Ganz bestimmt fragen sich treue Leser schon seit geraumer Zeit, was eigentlich aus Karl und Gertrud geworden ist. Nur soviel dazu: während andere jubeln, weil Balkonwetter ist, knirsche ich mit den Zähnen. Mein Balkon ist immer noch verhüllt hätte ich auch nur einen Funken Vermarktungswillen in mir, hätte ich ihn im Sinne von Christo längst als Konezptkunst oder Fotokunst verkauft. So bleibt er in der Kategorie Lebenskunst.
Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass Karl und Gertrud täglich, was sage ich, stündlich vorbei patrouillieren und nach dem Rechten sehen, nämlich ob ICH auch sicher nicht auf ihm sitze. Weitere Verluste haben wir auch schon zu beklagen: Beim Verscheuchen der beiden von der Markise (wie so fette Tauben darauf balancieren können, ist mir ein Rätsel), ist der Besen abgebrochen. Es wird zunehmend ein Kampf mit Verlusten – bislang nur auf meiner Seite. Vermutlich weil ich nicht fliegen kann.
Wie so häufig, wenn man sich mit etwas befasst, sich darauf konzentriert, häufen sich die Wahrnehmungen des Konzentrationsobjektes. Ich sehe nur noch Tauben, schlimmer noch, die Tauben sehen mich. Und zwar in keiner netten Weise. Sie werfen sich mir in schmalen Gassen vors Auto und zwingen mich zum Bremsen, sie fliegen gefährlich nahe in Bahnhofshallen an mir vorbei, sie flattern heimtückisch unter Kaffeehaustischen hoch und erschrecken mich bald zu Tode, kurzum, die Lage spitzt sich zu.
Wenn ich aus dem Fenster sehe, blicke ich auf große Bäume und in diesen tummelt sich ein eifriges Eichhörnchen. Es hüpft hübsch anzusehen von Ast zu Ast, kann nicht fliegen, legt keine Eier. Über so einen netten Mitbewohner würde ich mich glaub ich freuen. Vielleicht baue ich einen kleinen Steg. Vielleicht könnte es Karl und Gertrud auffressen? Fressen Eichhörnchen überhaupt Tauben?