Neapel ….. nicht sehen

So, also ich habe mich gestern ergeben und habe wieder eine schwarze Strumpfhose und Stiefel, einen echten Rolli und einen Winterrock angezogen. Nur bei der Jacke war ich bockig und habe auf ein kurzes, farbiges Frühjahrs/Sommerdingelchen gesetzt und prompt gefroren wie ein Schneider. Allein was bringt’s, wenn man auf seinem Willen beharrt, wenn sämtliche Umstände dagegen sind und eher schlimmer als besser werden? Dann ist es auch kein Zeichen von Charakter mehr, sondern eher ein bisschen kindisch, auf seiner Sicht der Welt zu beharren und an Ideen stur festzuhalten. In der Psychologie wird „erwachsen“ als ein Zustand beschrieben, bei dem sich das Handeln an den aktuellen Gegebenheiten und Erfordernissen ausrichtet und nicht nur von Handlungsmustern und unverarbeiteten Erfahrungen geleitet wird. Und so habe ich in den letzten Tagen erstaunt und verwundert wahrgenommen, wie viele supererwachsene Menschen es gibt, die einfach alleine deshalb nicht frieren, weil sie nicht die doofe Maxime haben: Einmal keine Strümpfe mehr, nie mehr Strümpfe bis zum nächsten Winter. Sie sind fröhlich und warm mit ihren Daunenkapuzenjacken und Stiefeln an mir vorbei gehoppelt, während ich erbärmlich mit meinen Turnschuhen oder Ballerinas Pfützen mit Schneematsch umhüpft bin. Blöd sowas. Aber immerhin korrigierbar.

Dieses situativ nicht Angepasste ist ein zweischneidiges Schwert: gibt man seine Ziele zu schnell auf, erreicht man sie nicht. Verharrt man zu lange in ihnen und hält zu sehr an ihnen fest, bringen sie meist auch nicht das gewünschte Resultat. Sie sind zu hart erkämpft und können all den Ärger, den sie im Vorfeld verursacht haben, gar nicht mehr wett machen. Sie werden zu einer Enttäuschung.

Mir geht es zum Beispiel mit diesem blöden Neapel so. Seit über fünfzehn Jahren möchte ich in diese Stadt und zwar mal so richtig. Wir waren vor zehn Jahren für zwei Stunden an einem verregneten Sonntag dort, aber ich habe meinen Mann ein klitzekleines bisschen im Verdacht, dass wir absichtlich nur in scheußlichen Ecken waren, denn ich kann mich an rein gar nichts mehr erinnern, was bei dieser Stadt anscheinend völlig unmöglich ist, zumindest, wenn man all den begeisterten Berichten meiner Bekannten glauben darf. In den Osterferien haben wir erneut einen großen Anlauf genommen, ich hatte es als eine Art Überraschungsangriff geplant, aber auch das hat nicht funktioniert. Es war wohl noch nicht so weit und als die Schwierigkeiten immer absurder wurden, sogar unser Boiler sich eingeschaltet hat, indem er sich ausgeschaltet hat, habe ich den Wink des Schicksals erkannt und die Reise abgesagt. Offenbar ist es wirklich so einfach wie unsere Omas und Opas schon wussten: Jedes Ding hat seine Zeit. Schön, wenn man die erkennen kann. Ich trage gerade Fellstiefel. Das nur nebenbei.

Männer im Supermarkt

Ich fahre ja oft und gerne zum Einkaufen. Vor allem hier in Rom. Die meisten Leute in den Geschäften meiner Wahl arbeiten schon seit Ewigkeiten dort und so kennen wir uns und freuen uns aufeinander. Vom Metzger werde ich regelmäßig zur deutschen Politik befragt, was mich fast in ebensogroße Verlegenheit bringt, wie die gleich darauffolgenden Fragen nach dem deutschen Fußball. Meist verstehe ich sie gar nicht so richtig, weil der Dialekt doch sehr arg ist und auch ein wenig Genuschel hinzu kommt. In meinem Supermarkt, den ich vor Jahren aus der Versenkung meiner Gedanken gehoben habe und in dem ich inzwischen wie ein Großwildjäger, nein eher wie ein Trüffelsammler wahre Schätze entdecke und berge, habe ich ein paar fröhliche Mädels, mit denen man herrlich über das Leben an sich und im Speziellen philosophieren kann. Fast immer sind sie fröhlich, nennen einen Amore oder Bella und scheinen sich ein Loch in die Mütze zu freuen, wenn man ein halbes Brot möchte.

Nun hat der Supermarkt – vermutlich nicht nur dank meiner wiederaufgenommen Einkäufe dort – vor zwei Jahren total renoviert und seitdem haben wir auch eine Wursttheke. Zunächst dachte ich noch: naaaa, das geht doch nie, das ist doch so ein günstiger Supermarkt, fast wie der Aldi, was soll es da schon geben?! Aber weil man ja Neueerungen gegenüber aufgeschlossen sein soll, habe ich dort meinen gekochten Schinken gekauft. Zunächst nur hundert Gramm und ganz dünn geschnitten. Und als ich forsch auf die Frage nach der Sorte geantwortet habe, dass ich bitte gerne den besten hätte, konnte ich bei dem Schinkenschneider ein rasches Glitzern in den Augen sehen, denn fast nichts freut sie mehr als eine willfährige Kundin, die aber schon auch das Beste zu schätzen weiß, sich aber gleichzeitig anleiten lässt und angebotene Ware erster Güte probiert und danach auch noch sagt, dass sie vorzüglich war. Eine ebensolche kann ich sein. Ein Bund fürs Leben war geschmiedet mit Alessio und Michele (glaub ich). Alessio zeigt mir seine Zuneigung inzwischen verbal, indem er gerne in englischen Brocken mit mir kommuniziert, was fast noch schwieriger zu verstehen ist als der römische Dialekt vom Metzger gegenüber oder handfest, indem er mich mit Mozzarrella- und Schinkenstücken abfüttert. Wir sind ein Dreamteam und er hat mir versichert, er würde Frauen immer und in jeder Form zufrieden stellen, was mich sehr beruhigt. Für mich und auch für seine Frau.

Gestern, als ich zu einer für mich sehr ungewöhnlichen Zeit einkaufen gefahren war, habe ich bereits auf dem Parkpatz frohlockt. Nur ein anderes Auto, wo sich normalerweise zwanzig stapeln – ein Traum. Auch drinnen gähnende Leere, ein,zwei verlorene Männer, sonst nichts. In fünf Minuten bist Du raus, dachte ich mir und bin frohgemut in Richtung Schinken gestürzt. Ein Kunde vor mir – prima! Alessio krähte erfreut sein Ciao Bellissima und als ich gehört habe, dass er auch schon genau wusste, was ebendieser Kunde vor mir nehmen wird (due, due, due, vero? – si!), hab ich mich schon auf meine eigene Bestellung vorbereitet. Fast hätte ich sie vergessen. Was sind Männer nur für Ratschkattln! Fußball, Fernsehen, Frauen – alles haben sie eingehend besprochen, der Wahnsinn! Dann kam noch einer angeschlendert, der zwar keinen Schinken wollte, aber ganz sicher auch mitreden und schön langsam habe ich angefangen innerlich von tausend runter zu zählen. Irgendwann war ich dann doch dran, habe Alessio während des Bestellvorgangs die Basics im Deutschen (ich liebe Dich) beigebracht und wurde durch diese ganze Bummelei Zeuge eines mörderischen Streits zwischen dem Fleischzerteiler, den wir Kunden gar nie zu Gesicht bekommen, weil er immer im Kühlraum sein muss (was offenbar auch seinen guten Grund hat!!!) und der Filialleiterin. Es scheint so, als ob der Kühlraum Sergejs Gemüt erst so richtig aufgeheizt habe, es hat nicht viel gefehlt und er hätte sein Hackebeil geholt. Ich komme immer wieder zu dem Schluss: Männer im Einkaufs- und Verkaufsbereich müssen mit Bedacht gewählt werden. Männer im Einkaufssektor sogar mit noch mehr Bedacht. Sie können sonst ganze Lawinen an Stau und Empörung auslösen.

Scheinheiligkeit

Einen guten Monat war ich nicht in Rom. In der Zwischenzeit ist mein Oleander nicht mehr beleidigt und knospt wieder, was mich sehr froh macht, die Baustelle unter unserer Wohnung scheint sich in den Endzügen zu befinden und viele, viele einst gefährlich löchrige Straßen sind neu asphaltiert. Ich bin bereit, dies völlig unserer zauberhaften Bürgermeisterin Raggi anzuhängen. Weil sie eine Frau ist und damit pragmatisch. Sie schreibt sich nicht irgendwelche nie zu erreichenden hehren Ziele auf die Fahne, sondern fängt dort an, wo auch wirklich etwas zu erreichen ist. Das mag dann nicht so spektakulär sein wie ein Vorhaben alla „Ich mache Rom wieder zur Nummer eins unter allen Städten“, aber es erleichtert den Menschen den Alltag, macht sie froh, rettet vielleicht auch Leben. Es hat etwas von Demut den kleinen Dingen gegenüber, ohne die große Dinge gar nicht erst möglich wären, von Füßewaschen bei Mafiosi oder von kleinen freundlichen Gesten im Alltag. Männer mögen solche Gesten nicht immer so gerne. Sie sind nicht spektakulär und effekthascherisch genug, um zu gefallen. Im Stillen wirken ist nicht jedermanns Sache.

Wer WhatsApp hat, ist auch oft in WhatsApp-Gruppen. Das liegt in der Natur der Sache. Das hat viele Vorteile. Man muss nicht jeden Einzelnen anschreiben, um eine Verabredung festzuzurren und lernt ganz nebenbei auch noch seine Mitmenschen besser kennen. Da schreibt zum Beispiel einer, dass in seinem Hotel vier Hundewelpen ausgesetzt wurden und ob nicht einer zufällig einen unterbringen könnte, er selbst würde einen mitnehmen. Um kurz vor Mitternacht kommt dann die große Moralkeule , ob man denn auch alle afrikanischen Kinder adoptieren würde oder gar selbst hinführe, sich um sie zu kümmern. Bäng. Groß rausgekommen, Gutmenschentum unter Beweis gestellt, einem, der ganz harmlos und nebenbei entschlossen ist, eher was Gutes als gar nichts zu tun, eine übergebraten und all das, ohne auch nur einen Finger gekrümmt zu haben. Vermutlich noch nach einer Flasche Weißwein vom Sofa aus. Ich habe ziemliche Probleme mit solchen Menschen. Menschen, die nichts tun als die Taten anderer klein zu reden, die es nicht sehen können, wenn andere auch etwas leisten. Das ist das Gegenteil von gut in meinen Augen und hemmt wie ein böses Perpetuum Mobile den Kreislauf des Guten.

Wenn wir an einem Tag wie diesem – Ostern, dem Tag der Auferstehung – bleiben, ist es auch unchristlich. Denn letztlich zählen Taten, wie klein auch immer und nicht blödes, unnützes Daherreden. Natürlich wäre es ganz wunderbar, mit einem Satz alles Elend auf der Welt zu beheben, aber gar nichts zu tun oder das Engagement anderer zu verhöhnen oder zu schmälern, nur weil man selbst den Arsch nicht hochkriegt und sich ärgert, dass ein anderer besser ist, macht mich sehr zornig. Das muss schon jedem selbst überlassen bleiben, wofür er sich engagiert, solange er damit was Gutes tut. Denn letztlich zieht das Gute immer seine Kreise – egal, wo es seinen Anfang genommen hat. Sicher beginnt es nicht mit bösartigen Kommentaren von einem Sofa aus. Eher mit dem Asphaltieren von Straßen und dem Adoptieren von kleinen Hunden. Frohe und tätige Ostern wünsche ich allerseits!

Der Tag des Schweinehunds

Die Gattung der immer populärer werden Schweinehunde ist eine Kreuzung aus schlechtem Gewissen und Notwendigkeit, der ewige Konflikt zwischen Es und Über-Ich, ein zähes Ringen, wer diesmal die Oberhand gewinnt. Ich habe meinen zauberhaften Schweinehund an sich ganz gut im Griff, will heißen, wir haben einen recht stabilen Nichtangriffspakt. Zum Beispiel haben wir uns drauf geeinigt, dass wir, wenn wir mehr als drei Mal denken: an sich müsste ich…., gemeinsam aufstehen und diese leidige Angelegenheit anpacken oder auch zu Ende führen, je nachdem in welchem Stadium sie sich befindet. Das können Kleinigkeiten wie Flusen auf dem dunklen Parkett und gelbe Blätter am Strauch vor der Sonnenliege ebenso sein wie nicht begonnene oder nicht beendete Texte oder Körperertüchtigungsübungen. Auch Blogbeiträge können durchaus zu einer Angelegenheit werden, derer sich mein lieber flauschiger Schweinehund anzunehmen berufen fühlt. Dann nämlich, wenn mich über Tage nicht die Muse küsst oder einfach nichts wirklich Gedankenvolles in meinem Leben geschieht. Das Geheimnis der meisten Schreibenden ist wohl, sich täglich zu einer festen Urzeit hinzusetzen und einfach mal drauf los zu schreiben. Damit werden der Geist, Schweinehund und vermutlich auch die ganzen Finger konditioniert, etwas zu tun.

Die magische „Drei“ bis zum Start hat in unserem ausgeklügelten System durchaus einen Sinn und sollte keinesfalls als Vorabzugeständnis an meinen hübschen Schweinehund verstanden werden. Gäbe es sie nicht und würde ich sofort losstürmen, wenn ein unliebsamer Gedanke durch meinen Kopf schießt, würden ungleich mehr Dinge in meinem Leben zu Belangen ebenjenes Schweinehundes werden. Niemals würde ich die Steckdose unter meinem Schreibtisch innen und außen vom Staub befreien, das Geheimnis meiner blühenden Terrasse liegt vermutlich in der Flucht vor meinem Schweinehund und viele meiner besten Rezepte haben dort ihren Ursprung. Denn ich stelle mich auf der Flucht vor dem Schweinehund gerne auch mal vor den Kühlschrank und überlege, was ich essen könnte. Das ist mitunter schwierig, denn oftmals versuche ich ihn auch laienhaft zu überlisten, indem ich mir vornehme, erst dann einkaufen zu gehen (zum Beispiel feinsten gekochten Schinken), wenn dieses oder jenes zu meiner eigenen und nicht seiner Zufriedenheit erledigt ist. Dieser Blogbeitrag zum Beispiel ist zu 90 % meinem felligen Kumpel zu verdanken…..

Und so möchte ich den heutigen Tag zum Tag des Schweinehundes ausrufen. Für alles und jedes gibt es einen Tag, warum nicht auch für ihn. Er regt uns an zur Kreativität, lässt uns Dinge tun, die wir eigentlich auch mal machen könnten, hält den Kontakt zu Menschen, die wir schon lange mal anrufen wollten, macht uns erfinderisch, lässt uns geduldig mit uns selbst sein und zu guter Letzt: gibt klein bei und folgt, wenn wir es wirklich wollen. Ein prima Kerl dieser Schweinehund. Was könnte ich bloß jetzt noch tun?? Ah, ich hab’s: Ich habe gegoogelt, welchen Tag der internationale Tag des Schweinehundes wohl verdrängen würde und siehe da – es ist der Tag der Kosmonauten. Das Weltall – ebenso weit und tief und unergründet wie der Schweinehund selbst.

Ein Jubiläum jagt das nächste

Gerade erst haben wir den 600. Beitrag begangen, schon kommt das nächste Jubiläum: der 3. Jahrestag der Blog-Wiederaufnahme!!! Heute vor drei Jahren habe ich die Gedanken aus dem Ausland wieder aufleben lassen, nachdem sie kurz nach der Geburt für längere Zeit geruht, sich sozusagen fertig entwickelt hatten. Sie schienen damals ein prima Mittel, mich aus der Ferne mitzuteilen und zum Mitmachen zu motivieren. Was ja auch geklappt hat. Inzwischen kommen sie teilweise mit etwas größeren Abständen, aber dennoch regelmäßig. Das hat den einfachen Grund, dass in meinem Leben auch nicht immer und jeden Tag derart verschiedene Dinge geschehen, als dass man darüber schreiben könnte. Andererseits habe ich von einer Webcam aus den USA gehört, die superbekannt und beliebt ist und auf der nichts anderes zu sehen ist als ein Rasen vor einem typischen Vorstadthaus. Also bitte.

Vieles in meinem Leben wiederholt sich wie in jedem Leben. So zum Beispiel auch der Unmut über Mauro. Mauro, der langhaarige römisch Gartencenterbesitzer. War ich doch nicht am Samstag dort, um Kräuter zu kaufen, vor allem Thymian und finde es nicht?! An einem Tag wie diesem, wo man überbordet vor Pflanz- und Arbeitslust. Ja, sagt er, es wären morgens noch 60 gewesen und die beiden letzten wären diese von der Signora hier. Toll. Das hilft mir weiter. Montag kämen neue. Sind wir also heute am Montag hin. Was sagt er? Ja natürlich käme Thymian. Am Montag Abend. Blöder Sack. Das trifft bei mir natürlich in eine nie ganz verheilte Wunde aus dem Jahre 2009. Da hat er mich so schmählich hängen lassen wie es noch niemals ein Mann zuvor getan hat und wie es hoffentlich auch niemals mehr einer tun wird. Er wollte bei unserer traumatischen Terrassenrenovierung meine Pflanzen beherbergen und ist einfach nie gekommen, um sie zu holen. In der damaligen Verzweiflung war das fast mein Todesstoß. Wenn man selbst zuverlässig ist und ich darf behaupten, das zu sein, weil ich auch immer viel zu viel Angst vor den Folgen hätte, es nicht zu sein und weil ich mir immer denke, dass man das einfach nicht tut. Ich meine, nicht das zu tun, was man gesagt hat, dass man tut. Also jedenfalls war ich verzweifelt und völlig verloren und habe nur schwer wieder zu ihm zurückgefunden. Nun ist er aber der einzige Vivaio in meiner näheren Umgebung und wenn ich für ein Basilikum nicht kilometerweit fahren möchte, muss ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Gerne tu ich es nicht immer.

Jedenfalls haben wir dann halt einen Rincospermo gekauft und ärgerlicherweise auch nur zwei Euro Rabatt bekommen. Die Fronten verhärten sich hier gerade ein wenig, das steht fest. Mein unermüdlicher Vater hat ihn eingetopft und nun beten wir mal für ihn (Mauro), dass er wenigstens was taugt (der Rincospermo). Fast genau dasselbe hätte ich also auch schon vor drei Jahren schreiben können, immer wieder dazwischen und wenn alles gut geht, kann ich es auch in drei Jahren noch schreiben, wobei ich schwer hoffe, dass sich bis dahin die kahle Stelle in meiner Esstischnische auf der Terrasse geschlossen haben wird. Für mich ist ein solch überschaubares Leben etwas ganz Herrliches. Eine Bekannte von mir genießt derweil ihren Ruhestand auf ganz andere Art: sie macht die tollsten Reisen und saust durch verschiedene Kulturen und Länder. Ein Blog von ihr läse sich sicherlich um Einiges spannender, wobei ich glaube, dass die grundlegenden Gedanken doch mehr oder weniger immer dieselben bleiben. Mal im Außen, mal im Innen. Denn oftmals geht man nach Außen, wenn man im Inneren nicht das Ersehnte findet oder man geht zurück ins Innere und findet dort, was man im Außen vermisst. Und vielleicht stelle ich gerade deshalb erfreut fest, dass meine Gedanken sehr regelmäßig fließen und ich sie inzwischen dahingehend sortieren kann, was ich schreibe oder noch besser was sich schreibt. Denn in den allerwenigsten Fällen weiß ich bei den ersten Worten eines Eintrags, wie er weitergeht oder gar endet. Insofern: Es bleibt spannend. Auch für mich.

Mein Fiorista

Ich bin ja unglaublich treu. Das liegt daran, dass ich mich dann nicht an neue Menschen gewöhnen muss und die, die ich kenne, mich meist auch mögen oder falls nicht, es zumindest gut verbergen. So auch mein Blumenhändler. Unsere Zuneigung entstand aus dem Alltag. Allerdings war sie zunächst eher an seinen Vater gekoppelt. Der junge Mann, vielleicht Mimmo?? durfte damals nämlich höchstens mitfahren und aus dem Auto herauslugen. Vermutlich um zu lernen, wie man die durchaus komplizierte und auch kapriziöse italienische Signora umgarnt und schließlich wie einen hübschen und verkauften Blumenstrauß einwickelt. Ich kann dem treuen Leser schon jetzt zurufen: er hat gut gelernt. Er ist ein Profieinwickler vor dem Herren. Das einzige, was ich mit Sorge betrachte ist sein stetig zunehmender Bauchumfang, der es mir schon heute schwierig macht, ihn gebührend zu begrüßen. Ich komme nicht mehr richtig gut an ihn heran. Auch haben wir den gegengleichen Rhythmus bei den Baci und so werden wir irgendwann mit einem echten Kuss auf den Mund enden. Allerdings, nein, doch wieder nicht. Wenn er in dem Tempo weiterhin zunimmt, werde ich nicht mehr hinkommen. Auch gut. So regelt die Natur die Moral.

Mimmo also betreibt im Erbe seines Vaters also einen mobilen Blumenstand. Nicht auf einer dreirädrigen Ape, das wäre natürlich malerischer, aber da er von Neapel immerzu nach Rom hochhoppelt, wäre es doch sehr unpraktisch. Sein Gefährt ist eine interessante Mischung aus Auto und Verkaufsfläche. Wie er es anstellt, dass immer und zu jeder Tageszeit fast die gleich große Auswahl zur Verfügung steht, ist mir ein Rätsel. Sein Vorteil ist – und hier muss ich einen kleinen Einschub machen -, dass er seine Ware mobil präsentiert. Mein armer Obsthändler hingegen hat nachdem ich nun knappe fünf Wochen nicht nach dem Rechten sehen konnte, gut zwei Drittel seiner Verkaufsfläche vor dem Laden eingebüßt. Die garstigen Vigili waren mit der ausladenden Präsentation von Orangen und Äpfel zu 99 Cent das Kilo nicht einverstanden und nun stehen gerade mal zwei magere Kisten vor dem Laden und Pessimisten kommen im Vorbeifahren zu dem Schluss, dass es den Laden nicht mehr gibt. Un disastro! Nun, das jedenfalls kann Mimmo schon mal nicht passieren. Zwar könnte der neue römische Polizei-Lamborghini meinen Mimmo mit Leichtigkeit einholen, aber im Normalfall könnte er bei mäkeligen Vigili, die ihm sein Geschäft missgönnen, einfach die seitlichen Planen herablassen und davon brausen.

Mimmo muss sich sowieso täglich mit den Gegebenheiten der Straße auseinandersetzen. Denn um in Rom täglich denselben freien Parkplatz zu finden, muss man sich sicher mit mehr als Padre Pio gut stellen und so habe ich schon grausige Schreckensmomente verlebt, weil ich dachte, er sei nicht da, derweil stand er nur eine Ecke weiter. Wenn man ihn liebt, dann sucht man ihn. Immer im Vertrauen darauf, dass er einen schon nicht im Stich lässt. Ab und zu sorgt Mimmo auch für neue Adrenalinstöße, zum Bespiel heute mit einem neuen Mitarbeiter, der dem Aussehen nach zu urteilen ebenfalls zur die Familie gehört, aber nicht eine Unze von Mimmos Charme und Warmherzigkeit hat, sondern lieber mit der mageren Verkäuferin aus dem benachbarten Unterwäschegeschäft schäkert. Er ist eben noch sehr jung. Als Mimmo dann hinter einem Kleinlaster hervortrat, der ihn gerade so verbarg, mich in seine Arme riss und mir versicherte, ich sei doch die Allerwunderschönste und wie glücklich er sei, dass ich wieder da bin, war die Welt wieder in Ordnung und ich habe sofort viele Blumen gekauft. Übrigens Osterblumen. Die sehen aus wie Blumen, die ich kenne, deren Namen ich allerdings nicht weiß. Schön sind sie und mein Vater meint allen Ernstes, sie röchen nach Zimt, was für Osterblumen ja eher untypisch wäre. Aber die Wege der Natur sind bekanntlich unergründlich. Die von Mimmo zum Glück jedoch nicht.

Alte Griechen, rotzige Eichhörnchen

So! Kennt jemand die Kitkat-Werbung mit den Pandabären? Die, bei der ein Fotograf einen ganzen Tag lang vor einem Pandagehege auf der Lauer liegt, um die blöden Bären zu filmen? Und als er sich dann einmal erschöpft umdreht, fahren sie hinter seinem Rücken auf Rollschuhen hin und her und machen Kunststücke. Und ganz genau so ist es mir heute gegangen. Nur mit einem oder zwei Eichhörnchen. Schon den ganzen Morgen, als mir der Sinn wahrlich noch nicht nach Akrobatik gestanden ist, haben ein oder zwei Eichkater die Bäume unsicher gemacht. Sind aufreizend langsam Äste auf- und abgewandert und haben lange und possierlich an gut einsehbaren Orten verweilt. Da ich den gesamten Winter mit dem Teleobjektiv neben mir am Schreibtisch verbracht hatte, nur um eine gute Serie zu machen, dachte ich, hat ja ja eh keinen Sinn, denn bis ich die Kamera schussbereit hab, sind die Biester längst wieder in ihren Astlöchern. Ich habe sozusagen völlig losgelassen und auch die kleinen Gedanken in meinem Hinterkopf verbannt, dass nun einer der letzten Tage sei, an denen solche Aufnahmen noch möglich sein dürften. Man kann den Blättern vor dem Balkon nämlich beim Wachsen zuschauen und damit sind dann auch die Eichhörnchen für eine lange Zeit wieder unsichtbar. Aber egal, ich war gelassen.

Beim Mittagessen – zum ersten Mal draußen übrigens – ist ein anderer (laut meinem Mann) Eichkater hin- und hergerast. Ich war immer noch ganz cool und habe ihm meine Überzeugung diesbezüglich erläutert. Dann hab ich mich an meine Lieblingsfilme auf ARTE erinnert, wo Naturforscher stundenlang ein Mauseloch bewachen und gleich darauf bekam ich wunderschöne Storchenaufnahmen von meiner Mutter geschickt. Also gut, also gut, hab ich mir gedacht, dann hol ich jetzt den Foto, schraub das Tele drauf und lege mich auf die Lauer. Und was soll ich sagen? Alle Eichhörnchen wie vom Erdboden verschluckt. In der Zwischenzeit hab ich in der Sonne gelegen, gelesen, ein Schläfchen gemacht, gebügelt, einen Film gesehen und was man halt an einem Sonntag so macht. Kein Eichhörnchen. Ich könnte schwören, dass wenn ich meine Ausrüstung rein bringe, die Eichhörnchen aufatmend all die Kunststücke turnen, die sie sich in den vergangenen Stunden in ihren doofen Höhlen ausgedacht haben. Wenigstens bleibt mir die Schadenfreude, dass es da drin recht warm und stickig gewesen sein muss.

Welche Wahnsinnsnaturgesetze sind es, die sowas geschehen lassen? Die Busse länger aufhalten, wenn man auf sie wartet? Die Ampeln, die immer rot sind, auf grüne Welle schalten, wenn man sich einmal den Lippenstift nachlegen möchte? Die Kassenschlangen, die kürzer sind als alle anderen, mit dem einzigen Kunden versehen, der zuerst bar zahlen möchte, dann das Geld nicht hat, dann mit EC-Karte und dann seine Geheimzahl nicht kennt? Oder mit einem, der eine Flüssigzitrone ohne Etikett nimmt? Liegt das wirklich an der eigenen Wahrnehmung? Oder doch an den bösartigen Eichhörnchen? Es geschieht ja recht häufig, dass verschiedene Menschen dieselbe Situation völlig unterschiedlich erleben und dieses Phänomen hat schon der griechische Philosoph Epiktet benannt: Es sind nicht die Dinge an sich, die uns beunruhigen, sondern unsere Sicht der Dinge, bzw. wie wir sie bewerten. In dieser ganz speziellen Situation fällt es mir sehr schwer, das Verhalten der Eichhörnchen anders zu betrachten als als das, was es letztlich ist: eine bodenlose Frechheit!

NACHTRAG: Das war der 600. Beitrag!!!