Weihnachten reloaded

Traditionell ist der zweite Feiertag der Tag, an dem man wieder etwas zur Besinnung kommt und sich vornimmt, nie mehr etwas zu essen. Dann stöbert man wieder durchs Internet, bestellt sich normale Dinge wie Haarschampoo und zermartert sich das Hirn, wie möglichst alles, was nicht gegessen wurde, zu einem sinnvollen Ganzen zusammengestellt werden kann und dann auch noch schmeckt. Ich habe dieses Jahr gut gehaushaltet und kann mit Fug und Recht sagen, dass von allem genau so viel da war, wie gegessen wurde, mit einer kleinen Extraportion, die man lieben Verwandten dann aufdrängen kann. Der Hirsch, der sich im Vorfeld ziemlich aufgespielt hat, hat nach einem langen Rotweinbad ein Einsehen gehabt und war so zart wie ihn sich Frau Hirsch zu Lebzeiten sicherlich oft gewünscht hätte.

Der zweite Feiertag ist auch der Tag, an dem Zeit ist, sich Büchern zuzuwenden und sich zu freuen, wie gut einen Menschen kennen, neue Kosmetik auszuprobieren, was in dem Stadium von Alkohol- und Fleischgenuss sicherlich auch nicht schlecht ist und einfach so auf dem Sofa rumzuwellern. Kurzum, der zweite Feiertag ist an sich ein Weihnachten reloaded nur ohne Erwartung und Aufregung, sondern mit dem wohligen Gefühl, dass alles schön und gut war. Das Einzige, das dieses Jahr irritierend und auch problematisch war, ist das Wetter. Denn diejenigen unter uns, die nicht mit hoteltauglichen Kühlschränken gesegnet sind, haben einen wichtigen Lagerort an die frühlingshaften Temperaturen verloren: den Balkon. Und so musste ich dieses Jahr im Tagesverlauf immer wieder auf den Balkon und Lebensmittel dem Sonnenverlauf entsprechend umlagern. Dass das gut gegangen ist, habe ich heute Morgen bestätigt gesehen, als ich nämlich mit all meinen Gästen der letzten Tage telefoniert hatte.

Überhaupt macht man sich vermutlich viel zu viele Gedanken über die Kocherei, denn bei meinem Streifzug durchs Netz habe ich erfahren, dass die wenigsten jungen Frauen heute noch kochen können und dass sie damit mit den jungen Männern gleichziehen. Wie schade. Was tut man denn dann die ganze Zeit? Ich – und die meisten meiner Freundinnen ebenso – kann mich ganz wunderbar beim Kochen entspannen und finde nichts schöner, als wenn ein Konzept aufgeht, was sich meist erst am Tisch zeigt und die Sache spannend macht. Wofür nutzen Menschen, die ihre Tage nicht mehr auf dem Feld arbeiten müssen, Autos haben und eine Waschmaschine – oder gar Zugehfrau – ihre Zeit? Die Armen schauen wahrscheinlich schlimme Filme oder spielen irgendwas oder sehen sich Kochshows an.

Lebensentwürfe

Ich bin an sich kein grantiger Mensch. Grüblerisch vielleicht mal oder auch in mich gekehrt, aber selten grantig. Heute war ich es und es hat ziemlich lange gedauert, bis ich das gemerkt habe und auch erkennen konnte, warum. Nicht mal Yoga hat geholfen. Es lag an einem Anruf heute Morgen von einer Bekannten, die mich so dermaßen mit ihrem Leben zugemüllt hat und mir in sehr aggressivem Ton dargelegt hat, wie wahnsinnig viel sie arbeite und wie wahnsinnig spät sie heim komme. Von meiner weisen Mutter habe ich den Ratschlag erhalten, bei solchen Gesprächen viel und oft „hm“, „ja“, „wirklich“ oder auch „tja“ zu sagen. Das hilft in dem Fall gar nichts. Sie ist so unfassbar passiv-aggressiv und so dermaßen unzufrieden, dass sie ihren Lebensentwurf dann nur umso vehementer verteidigt, auch, wenn keiner ihr widerspricht.

Eine Freundin, der ich heute Mittag sicherheitshalber gesagt hatte, wie es um mich steht (man weiß ja nie, wie man in solchen Situationen wirkt) meinte recht klug, ich solle doch mal unerwartet reagieren und sagen: Ach mei, Du Arme, ich hab noch geschlafen und geh jetzt gleich ins Daily Spa und dann shoppen. Das könnte ich tatsächlich mal versuchen. Was soll denn das? Warum hat denn jemand solche abartigen Anwandlungen? Eine Verwandte von mir hat zum Beispiel immer wieder das Bedürfnis, jeden anderen Lebensentwurf als ihren eigenen niederzumachen. Gehen deren Lebenskonzepte nur auf, wenn man sie von anderen abgrenzt und sind sie nur deshalb gut, weil die anderen anders (schlecht) sind?

Gibt einem das Wissen, das in den eigenen Augen Richtige zu tun, nicht automatisch ein gutes Gefühl? Offenbar nicht. Eine wahnsinnig erfolgreiche Freundin lässt zum Beispiel bei nichts, aber auch gar nichts eine andere Meinung zu. Sie macht sogar ein iPad-Accessoire (eine Tastatur), das sie noch nicht hat oder nicht als Erste hat, bei anderen nieder (wir sind alle weit über vierzig). Erst wenn sie es selbst kauft, ist sie prima. Was kann man erwidern? Auf solche Tiraden? Ich probiere jetzt mal ein paar Varianten durch und wenn ich die Beste gefunden habe, mach ich alle anderen nieder. Außer sie sind besser, dann ändere ich meine Meinung.

Die Schwingungen der Welt

Dass ich kein besonders talentierter Schläfer bin, wissen inzwischen viele Menschen um mich herum. Entweder weil ich es ihnen erzählt habe, sie mich übernächtigt gesehen oder Emails mit Sendezeit 4.36 Uhr von mir erhalten haben. Man fühlt sich nicht besonders, wenn man nicht schlafen kann. Jemand hat mal geschrieben, dass es sich sehr demütigend anfühlt, wenn man „zu dumm zum schlafen“ ist, denn in der Mitte der Nacht kommen solche Gedanken – neben vielen anderen – irgendwann auch hoch. Wie wohltuend ist es dann, mit einer Freundin zu sprechen und zu erfahren, dass selbst ihr vierjähriger Sohn um genau dieselbe Zeit wach war und trotz anstrengendem Kindergartentag partout nicht schlafen konnte.

Ich finde, dass einem damit ein Teil der Nichtschlafveranwortung von den Schultern genommen ist. Ein Kind kann das aktuelle Weltgeschehen nicht mit dem Intellekt, sondern nur intuitiv erfassen. Das ist vielleicht ähnlich wie bei der Wirksamkeit von Homöopathie, die auch dadurch belegt werden kann, dass sie bei Kleinkindern und Tieren gleichermaßen wirkt, ohne medizinische Wirksamkeitsbescheinigung. Da stellt sich natürlich die Frage, ob es eventuell doch noch andere als momentan bekannte Erkenntnisse und Kenntnisse gibt? Ich sage es gerne immer wieder, vor allem, wenn es um heftige Therapien bei schweren Krankheiten geht: wir tun und glauben momentan das, was unser Verstand erfassen kann und wohin er mit seinen rein rationalen Methoden gelangen konnte. Immer wieder stehen wir kopfschüttelnd und überheblich staunend vor menschlichen Werken aus längst vergangener Zeit und fragen uns, wie das nur möglich war. Ohne Computer? Ohne Auto? Ohne Maschinen? Aber es ist eben doch schon alles von Anfang an da und wird durch all das Zeugs von außen eher verschüttet als genutzt.

Das, was wir heute „wissen“, finden andere Generationen nach uns vielleicht lächerlich und kommentieren es eher in dieser Art und Weise: „Stellt euch vor, das haben die echt geglaubt!! Wie kann man nur!“ Ich sage nur „Contergan“. Und deshalb ist es bei vielen Dingen, die einen in seinem Selbst betreffen, das Beste, in sich hinein zu hören und absurde oder mutige Entscheidungen zu treffen. Die Welt schwingt momentan sehr in eine Richtung aus und ich glaube, dass wir diese Schwingungen dann am intensivsten spüren, wenn wir zur Untätigkeit verdammt im Bett liegen und an sich schlafen sollten. Sie wird auch wieder anders schwingen, das ist sicher, am besten ist es wohl, mit einer inneren Stabilität mitzuschwingen. Man kann übrigens nachts auch bügeln oder ein Fotobuch machen. Das macht keinen Lärm und beruhigt. Also grämt euch nicht, wenn ihr auch nicht schlafen könnt.

Dieses Jahr ist es wirklich schwierig…

….in Schwung zu kommen mit Weihnachten und so. Ich habe zwar grade zumindest für das weitest entfernte Patenkind ein Geschenk unter größten logistischen Mühen auf den Weg gebracht, aber ansonsten komme ich nicht recht voran. Wie auch? Die Nächstenliebe wird ein wenig überstrapaziert und ist aufgebraucht und der Mut zu Optimismus und Frohlocken könnte einem schwinden, schlägt man die Zeitung auf oder klickt sich durch die Onlinemedien.

Passend dazu habe ich gestern noch von einem Rechtsstreit gehört, in dem es darum geht, dass eine Familie mit Migrationshintergrund diesen und ihre damit zusammenhängenden Traditionen bitteschön als Verteidigungsgrund sehen möchten. Als Verteidigung vor der Anklage, ihre Tochter im Schlaf erstickt oder totgeschlagen zu haben. Dazu kann ich nur sagen: Wenn wir anfangen, Menschen nach dem Recht ihrer Herkunftsländer zu beurteilen und zu verurteilen, haben wir unsere eigene Richtschnur verloren. Tradition kann und darf kein Wertmaßstab für Unrecht, wie wir es beurteilen, sein. Sonst sind wir irgendwann an dem Punkt, Menschenfresser zu verstehen, denn irgendwo ist das auch normal.

Solche und andere Fälle holen wir uns jedoch bewusst mit immer pessimistischer werdenden Medien (die werden ja auch von verängstigten Journalisten geschrieben, denen es vielleicht besser geht, wenn sie andere auf dasselbe Angstniveau ziehen können, auf dem sie selbst sind) in unser Leben, denn um zu atmen, zu essen oder zu schlafen (was unbestritten lebensnotwendige Tätigkeiten sind) brauchen wir keine Nachrichten oder Meldungen aus Hintertupfingen. In unserem eigenen Leben hat sich für die meisten von uns nicht so viel verändert im Moment und so ist vielleicht einfach nur ein ganz spezieller Moment der Rückbesinnung und Konzentration auf uns und unsere Nächsten im Moment und das wäre ja dann doch arg weihnachtlich. Ich geh mal in den Keller, das Adventszeugs holen.

Einfach weiter so.

Manchmal ist so eine entzündete Kapsel gar nicht übel. Sie entbindet, über etwas zu schreiben, bei dem Worte fehlen oder nicht genügen. Komplettes Ignorieren geht nicht und zum Plaudern übergehen, ist auch keine Option. Da hilft so eine Kapsel ungemein. Und ganz ehrlich, damit soll es das auch gewesen sein mit meinem Beitrag zu den aktuellen Ereignissen, denn die Meinung dazu ist einhellig und damit kein individueller Gedanke von mir.

Wir sind seit gestern in Rom. Vieles und Schönes hat sich getan hier im Viertel und hoffentlich kann ich morgen auch Fotos davon zeigen. Momentan bewältige ich einen Berg Bügelwäsche, sandle so vor mich hin und versuche, soviel wie möglich vorzuarbeiten, bis ich wieder ordentlich schreiben kann. Die Normalität ist so herrlich und vielleicht ist es auch das, was wir aus all dem Grauen mitnehmen sollten. Nicht „höher, weiter, schneller“, sondern „einfach immer weiter so“. Zumindest gilt das für die meisten von uns, die wir diesen Blog lesen und in unserer „normalen“ Welt leben.

Ich werde jedenfalls weiter auf Reisen gehen, auf Christkindlmärkte und auch in Restaurants. Und das aus genau demselben Grund, wie ich neulich einem sehr ungezogenen Kind, das an mir vorbei in die Küche gestürmt war, um sich sofort mit allem, was nicht bei drei auf dem Baum war, vollzustopfen, die Hand gegeben habe und mich vorgestellt habe: weil man schlechtes Benehmen ignorieren und sich in seinem eigenen davon nicht beeinflussen lassen sollte.

Darf man das?

Ich kann mich gut erinnern, als ich auf einer supernoblen Hochzeit am Arlberg eingeladen war, alles fein, alles edel, silberne Serviettenringe als Platzkärtchen (ich habe das natürlich am Anfang gar nicht verstanden und randaliert, ob hier freie Platzwahl sei?) und aller möglicher Brimborium. Als wir ermattet in einer Pause zwischen den Reden aufs Tanzparkett gestoben sind, kamen wir neben einem Paar zum Tanzen wie das eben so üblich ist und wenn man einen gemächlichen Tanzpartner hat, der einen nicht dauernd rumwirbelt und man sich nicht die ganze Zeit Liebesschwüre zuraunt, was auf einer Hochzeit fast unmöglich ist, weil da ja die Liebe von jemand anderem im Vordergrund steht und all das, was das Paar noch nicht weiß, dann hat das Auge zum Schweifen Gelegenheit. Meines schweift gerne und so entdeckte es an einer Dame mit einem hübschen Kleid das entlarvende Etikett mit Herkunft und Größe der Robe.

Quasi im Dreivierteltatkt und ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, habe ich es mit einer einzigen Bewegung zurück an seinen Platz geschoben, die Dame selbst hat es nicht bemerkt, die Herren waren fassungslos und ich zufrieden. Hatte ich schon einmal darüber geschrieben, dass ich auch Prospekte grade rücke und sortiere? Ich mag das einfach nicht und wenn ich schon bei Werbematerialien auf Ordnung achte, dann kann ich das doch ebenso gut bei Missständen in der Garderobe. Dass es mir nicht alleine so geht, habe ich in Barcelona erfahren, wo wir herrlich in der Sonne am Strand saßen und verzückt das Paar am Nebentisch betrachtet haben, das sich im Anfangsstadium der Liebe befunden haben muss. Bei ihrem Outfit war die ausgefeilte und lange Planung zu erkennen, sie trug einen kurzen grünen, recht anliegenden Overall und angesagte Gummistiefel (ich finde ja, man muss bei solchen Outfits auch die An- und Abreise, vielleicht gar noch im Bus, mit einkalkulieren und dann zöge man sich öfters vielleicht auch vernünftiger an…).

An ihrem recht ausgeschnittenen und hübschen Rücken schmiegte sich über acht Zentimeter Länge das Etikett des Overalls und ab da hatten wir eine schlimme Zeit. Zuerst musste Eine mich halten, dann ich sie und dann wir zusammen die Dritte. Das geht doch nicht! Und das geht doch auch nicht, dass man da nichts tut. Wenn ein Missstand einfach zu beheben ist und den anderen in eine unnötig blöde Lage versetzt, darf und muss man das abstellen. Der Klassiker ist natürlich, wenn man jemanden in der Fußgängerzone mit dem Rock in der Strumpfhose gehen sieht, da sollte man allerdings etwas taktvoll sein, denn vielleicht war die Dame ja das letzte Mal zuhause auf der Toilette.

Ab Mitte Oktober gilt der Winterfahrplan

Beim italienischen Militär gelten strikte Regeln: Ab April gibts die Sommerkleidung und ab Mitte Oktober die Winterkleidung. Da ist es egal, ob jemand erfriert oder wegen der Hitze Kreislaufprobleme bekommt. Wer momentan durchs mediterrane Bayern fährt, kann Ähnliches erleben. Bei knapp zwanzig Grad schwitzen Schulkinder und Radfahrer in dicken Daunenjacken unter ihren Wollmützen. Bei manchen Frauen kann man kleine Dampfwölkchen aus ihren Stiefeln puffen sehen und selbst Hunde sind nicht vor der Jahreszeitengläubigkeit ihrer Besitzer sicher. Warum ist das so?

Meine Interpretation ist die: viele Menschen werden gedacht und sind so flexibel wie eine Mauer. Rüttelt man an der zu stark, bricht sie ein. Und wenn man jetzt schon damit beginnen soll, das Wetter selbst einzuschätzen, wo es doch Apps gibt, die die Wettervorhersage für einzelne Straßenzüge bieten, wo soll das dann bitte hinführen?! Etwa dahin, dass man nicht mehr glaubt, dass für Nutella nur Haselnüsse und ein klitzekleines Bisschen Nougat verwendet wird? Oder dass Ärzte auch bloß Akademiker sind, denen man nicht immer alles glauben braucht? Oder dass beim nächsten Handyvertraganbieter wirklich fast alles umsonst ist?

Wir werden gedacht und manches Mal braucht es wirklich viel Mut, gegen eine scheinbar gängige Meinung anzugehen. Über die Schweigespirale hatten wir schon gesprochen, aber eine Meinung zu haben, geht noch viel weiter. Sie verlangt von uns, dass wir auf uns innen drin hören und unserem Urteil vertrauen, denn meist ist es ein richtiges, zumindest für uns. Es hilft nichts, wenn uns einer bei einem komisch riechenden Fischgericht sagt, wir verstünden einfach zu wenig davon und wir dann mit Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus liegen. Aber mit der eigenen Meinung und der Intuition ist es wie mit vielem Anderen: Es braucht Übung. Also Mütze ab bei zwanzig Grad – außer sie gehört zum Outfit. Natürlich. Das stand ja so in der Zeitschrift. Oder hatte das die Verkäuferin gesagt??

Taufen und andere Feste

Ich bin viermalige Patentante und ich bin es sehr gerne. Die Kontakte gehen von sehr eng bis normal. Es hängt auch immer von dem Verhältnis zu den Eltern und davon ab, wie man zu den Kindern passt. Ich will nicht sagen, dass das vom Sternzeichen beeinflusst wird, aber ein bisschen trägt es schon zur Wellenlänge bei. Ich habe zauberhafte Patenkinder. Keines schlägt – bisher – aus der Reihe. Leider sind jedoch die Taufen eine schwierige Angelegenheit geworden. Galten sie früher noch als pragmatisches Glaubensbekenntnis, das so früh wie irgend möglich abgelegt wurde, damit die Kinder im ersten gefährlichen Jahr auch sicher über die Runden kamen, werden sie heute immer mehr zu gesellschaftlichen Ereignissen mit logistischen Problemen.

Wer ist überhaupt noch in der Kirche? Wem würde ich meine Kinder anvertrauen wollen? Wer könnte für sie sorgen? Wer hätte dieselben Werte? Ich muss gestehen, ich habe ein Patenkind, da würde mir schwummrig angesichts seines aktuellen Lebensstiles und desjenigen, das ihn bei mir erwarten würde, aber von den Werten her kann ich sagen, liege ich mit allen auf einer Linie. Warum treten dann aber soviele Menschen aus der Kirche aus? Oder sind es und möchten ihre Kinder taufen? Sind es tatsächlich die Kirchenskandale? Und warum bringen sie ihr eigenes Kind dann überhaupt in so einen schlecht geführten Verein hinein? Warum belasten sie es mit einer Zugehörigkeit, die ihm – gerade momentan, wo sich abzeichnet, dass Christen bald in der Minderheit sein werden – eher Nach- als Vorteile bringt?

Ich muss zugeben, ganz verstehe ich es nicht. Auch nicht, dass Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, auf Teufel komm raus kirchlich heiraten müssen? Geht es um das Brimborium, das Fest? Das weiße Kleid? Die Musik? Um was geht es??? Ist das konsequent? Etwas aus welchen Gründen auch immer abzulehnen, aber alle Vorteile mitnehmen zu wollen? Meine Mutter sagt, sie müsse nicht im Schwimmverein sein, um schwimmen zu können. Das ist wohl war. Aber wenn ich weiß, dass der Schwimmverein die Schwimmbäder baut und die Umkleiden zur Verfügung stellt, ist es dann so falsch, sich dazu zu bekennen und etwas beizutragen? Selbstverständlich ist es ein Skandal, was teilweise im Namen der Kirche geschieht, aber es geschieht auch Gutes. Im Momente warte ich angesichts der Fußballkrise gebannt drauf, dass ganz viele konsequente, rechtschaffene Menschen keine Sportschau mehr schauen oder ins Stadion gehen.

Lernaufgaben des Lebens

Ich gehe oft und viel einkaufen. Oder zumindest wirkt es so, weil ich ‚meine‘ Händler habe und sehr selten im Supermarkt kaufe. Ich gehe zum Metzger, zum Bäcker, auf den Markt und zur Bank (ich würde niemals Onlinebanking machen, seit meine Freundin für die Tsunamiopfer aus Versehen den Punkt übersehen hat und 100000 Euro statt 1000 gespendet hat). In den letzten Tagen treffe ich dort immer wieder auf ältere Damen mit Gehstöcken oder anderen Gebrechen. Sie stehen da und sind einsam. Sie plaudern und plaudern und plaudern. Und was tue ich? Werde fuchsteufelswild. Weil ich mich in einer anderen, ungeduldigeren Lebensphase befinde. Ich bin an sich sehr hilfsbereit, meine vorwiegend älteren Nachbarn schätzen mich wegen meiner Hilfsbereitschaft und meiner Geduld. Aber die ist eben nicht immer, immer da. Sondern hat Zeiten. Und Auszeiten.

Jedenfalls stehe ich neulich auf dem Markt und möchte Steinpilze. Diese sind vor dem Markthäuschen auf einer Steige außen präsentiert, so dass sich jeder gleich in sie verliebt. Ich habe mich verliebt, weil sie so rein weiß und glatt waren, umhüllt von einer wunderbaren braunen Haut und Kappe. Vor mir war nur eine Kundin. Eine ältere Dame mit Einkaufswagen. Das alleine ist nicht schlimm, ich habe auch einen. Ich habe mein Auto im Halteverbot, kann aber hinsehen. Bin trotzdem auf Eile bedacht. Die Dame vor mir nicht. Sie plaudert, ob sie eine Tragetasche braucht oder nicht (nein), ob sie die 13,40 passend hat oder nicht (nein, merkt sie aber erst nach langem Kramen) und ob sie auch noch Petersilie braucht (ach ja, ein bisschen, das wäre prima). Als ich dann dran bin, bin ich so geladen, dass ich nicht bedient werde, weil die verschrobene Marktfrau meint, ich sei ‚böse‘ mit ihr.

Heute auf der Bank stehen wieder gefühlte zwanzig ältere Damen vor mir. Jede kramt und erklärt stundenlang. Ich schäme mich, weil ich ungeduldig werde. Eine davon kenne ich. Sie hatte ein Dackele, das ist vor Jahren gestorben. Sie hat kein neues, weil sie nicht weiß, was mit ihm passiert, wenn sie stirbt. Wie kann man da ungeduldig werden, weil man noch zur Mangel muss? Wer weiß schon, warum Menschen so sind, wie sie sind? Und so handeln, wie sie handeln. Geduld und Mitgefühl müssen einfach immer da sein, oder?

Keep Mr. Grey, I will stay with Mr. Darcy

Leider geht die Geschichte nicht gleich weiter mit Sophie und Christophe. Da muss ich in Stimmung sein. Aber sie wird weiter gehen, versprochen. Dafür war ich heute in der Stadt und habe eine Leinentasche mit folgendem Aufdruck gesehen: „Keep Mr. Grey, I will stay with Mr. Darcy“. Und der könnte von mir stammen!!! Schon immer war ich der weltgrößte Darcy-Fan, fand Colin Firth nicht nur in „Schokolade zum Frühstück“, sondern auch in „Pride and Prejudice“ umwerfend und habe mich im Gegenzug kategorisch geweigert, diese Geschichte über Mr. Grey zu lesen. Allerdings musste ich gerade im Internet erfahren, dass es ernsthaft Foren gibt, die die Frage in den Raum werfen, ob Mr. Grey der neue Mr. Darcy sei?!

Das wäre ungefähr so als würde man fragen, ob ein Mc Donalds Happy Meal genauso schmecke wie Ossobuco und selbstgemachten Apfelkuchen. Wohl kaum! Die Frage stellt sich allerdings, ob Mr. Darcy möglicherweise dieselben Vorlieben hat wie Mr. Grey? Ähnlich vermögend sind sie ja in ihrem jeweiligen Romanen und über den Rest schweigt sich Jane Austen im Vergleich zu ihrer moppeligen Autorenkollegin ja aus. Und wie schön ist das! Nicht über alles zu sprechen, nicht alles zu erfahren, nicht alles zu wissen. TMI, Too much information, raunt mir mein Mann manchmal zu, wenn ich zuviel von mir erzähle oder generell ein Thema zu breit auswalze, was durchaus vorkommen kann.

Ich finde, das gilt für so Vieles in der heutigen Zeit. Was müssen wir eigentlich wissen? Und wieviel müssen wir wissen? Mein Yogalehrer, den ich aufgrund unseres äußerst schlecht abgestimmten Kalenders nur noch schemenhaft in Erinnerung habe, fragte uns gestern bei der Eingangsmeditation: wie gut kennen wir uns eigentlich? Und ist uns eigentlich bewusst, dass wir den ganzen Tag, wochen- und jahrelang, gar unser gesamtes Leben mit dem Menschen, der wir nun mal sind, verbringen müssen, dürfen? Mit welcher Art Mensch würden wir so ein ganzes Leben denn verbringen wollen? Mit einem fröhlichen, energischen, verzeihenden, gütigen, mutigen, faulen, fleißigen, fürsorglichen oder sonstigen Menschen? Ich denke darüber noch nach.