perfekte Lösung für uns gefunden. Fast mitten in der Stadt (in der es seit einigen Jahren nahezu unmöglich geworden ist, zu leben, weil überall Baustellen sind und damit verbunden ein Wahnsinnslärm und –schmutz allerorten) habe ich für uns einen Balkon gefunden, auf dem eigentlich nie jemand ist. Wenn jemand da ist, dann ist das meist eine nette Frau, die uns erstaunlicherweise (auch wenn ich es bin, sie scheint geschlechtsmäßig nicht so fit zu sein) mit „Oma“ anredet. Dann plappert sie aber niedliches Zeugs vor sich hin, so nach dem Motto, wie toll ich sei, dass ich es von Rom schon wieder hierher geschafft habe und so weiter. Offenbar schwätzt sie in Rom die italienischen Tauben genauso zu, aber vielleicht macht man das ja auch im Ausland so. Was weiß denn ich? Denen ist ja alles zuzutrauen. Die essen ja sogar Singvögel, diese Barbaren!!! Egal, also der Balkon war eine Wucht. Und so konnte ich meine Gertrud eines schönen Morgens sozusagen im Blindflug (es sollte eine Überraschung sein, sie hat schon nicht mehr dran geglaubt) dort hinführen. Was war sie entzückt! Karl, hat sie immer wieder gegurrt, Karl, wie hast Du so ein Kleinod nur gefunden? Du bist einfach der Größte! Und welcher Täuberich hört das nicht gerne? Das ging mir runter wie Maiskörner. Besonders entzückt war sie von der Sauberkeit und den praktischen Korbstühlen mit den gemütlichen Lehnen. Kein Kratzen an den Zehen, kein lästiges Balancieren erforderlich. Ein Traum! Und so begann unsere schöne Zeit: ich saß auf dem langen, langen Geländer und berichtete Gertrud von allem, was in den Bäumen vor uns und auf der Wiese drunter vor sich ging. Und das war eine Menge. Die Eichkater im Baum führten sich auf, als gehöre ihnen die Welt, der schwarze alte Hund im Erdgeschoss kam immer mal wieder raus, um nach dem Rechten zu schauen und auch auf den umliegenden Balkonen ging so Manches vor sich. Es war eine schöne Zeit. Gertrud saß unter dem runden Tisch und gurrte ab und an eine Frage oder ein versonnenes „hach, ist das schön, Karl!“ zu mir hoch. Selten habe ich mich wohler in meinen Federn gefühlt. Wir blieben immer so zwei, drei Stunden und sind dann wieder nach Hause geflogen. Und das hätte noch ewig so weitergehen können. Wenn dann nicht auf einmal ein Stimmungsumschwung drinnen stattgefunden hätte. Auf einmal raste die bisher sehr nette und auch eigentlich kaum anwesende Bewohnerin hinter der Glasscheibe hervor und oder schlug heftig auf sie ein. Wir Stadttauben sind ja so Manches gewohnt, aber bei plötzlichen lauten Geräuschen erschrecken auch wir. Gertruds kleines Herz wollte fast die Brustfedern durchschlagen und auch mir fuhr der Schreck gehörig in die Federn. Das ging so eine Zeit lang. Oft sah sie uns nicht, weil sie wie eine Wilde im anderen Zimmer auf ein weißes Ding mit Tasten einhub, aber wenn sie dann ins Wohnzimmer kam, war sie meist recht bald auch auf dem Balkon. Ihr Mann, ein sehr netter Kerl eigentlich, trieb es auch ganz wild und schlug fast die riesige Scheibe ein. Vermutlich wurde er angestachelt. Der Herr weiß, was eine Frau alles mit ihrem Mann machen, ich kann da ein Lied davon singen….Aber ich muss jetzt unterbrechen, mich nimmt das alles so mit. Den Fortgang der Geschichte muss ich morgen oder wann anders erzählen. Und da kommt noch so Einiges! Das ist ein echter Krimi.