Lernaufgaben des Lebens

Ich gehe oft und viel einkaufen. Oder zumindest wirkt es so, weil ich ‚meine‘ Händler habe und sehr selten im Supermarkt kaufe. Ich gehe zum Metzger, zum Bäcker, auf den Markt und zur Bank (ich würde niemals Onlinebanking machen, seit meine Freundin für die Tsunamiopfer aus Versehen den Punkt übersehen hat und 100000 Euro statt 1000 gespendet hat). In den letzten Tagen treffe ich dort immer wieder auf ältere Damen mit Gehstöcken oder anderen Gebrechen. Sie stehen da und sind einsam. Sie plaudern und plaudern und plaudern. Und was tue ich? Werde fuchsteufelswild. Weil ich mich in einer anderen, ungeduldigeren Lebensphase befinde. Ich bin an sich sehr hilfsbereit, meine vorwiegend älteren Nachbarn schätzen mich wegen meiner Hilfsbereitschaft und meiner Geduld. Aber die ist eben nicht immer, immer da. Sondern hat Zeiten. Und Auszeiten.

Jedenfalls stehe ich neulich auf dem Markt und möchte Steinpilze. Diese sind vor dem Markthäuschen auf einer Steige außen präsentiert, so dass sich jeder gleich in sie verliebt. Ich habe mich verliebt, weil sie so rein weiß und glatt waren, umhüllt von einer wunderbaren braunen Haut und Kappe. Vor mir war nur eine Kundin. Eine ältere Dame mit Einkaufswagen. Das alleine ist nicht schlimm, ich habe auch einen. Ich habe mein Auto im Halteverbot, kann aber hinsehen. Bin trotzdem auf Eile bedacht. Die Dame vor mir nicht. Sie plaudert, ob sie eine Tragetasche braucht oder nicht (nein), ob sie die 13,40 passend hat oder nicht (nein, merkt sie aber erst nach langem Kramen) und ob sie auch noch Petersilie braucht (ach ja, ein bisschen, das wäre prima). Als ich dann dran bin, bin ich so geladen, dass ich nicht bedient werde, weil die verschrobene Marktfrau meint, ich sei ‚böse‘ mit ihr.

Heute auf der Bank stehen wieder gefühlte zwanzig ältere Damen vor mir. Jede kramt und erklärt stundenlang. Ich schäme mich, weil ich ungeduldig werde. Eine davon kenne ich. Sie hatte ein Dackele, das ist vor Jahren gestorben. Sie hat kein neues, weil sie nicht weiß, was mit ihm passiert, wenn sie stirbt. Wie kann man da ungeduldig werden, weil man noch zur Mangel muss? Wer weiß schon, warum Menschen so sind, wie sie sind? Und so handeln, wie sie handeln. Geduld und Mitgefühl müssen einfach immer da sein, oder?

2 thoughts on “Lernaufgaben des Lebens

  1. Ja das muss immer da sein! Wo doch gerade die Alten vereinsamen und nicht viel Geld haben. Ich finde es ausgesprochen ärgerlich, wenn ich schon sehe, dass die Damen entweder mit diesem Einkaufswagen also diese Hinterherziehdinger den gesamten Weg versperren oder mit Ihrem Rollator im Gemüsegang stehen und sich nicht entscheiden können, welchen Salat sie nehmen, ich allerdings genau weiß, was ich will, aber nicht ran komme. Jetzt, wo ich drüber schreibe, erinnere ich mich an meine liebe Oma Lenchen (heute schon das zweite mal), die sagte immer, ich soll doch ruhiger werden, dann kraulte sie mir den Rücken und ich war ganz ruhig! Schade, dass sie nicht mehr lebt, seitdem hat mir niemand mehr den Rücken so gekrault.

  2. Ich glaube nicht, dass diese „Schnecken“ das machen, weil sie alt und einsam sind. Es gibt auch viele junge Menschen, die buchstäblich im Auto bei der Fahrt und bei anderen Tätigkeiten, oder beim Reden einschlafen. Die in ihrer Grundeinstellung einfach so lahmarschig sind, dass man sie schütteln könnte, diese Leute nehmen auch keine Rücksicht auf Andere. Sicher sind wir Alten evtl. langsamer, aber ich nicht, sonst würde der Fußballgott im Auto nicht des öfteren wachsbleich hauchen, Zaubermaus, uns pressiert’s heute nicht. Tempo und Plaudern ist eine Grundeinstellung, die hat man.

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