Beim italienischen Militär gelten strikte Regeln: Ab April gibts die Sommerkleidung und ab Mitte Oktober die Winterkleidung. Da ist es egal, ob jemand erfriert oder wegen der Hitze Kreislaufprobleme bekommt. Wer momentan durchs mediterrane Bayern fährt, kann Ähnliches erleben. Bei knapp zwanzig Grad schwitzen Schulkinder und Radfahrer in dicken Daunenjacken unter ihren Wollmützen. Bei manchen Frauen kann man kleine Dampfwölkchen aus ihren Stiefeln puffen sehen und selbst Hunde sind nicht vor der Jahreszeitengläubigkeit ihrer Besitzer sicher. Warum ist das so?
Meine Interpretation ist die: viele Menschen werden gedacht und sind so flexibel wie eine Mauer. Rüttelt man an der zu stark, bricht sie ein. Und wenn man jetzt schon damit beginnen soll, das Wetter selbst einzuschätzen, wo es doch Apps gibt, die die Wettervorhersage für einzelne Straßenzüge bieten, wo soll das dann bitte hinführen?! Etwa dahin, dass man nicht mehr glaubt, dass für Nutella nur Haselnüsse und ein klitzekleines Bisschen Nougat verwendet wird? Oder dass Ärzte auch bloß Akademiker sind, denen man nicht immer alles glauben braucht? Oder dass beim nächsten Handyvertraganbieter wirklich fast alles umsonst ist?
Wir werden gedacht und manches Mal braucht es wirklich viel Mut, gegen eine scheinbar gängige Meinung anzugehen. Über die Schweigespirale hatten wir schon gesprochen, aber eine Meinung zu haben, geht noch viel weiter. Sie verlangt von uns, dass wir auf uns innen drin hören und unserem Urteil vertrauen, denn meist ist es ein richtiges, zumindest für uns. Es hilft nichts, wenn uns einer bei einem komisch riechenden Fischgericht sagt, wir verstünden einfach zu wenig davon und wir dann mit Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus liegen. Aber mit der eigenen Meinung und der Intuition ist es wie mit vielem Anderen: Es braucht Übung. Also Mütze ab bei zwanzig Grad – außer sie gehört zum Outfit. Natürlich. Das stand ja so in der Zeitschrift. Oder hatte das die Verkäuferin gesagt??
Bei den meisten Menschen ist das auch so. Es ist nirgends festgeschrieben, aber innen drinnen weiß man, nur weil es im November zwei Wochen 18 bis 20 Grad hat, kann man doch keine weißen Leinenkleider mehr anziehen. Irgendwie geht das nicht. Ich z.B. mag Stiefel nicht so arg gerne, also, ich ziehe sie erst an, wenn es gar nicht mehr anders geht. Mützen setze ich auch nicht auf und insofern bin ich auf der sicheren Seite. Wenn es allerdings März ist, die Sonne scheint, der Boden noch beinhart gefroren ist, kann es schon passieren, dass ich ohne Strümpfe losmarschiere und dann eiskalte Füße in meinen Ballerinas habe. Man wird auf jeden Fall nicht komisch angesehen, weil, es ist ja Frühling!
Ich bin sehr froh, dass es bei uns im Haus keine Regeln gibt, wann die Heizung angeschaltet wird. Es ist zum Glück so, wenn ich mahne, dass ich friere, wird meinem Wunsch Genüge getan, denn ich bin die Älteste hier. Eigentlich furchtbar, aber auch wieder praktisch, siehe Parkplatz! Den nimmt mir auch keiner mehr. Ha, egal wie kalt oder warm es ist.